Die Vorteile, Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Coaching und Training am Beispiel des Impostor-Phänomens.
Zweifeln Sie an Ihren Fähigkeiten? Haben Sie Angst davor, Fehler zu begehen? Oder kennen Sie solche Gedanken aus Ihrer Vergangenheit?
Keine Sorge, Sie sind nicht alleine. Fast jeder zweite Erwachsene leidet mindestens einmal in seinem Leben unter sogenannten Impostor-Gefühlen, einer abgeschwächten Form des Impostor-Phänomens (IP). Das IP wurde 1978 zum ersten Mal von den amerikanischen Psychotherapeutinnen Clance und Imes beschrieben. Betroffene haben das tief greifende Gefühl, ein Betrüger (engl. Impostor) zu sein und zweifeln mitunter sogar ihre berufliche Position an. Sie können ihre Erfolge nicht anerkennen und hegen große Selbstzweifel an ihren Fähigkeiten trotz gegenteiliger Nachweise. Vor allem junge Menschen, die am Anfang ihrer Karriere stehen, sind von diesem Phänomen betroffen. Es gibt umfangreiche Literatur und Studien zum IP. Bisher fehlte eine praxisorientierte Intervention, die nachweislich IP-Gefühle reduziert. Aus diesem Grund habe ich ein speziell auf das IP angepasstes Coaching und Training entwickelt und wissenschaftlich evaluiert.
Was sind Vorteile, Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Coaching und Training?
Coaching versus Training
Coaching und Training zielen beide darauf ab, die Leistung einer Person zu vergrößern. Dieses Ziel wird jedoch durch unterschiedliche Wirkmechanismen und Wirkweisen erreicht. Hinter Coaching versteckt sich ein Sammelbegriff aus verschiedenen Methoden. Das Ziel, die Leistung einer Person zu maximieren, gelingt durch Veränderungen auf der mentalen, emotionalen und Verhaltens-Ebene. Dabei wendet man therapeutische Methoden an, um die Selbstreflexion zu fördern.
Im Gegensatz dazu ist Training als Vermittlung von Wissen definiert. Eine Leistungssteigerung erfolgt demnach durch die gezielte Aneignung von Wissen.
Im Vergleich zu Training ist Coaching kostenintensiv und deshalb meist nur dem höheren Management vorbehalten. Wie lässt sich IP nun am besten verringern? Durch Coaching, Training oder etwa einer Kombination aus beidem?
Wissenschaftliche Studie
Im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie bin ich dieser Frage nachgegangen. Dazu wurden insgesamt 103 Auszubildende zufällig in eine von drei Interventionsgruppen eingeteilt: Coaching-Intervention (36 Personen), Training-Intervention (33 Personen) und eine Kontrollgruppe (34 Personen, ohne Intervention). Alle Auszubildenden haben vor der Intervention, direkt im Anschluss und nach weiteren fünf Wochen einen Fragebogen zur Messung des IP ausgefüllt. Um die Ergebnisse der Coachings und Trainings miteinander vergleichen zu können, wurde eine Standardisierung in Bezug auf die Dauer (3 Sitzungen), Zeit (2 bis 3 Stunden) und Inhalte eingehalten.
Der Fokus beim Coaching liegt klar darauf, individuell auf die Bedürfnisse des Auszubildenden einzugehen. Beim Training dagegen stehen theoretische Wissensvermittlung und Übungen in der Gruppe im Vordergrund.
Ausgewählte Übungen
Kompetenzcheck: Die Teilnehmer der Interventionen beschreiben ihre Fähigkeiten, Potenziale und Qualitäten in 3 Feldern: fachliche, persönliche und soziale Kompetenz. Im Vorfeld bekommen die Teilnehmer einen Fragebogen mit Fragen über die eigenen Fähigkeiten, den sie an eine oder mehrere vertraute Personen im beruflichen und privaten Umfeld weitergeben. Die Übung dient zur beruflichen Standortbestimmung und zur Auseinandersetzung und Identifikation mit den eigenen Stärken und Schwächen.
Das innere Team: Bei der Übung »Inneres Team« werden innere bewusste und unbewusste Persönlichkeitsanteile identifiziert. Die Anteile stehen in ständiger Kommunikation miteinander und fungieren als Vertreter bestimmter Rollen, Erfahrungen, Werte und Sichtweisen. Diese Anteile und deren Beziehungen untereinander sollen bewusst gemacht, akzeptiert und berücksichtigt werden. Ziel der Übung ist es, seine eigenen Persönlichkeitsanteile und deren Auswirkungen, beispielsweise bei Fehlentscheidungen, zu reflektieren.
Ergebnisse der Studie
Eines vorweg: Durch Coaching und Training konnten IP-Gefühle reduziert werden. Dieser Effekt war jedoch bei der Coaching-Intervention stärker als bei den Trainings. Nach 5 Wochen war der Effekt des Trainings nahezu gänzlich verschwunden und ein Trend zur Ausgangssituation war erkennbar. Im Vergleich dazu zeigte sich bei der Coaching-Intervention eine weitere Reduktion der IP-Werten nach 5 Wochen. Der Rückgang an IP-Gefühlen lässt sich bei der Coaching-Intervention durch die Persönlichkeitsvariablen »Angst vor negativer Bewertung«, »verbergen von Fehlern«, »positiver Attributionsstil« und »berufliche Selbstwirksamkeit« nachweisen. Diese Persönlichkeitsvariablen wurden direkt im Coaching und Training behandelt. Zum Beispiel dient die Übung »Kompetenzcheck« zur Förderung der beruflichen Selbstwirksamkeit. Unter beruflicher Selbstwirksamkeit versteht man die Überzeugung, mittels eigener Fähigkeiten berufsbezogene Ziele zu erreichen oder Herausforderungen zu meistern. Um dies zu erreichen, ist eine Auseinandersetzung mit den eigenen Stärken und Schwächen essenziell.
Was besagen nun diese Ergebnisse für die Coaching- und Trainingspraxis? Welche Empfehlungen lassen sich daraus für Personalentwickler ableiten?
Praktische Auswirkungen der Studie
1. Die Ergebnisse zeigen, dass Coaching die bessere Wahl bei Themen ist, die die eigene Persönlichkeit betreffen (z. B. Reflexion des eigenen (Führungs-)Verhaltens, Identifikation von Hemmfaktoren für die berufliche Weiterentwicklung etc.)
2. Training hingegen ist die optimale Wahl, wenn es vorwiegend um Wissensvermittlung geht (z. B. Projektmanagement-Trainings). Wichtig ist, dass die Trainings praxisorientiert und »merk-würdig« gestaltet sind, um einen hohen Praxistransfer zu gewährleisten.
3. Coaching ist auch für junge Zielgruppen (z. B. Auszubildende) eine gute Interventionsmöglichkeit, wenn Themen im Vordergrund stehen, die vorwiegend die eigene Persönlichkeit bzw. den Umgang mit anderen betreffen.
4. Kurzzeitinterventionen reichen auch aus, um erste Impulse zu setzten.
Meine persönliche Empfehlung: Eine Kombination aus Training und Coaching unterstützt den Einzelnen bei der Umsetzung der gelernten Wissensinhalte in der Praxis. Dabei können Coachings auch von Vorgesetzten und/oder Mentoren mit entsprechender Ausbildung durchgeführt werden, um kostensensibel reagieren zu können.
Eine umfangreiche Quellen- und Literaturliste liegt dem Verlag vor und wird gerne zugesandt.
Vielen Dank für den kurzen Exkurs. Gerne mehr