2. österreichischer Speaker-Slam

Es war ein bunter Nachmittag und Abend, am 30. April im Wiener Metro-Kino. 24 Speaker traten an, um Publikum und Jury zu überzeugen. Den meisten ist das auch gelungen.

Pünktlich um 16.00 Uhr betrat Max Mayerhofer, der Sieger des Vorjahres, als Moderator die Bühne und eröffnete gemeinsam mit den Organisatoren Martina Kapral, Hermann Scherer und Christoph Wirl die Veranstaltung. Statt einleitenden Reden gibt es präzise Infos zum Ablauf, ein herzliches Willkommen und das Startkommando – und schon beginnt Steffen Becker als erster Redner seinen 9-Minuten-Vortrag. Es sollte darin um Inspiration gehen, er tut dann aber einige Dinge, die er besser nicht tun hätte sollen: Er erklärt dem Publikum genau, was Frauen wollen, spricht von seiner Traumfrau und immer wieder über Sex und sagt, dass Flirten die höchste Kunst der Kommunikation sei. Am Ende fragt er: »Konnte ich Sie heute inspirieren?« Auch das hätte er nach dieser Rede nicht tun sollen. Der Inhalt ist also schwach – sein Auftreten hingegen ist sicher und souverän. Auf Bühnen stehen und reden, das kann er.

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Steffen Becker

Im Alphabet an nächster Stelle und damit als Zweite auf der Bühne ist Anke van Beekhuis.
Sie erzählt von ihren Herzenswünschen Freiheit, Leichtigkeit und Spaß sowie von Zielerreichung über Wertigkeit, Wichtigkeit und Wirklichkeit. Der Einstieg mit einem knallgelben Luftballon ist gut, der Schluss-Appell mit einem roten Herz-Ballon ist sehr gut. Dazwischen liegt leider das nicht geglückte Experiment, die Bühne zu verlassen, wodurch sie für viele nicht mehr zu sehen ist. Aus dem Dunkel heraus spricht sie komplizierten Text über Wünsche und Mathematik, Einflussfaktoren und Gleichungen. Das passt so gar nicht zu ihren Herzenswünschen.

Anke van Beekhuis
Anke van Beekhuis

Für die ersten Lacher im Publikum sorgt
Gregor Fauma als nächster Redner. Es geht ums Grüßen, um Menschen, die sich zu gut dafür sind und um solche, für die es Stress bedeutet: »Hat er gesehen, dass ich ihn gesehen habe?« Die Rede ist unterhaltsam, endet aber mit dem Vorlesen einer Grußordnung für Mitarbeiter von Siemens aus dem Jahr 1986. Das Dokument ist zwar wirklich lustig, aber das Vorlesen dauert im Vergleich zum Rest des Auftritts zu lange. Das ist ja ein Rede- und kein Lese-Wettbewerb!

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Gregor Fauma

Martin Frohn spricht in seinem Vortrag über das Verkaufen und darüber, dass das mit Geschichten am besten geht. »Unser Gehirn ist süchtig nach Geschichten.« Wie auch schon bei Anke van Beekhuis kracht und knackst das Headset-Mikrofon schrecklich laut. Dafür können die Speaker natürlich nichts. Martin Frohn meistert diese Herausforderung wunderbar, und als ihm dann ein funktionierendes Mikrofon in die Hand gedrückt wird, kommt er so richtig in Fahrt und erzählt uns seine Geschichte vom Teppichhändler in Istanbul: er und seine Frau, auf der Straße angesprochen, kostenlose Stadtführung, schließlich im Teppichgeschäft mit einem Profi-Verkäufer. Er hatte sich wohl schon damit abgefunden, dass er diesen Laden nicht ohne Teppich verlassen würde, als ihm seine Frau sagt: »Wir kaufen da heute eh nix, oder?« Die Geschichte ist so gut erzählt, dass alle im Saal sein Dilemma nicht nur nachempfinden können, sondern förmlich spüren. Martin Frohn erklärt dann anhand dieser Geschichte, wie man sich in Verkaufsgesprächen verhalten soll. So gehe es zum Beispiel um ein positives Gefühl der Verpflichtung. Genau das hinterlässt er bei Publikum und Jury. Für einen Preis hat es schlussendlich aber doch nicht gereicht.

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Martin Frohn

Die Sache mit dem kaputten Headset hat eine überraschende Konsequenz: Weil es nur noch ein funktionierendes Headset gibt, muss dieses ab nun dem jeweils abtretenden Speaker »abmontiert« und dem ihm folgenden Speaker angepasst werden. Daraus ergibt sich nach jedem Auftritt eine kurze Umrüstzeit, die von Moderator Max Mayerhofer gefüllt wird. Und zwar nicht einfach irgendwie gefüllt, sondern so gut gestaltet, dass diese ungeplanten Pausen zum Highlight der Veranstaltung werden:  wirklich witzig, Staccato-Pointen, viel Charme, richtig sympathisch – und das alles mit Bezug auf das eben Vorgetragene. Eine Wahnsinnsleistung des Moderators, die allerdings eine kleine unerwünschte Nebenwirkung hat: Seine Leistung überstrahlt die der meisten Speaker, die ja eigentlich die Hauptdarsteller sein sollten.

