Was zuvor vielversprechend klingt, endet oft in einem teuren Debakel. Fehlende Strukturen und mangelnde Kompetenzen können die Ursache sein.
Mittlerweile haben wohl auch die letzten Zweifler akzeptieren müssen, dass die Digitalisierung keine kurzweilige Modeerscheinung ist. In vielen Unternehmen ist das Thema strategisch fix verankert. Der Großteil der daraus abgeleiteten Projekte besitzt oft ambitionierte Ziele verbunden mit hoch gesteckten Erwartungshaltungen. Beeinflusst durch Paradebeispiele wie Amazon & Co sowie durch die (theoretischen) technischen Möglichkeiten im IKT-, IA- und Robotikbereich ist das nicht verwunderlich. Fakt ist, die ersten Schritte der digitalen Transformation sind für Unternehmen oft schwierig und teuer und die Ergebnisse liegen meist weit hinter den Erwartungen.
Eine oftmalige Ursache dafür ist, dass weder die Organisationen selbst noch die mit der Umsetzung dieser Vorhaben betrauten Personen über die erforderlichen Kompetenzen verfügen. Sprich: man versucht mit bewährten Methoden, neue Hausforderungen zu lösen. Und das funktioniert entweder gar nicht oder nur teilweise.
Umdenken in der Organisation
Digitale Transformation bzw. Digitalisierung sind keine singulären, abgegrenzten Themen. Im Gegenteil. Sie betreffen immer alle operationalen wie auch funktionalen Bereiche. Als Beispiel hierfür soll jener Bereich genannt werden, der in vielen Firmen als »Flaschenhals« oder manchmal gar als »Digitalisierungsbremser« gesehen wird: Die IT. Die klassische IT-Bereichsstrategie hat ihren Fokus auf die Instandhaltung und Weiterentwicklung bestehender Systeme und das damit verbundene Management der IT-Ressourcen. Die Integration neuer Technologien zur Weiterentwicklung von Produkten und Prozessen ist nur dann enthalten, wenn Bedarf aus anderen Fachbereichen gemeldet wird (z.B. Automatisierungsthemen).
Organisatorisches Umdenken im Zusammenhang mit Digitalisierung beutet am Beispiel der IT-Strategie aber weit mehr. Dort müsste die Strategie auch beinhalten, was die IT-Abteilung mithilfe neuer Technologien zur Weiterentwicklung oder Änderungen der Produkte, Leistungen und Prozesse mit Fokus auf den (externen) Kunden beitragen möchte.
Das alleine würde aber nicht reichen. Natürlich bedarf es auch der erforderlichen IT-Ressourcen und einer Umstellung im organisatorischen Mindset. Letzteres bezieht sich darauf, dass die unternehmensinterne IT bis dato als Dienstleister verstanden wurde und nun zum Innovationstreiber in vielen Branchen werden kann.
Abkehr vom linearen Denken
Änderung im Mindset bedeutet aber auch die Abkehr vom »linearen Denken«. Der Prozess der Digitalen Transformation ist keine Wenn-Dann-Abfolge. Spätestens seit dem Aufkommen agiler Methoden zur Abwicklung von Projekten ist eines klar: ressourcenschonendes Trial-and-Error-Vorgehen ist bei manchen Aufgabenstellungen besser als das sture Festhalten an einem Plan oder Ziel.