Es folgen einige gute und weniger gute Speaker. Einigen geht die Zeit aus, sodass sie am Schluss im Dunkeln stehen – und trotzdem weitersprechen, als ob nichts wäre! Andere versuchen von der Bühne herunter, ihre Bücher zu verkaufen. Für manche gilt sogar beides!

Wesentlich besser macht es Martina Hagspiel, die sich gleich zu Beginn als »Kurvenkratzerin« vorstellt. Im Laufe ihrer Rede wird dem Publikum langsam immer klarer, dass sich diese Bezeichnung auch aufs Überwinden einer Krebserkrankung bezieht. Hier ist also sehr viel Emotion im Spiel. »Es geht ums Glück«, ist eine ihrer Aussagen. Soziales Glück sei ganz wichtig für die Gesundheit. Sie zeigt auch mögliche Wege zu diesem Glück auf. Schließlich schafft sie es sogar mit einem gut gemachten Trick, die Inhalte ihres Vortrags über ihre Redezeit hinaus wirken zu lassen, indem sie den finalen Schlusspunkt durch den Moderator setzen lässt. Gefinkelt! Ihr »ganzes Leben in 9 Minuten« ist hervorragend getextet und vorgetragen – in der Publikumswertung ergibt das den (inoffiziellen) 2. Platz – erst die letzten beiden Stimmkarten geben den Ausschlag zu ihren Ungunsten. Vielleicht hätte es zum Sieg gereicht, wenn sie das Publikum nicht an einer Stelle ganz bewusst in die Irre geführt hätte. Gegen Ende des ersten Drittels spielt sie nämlich ein Blackout vor. Ihre zur Schau gestellte Verzweiflung macht das Publikum richtig betroffen. Der aufmunternde Applaus; das Geständnis, dass alles nur gespielt war; die folgenden Worte, die darauf Bezug nehmen; die unmittelbar anschließende Offenbarung der Krebserkrankung – diese Achterbahnfahrt der Gefühle ist verwirrend, emotional verwirrend. Mit echten Emotionen des Publikums sollte man achtsamer umgehen. Eines hat sie aber jedenfalls erreicht: Diesen Auftritt vergisst man nicht so schnell.

Martina Hagspiel
Martina Hagspiel

In Erinnerung bleibt auch die positive Stimmung, die Monika Herbstrith-Lappe mit ihrem Aufruf, die Dinge zu »entkatastrophisieren«, vermittelt. Für den Umgang mit unvermeidlichen kleinen Hoppalas und peinlichen Pannen hat sie einen Tipp: »Irgendwann finden wir es lustig, dann finden wir es doch gleich lustig!«

Monika Herbstrith-Lappe
Monika Herbstrith-Lappe

Inspirierend ist der Inhalt der nächsten Rednerin Carmen Jeitler-Cinelli: Wir brauchen einen Mutmotor in unserer Gesellschaft, wir brauchen Mutmenschen. Sie spricht von Corporate Courage und erläutert, wie man sich mutig verhält.

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Carmen Jeitler-Cinelli

Mit einer echten olympischen Goldmedaille eines seiner Klienten betritt Michael von Kunhardt die Bühne. Von ihm lernen wir, dass die wichtigste Siegermentalität das Selbstvertrauen ist. Sein Auftreten passt sehr gut dazu: souverän, selbstbewusst, fesch, schöne Sprache. Dieser Mann fühlt sich auf einer Bühne wohl. Sein Thema, wie man die positive Ergebnisorientierung aus dem Sport für den Business-Alltag nutzen kann, passt ohne Zweifel zu ihm, aber nicht so gut zum Publikum.

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Michael von Kunhardt

Von Frank Meinert werden wir aufgefordert, nicht an Autoritäten zu glauben. Er vermischt Aufrufe – wie z.B. Beziehungen zu pflegen – mit persönlichen Geschichten, die Struktur des Vortrags ist etwas kompliziert. Erst am Schluss, als er die 5 Erfolgsfaktoren Finanzen, Richtung, Fitness, Beziehungen und Bildung zusammenfassend vorstellt, merke ich, dass sein gesamter Auftritt eine runde Sache ist.

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Frank Meinert

Patrick Nini scheint sich auf der Bühne wohl zu fühlen: Er hat eine hervorragende Präsenz, strahlt Sicherheit aus, versteht es, die Stimme zu modulieren und kann auch lustig sein. Seine Message: Es braucht kein PowerPoint, die Präsentation ist alleine die Performance. Das ist jetzt nicht sehr neu, seine Beispiele und Gedankenexperimente sind nicht besonders gut gewählt. Kurz: Bei ihm ist die Performance wirklich alles.

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Patrick Nini

Rainer Peraus kann sehr gut Geschichten erzählen. Als Einstieg beschreibt er ein Video über die Verhaltensweisen von Ameisen. Was er sagt, kann man sich bildlich vorstellen. Seine Aussagen: Zuversicht ist eine Entscheidung und eine Haltung – und: Zuversicht kann man trainieren. Er ruft dazu auf, sich Entdecker, Forscher und Kinder zum Vorbild zu nehmen. Diese haben einiges gemeinsam: Neugier, Respektlosigkeit, Größenwahn, Naivität. Und sie können sich wundern. Diesem Mann hört man einfach gerne zu.

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Rainer Peraus

Genau das gilt auch für den nächsten Redner, Harald Preyer. Als »Sir« wird er am Ende des Abends von der Jury bezeichnet, diese verleiht ihm nämlich für seinen Vortrag den Verlags-Award und somit einen der insgesamt 4 zu gewinnenden Preise. Es war wohl das Gesamtpaket aus Auftritt und Inhalt, das die Jury überzeugt hat. »We are living in a VUCA World«, sagt Harald Preyer und erklärt dann, was »VUCA« bedeutet: Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiquity. Das macht das Führen schwierig. Das Publikum bekommt aber eine mögliche Lösung angeboten: Mit Emotion führen! Gemeint ist die wohl positivste aller Emotionen: die Liebe. Das liest sich jetzt vielleicht ein bisschen seltsam – aber nur, wenn man die Rede nicht gehört hat. Denn Harald Preyer schafft es, einen überzeugenden Bogen zu spannen, der erklärt, wie das funktionieren kann. Es geht um Wertschätzung, Achtsamkeit, Forderung und Förderung der Mitarbeiter. Ganz zum Schluss folgt eine Art Aufruf zur Religiosität, der zwar einerseits zu den Inhalten passt, diese aber andererseits auch in ein völlig anderes Licht rücken könnte. Beim Publikum ist das weit weniger gut angekommen als bei der Jury.

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Harald Preyer

Kurt Steindl betritt die Bühne mit einer Gitarre. »Keine Requisiten« steht zwar in den Regeln für diesen Speaker-Slam, er hat aber vorab um eine Ausnahme angesucht und diese auch gewährt bekommen. Dass das einige seiner Redner-Kollegen nicht okay finden, ist nachvollziehbar. Dem Publikum hat es aber gefallen, kein Wunder: Nach 20 Vorträgen kommt einer und macht Spaß, musiziert und singt. Das bringt Stimmung. Sein Thema passt dazu: »Service ist wie Rock’n Roll.« Seine stärksten Momente hat er aber, wenn er die Gitarre beiseite lässt. Ein Beispiel: »Schatz, findest Du mich zu dick?« Kurt Steindl zum Publikum: »Meine Herren, da ist Servicequalität gefragt!« Auf den möglichen Vorwurf, das sei doch nicht ehrlich, hat er eine klare Antwort: »Natürlich nicht!« Er räumt für seine Show gleich 2 Preise ab: den Publikumspreis und den Agentur-Award.

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Kurt Steindl

Der 1991 geborene Florian Wildgruber sticht schon alleine durch seine Jugend aus dem Teilnehmerkreis hervor. Er bezeichnet sich als »Lebenstraumfänger« und hält einen inspirierenden Vortrag darüber, wie man sich seine Träume erfüllen kann. Er ist Spitzensportler und diese Kraft bringt er auch auf die Bühne. Gleichzeitig ist er cool, souverän und auch sympathisch – insgesamt also ein würdiger Gewinner des Gesamtpreises, der ihm von der Jury verliehen wird. Und trotzdem: Anders als im letzten Jahr stimmt der Autor dieses Artikels mit der Jury nicht überein. Denn während der größte Teil der Rede überzeugend, sehr gut getextet und manchmal auch lustig ist, sind Anfang und Schluss vergleichsweise holprig und schwach. Das selbst geschriebene Gedicht als Abschluss, in dem z.B. Herz und Scherz mit rhythmischen Mühen zum Reimen gebracht werden, hat nicht die Qualität, dem zuvor Gebotenen gerecht zu werden. Aber angesichts des Mottos dieses Wettbewerbs »Neue Redner braucht das Land« kann man die Entscheidung der Jury nachvollziehen. Denn Florian Wildgruber ist jung, voller Potenzial und somit ein Versprechen für die Zukunft.

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Florian Wildgruber

Seinem Nachnamen ist es geschuldet, dass Christoph Wydy wie auch schon im Jahr 2015 als letzter Redner die Bühne betritt. Mit einer starken, sehr persönlichen Geschichte, die erzählt, warum er mit einem von ihm geliebten Sport von einem Tag auf den anderen aufhörte und was das alles mit seinem von ihm alles andere als geliebten Nachnamen zu tun hat, fesselt er das Publikum zu später Stunde.

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Christoph Wydy

Fazit
Der Speaker-Slam 2016 war ein voller Erfolg. Es gab viel zu lernen, einiges zu lachen und auch ein bisschen etwas zu staunen – sowohl für die Redner als auch für das Publikum. Die 3. Auflage im Frühjahr 2017 ist schon fix geplant.

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