Diesen Zusammenhang kennen mittlerweile viele, die Konsequenzen daraus haben aber erst wenige verstanden und verinnerlicht. Gerade wenn es um den Einsatz neuer IKT-Lösungen geht, wünschen sich Budgetverantwortliche gerne einfache Wenn-dann-Beziehungen. Derzeit stark im Trend sind sog. Plattformen zur Kollaboration mit dem Kunden (z. B. Bestellplattformen), wo man sich Kosteneinsparungen auf der einen Seite und die Erhöhung der Kundenzufriedenheit auf der anderen Seite erhofft. Für derartige Vorhaben hat sich in der Praxis das folgende Vorgehen zur Digitalen Transformation bewährt. In Phase 1 (»Ideation«) wird mithilfe von Methoden aus dem Design Thinking in einem oder mehreren Workshops eine Idee zu Papier gebracht. In Phase 2 (»Design« oder »Konzeption«) wird die Idee konkretisiert. Es geht hier nicht um die Erstellung des Endergebnisses, sondern ausschließlich um das rasche Sammeln von Erfahrung und Wissen. Aufbauend darauf erfolgt erst in Phase 3 die »Realisation«, d. h. die konkrete Umsetzung und Implementierung. Im Verlauf stehen alle Möglichkeiten offen. Dies reicht vom Stopp eines Vorhabens, über die starke Abänderung der Ursprungsidee bis hin zu fast genauso umgesetzt wie ursprünglich angedacht. Viele Unternehmen setzen hierfür Programme auf, die alle drei Phasen umfassen und wo die Phasen 2 und 3 in Projekten abgewickelt werden. Voraussetzung hierfür sind natürlich ein gutes Projekt-, Programm- und Portfoliomanagement ebenso wie die realitätsnahe Kenntnis bestehender Prozesse, insbesondere der Geschäftsprozesse.
Projektmanager im Rampenlicht
Der Großteil aller Digitalisierungsvorhaben wird in Projekten und Programmen abgewickelt. Dadurch stellt sich die Frage, ob es hierfür speziell ausgebildete Projektmanager braucht. Fachexperten sind sich hier nicht einig. Aus diesem Grund werden nachfolgend Anhaltspunkte gegeben, um selbst eine Antwort auf diese Frage finden zu können.
Projekte mit Digitalisierungsschwerpunkt haben typische Merkmale, die sich von anderen Projekten deutlich unterscheiden. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit ist dies allem voran die hohe Komplexität bedingt u. a. durch die organisatorische und prozessuale Vernetzung, Compliance-Themen, dem raschen technologischen Fortschritt und die Einbindung der Kunden. Weiters das hohe Risiko zum teilweisen oder vollständigen Scheitern, das sich sowohl finanziell wie auch imagemäßig niederschlagen kann. Abschließend soll auch noch der hohe Neuheitsgrad und die damit einhergehende geringe Erfahrung erwähnt werden.
Was bedeutet dies nun für die Projektmanager? Er muss gleichermaßen mit den Methoden des klassischen und agilen Projektmanagements vertraut sein und diese je nach Aufgabenstellung und Rahmenbedingung situativ einsetzen können. Besonders gut ausgeprägte Fähigkeiten brauchen sie hierbei im Stakeholder-, Risiko- und Integrationsmanagement sowie im Sourcing und der Projektkommunikation. Sie brauchen weiters Basiskenntnisse auf den Gebieten Design Thinking und im Prozessmanagement. Sie müssen mit Techniken und Begriffen wie Customer Journey, Mock Ups oder Touch Points ebenso vertraut sein wie mit Prozessflussdiagrammen und sollten den Unterschied zwischen Output und Outcome eines Prozesses kennen.
Weiteres müssen sie im Zuge von Digitalisierungsprojekten Themen wie Business Continuity Management, Qualitätsmanagement und oft auch Legal & Compliance aktiv aufgreifen und gemeinsam mit den fachlich Verantwortlichen bearbeiten. Da in vielen Firmen Digitalisierung eher passiert als bewusst gesteuert wird, müssen sie auch organisatorische Auswirkungen in ihren Projekten mitberücksichtigen. Dies betrifft in der Regel die bereits oben genannte IT-Abteilung, in vielen Projekten aber genauso das Supply-Chain-Management, die Beschaffung oder den HR-Bereich. Gerade letztgenannter Bereich wird gerne übersehen. Dabei gibt es so gut wie kein Digitalisierungsprojekt, wo nicht Trainings oder sogar neue Mitarbeiter benötigt werden.
Zuletzt soll noch jener Kompetenzbereich angesprochen werden, der einen besonders hohen Einfluss auf das Gelingen von Projekten mit Digitalisierungsschwerpunkt hat: das Change Management. Ein Basiswissen reicht hier nicht aus. Projektmanager brauchen hier ein vertiefendes Wissen, denn Digitalisierungsvorhaben gehen in der Regel immer mit starken Veränderungen einher.
Ob vorhandene Projektmanager über die genannten Kompetenzen verfügen und inwieweit Unternehmen »Digitalisierungs-fit« sind, mögen die Leser nach kurzem Einblick nun selbst entscheiden.