Der demografische Wandel und damit auch das Thema Generationenmanagement ist eines der Top-HR-Themen seit mehreren Jahren. Die Unterschiede der Generationen sind bereits in zahlreichen Artikeln besprochen worden. Doch was will eigentlich die nächste Generation?
Vertreter der Generation Y sind mittlerweile vollständig im Arbeitsleben integriert. Unternehmen haben sich stark mit ihnen auseinandergesetzt und für entsprechende Flexibilität im Unternehmen gesorgt. Nun ist aber schon die nächste Generation am Start. Junge Menschen, geboren ungefähr ab 1995, zählen zur Generation Z und ticken wieder ganz anders als Vertreter früherer Generationen. Allerdings: Nicht jeder in der Generation Y möchte unbedingt Karriere machen. Nicht jeder in der Generation X möchte regelmäßiges Feedback. Den Generationen werden Attribute zugeschrieben, und das Individuum wird leider häufig vergessen.
Rudi Bauer (Geschäftsführer StepStone) kennt das Problem der Pauschalisierung in der Generationenfrage gut: »›Sag mir, wann du geboren bist, und ich sage dir, wie du tickst.‹ Diese Aussage stimmt nur teilweise. Menschen sind individuell und haben unterschiedliche Bedürfnisse, Vorlieben und Wünsche. Dennoch gibt es Merkmale, durch die sich die Generationen XYZ voneinander unterscheiden. Schließlich sind wir alle von der Zeit, in der wir leben, geprägt. Insofern: Ja, es gibt Trends und Unterschiede bei den Generationen hinsichtlich Erwartungen an Arbeit und Arbeitgeber, Karrierevorstellung, der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben, Unternehmenskultur und Leadership.«
Neben den Bezeichnungen X, Y und Z gibt es noch zahlreiche weitere Einteilungen. Auch ist das Thema keineswegs neu, Unternehmen haben sich schon immer mit Generationen beschäftigt. Das Thema kommt, wie so viel im HR, aus dem Militär. So gab es z. B. die Bezeichnung »weißer Jahrgang«, das waren Männer, die zwischen 1929 und 1937 geboren wurden und somit zu jung, um im Krieg zu dienen. Andere Generationsbezeichnungen sind z. B. noch »Generation Golf«, »Generation 68« und »Null-Bock-Generation«. Im HR hat sich dennoch die Bezeichnung X, Y und Z durchgesetzt.
Jürgen Smid (geschäftsführender Gesellschafter karriere.at): »Das, was im allgemeinen Sprachgebrauch als Generation X, Y oder Z bezeichnet wird, beschreibt keinesfalls eine gesamte ›Generation‹. Die jeweiligen Alterskohorten sind auch in sich viel zu heterogen, um alle ihre Angehörigen mittels Zuschreibungen klassifizieren zu können. Was heute unter der ›Generation Y‹ bzw. unter dem Begriff ›Millenials‹ verstanden wird, also die ab 1981 bis in etwa 1995 Geborenen, trifft laut Experten nur in etwa auf ein Viertel der gesamten Altersgruppe zu – nämlich auf jene, die im Recruiting von Fach- und Führungskräften besonders interessant sind: High Potentials mit großer Wechselbereitschaft, ausgeprägter Individualität und einem Denkansatz, der von Digitalisierung, sozialen Netzwerken und hohem Leistungsanspruch bei gleichzeitig großer Freizeitorientierung geprägt ist. Die Klassifizierungen werden deshalb häufig herangezogen, weil sie trotz aller Ungenauigkeit leicht fassbar sind und damit gut für die Bildung von Zielgruppen herangezogen werden können.«
Seit einigen Jahren ist nun die Generation Y voll in die Arbeitswelt integriert und die Unternehmen sind damit beschäftigt, es ihnen recht zu machen. Arbeitsplätze und -bedingungen werden flexibilisiert. Das Y wird auf Englisch wie »Why« ausgesprochen und soll auf das typische der Generation hinweisen, nämlich das Hinterfragen bestehender Strukturen. Bei der Y-Generation rückt das Suchen nach Sinn an der Arbeit in den Vordergrund. Eine Balance zwischen Arbeit und Freizeit wird gefordert, Arbeit darf keine Pflicht darstellen, sondern muss Spaß machen und der Selberverwirklichung dienen.
Die meisten Organisationsmodelle und Arbeitszeitmodelle in Unternehmen sind derzeit vor allem auf diese Generation ausgerichtet – damit beschäftigt sich HR. Das wird dann zu einem Problem, wenn z. B. der Recruiter im Bewerbungsgespräch ganz stolz erzählt, dass im Unternehmen flexible Vertrauensarbeit gilt – sprich auch Freizeit manchmal zur Arbeitszeit wird und umgekehrt – aber der Bewerber das überhaupt nicht möchte. Willkommen Generation Z.
Die Generation Z
Die Nachfolgegeneration Z, die ab 1995 geboren ist, gilt als die Generation, die bereits komplett in einer digitalen Welt aufgewachsen ist. Soziale Medien sind omnipräsent, sie kommunizieren über Facebook, Twitter, WhatsApp etc. Sie wissen, dass sie alle Informationen, die sie für die Arbeit oder den Alltag benötigen, in wenigen Sekunden zur Hand haben können. Für sie ist die Trennung zwischen Arbeits- und Freizeit wieder wichtiger geworden. Karriere erscheint ihnen weniger wichtig, als noch der Vorgänger-Generation. Sie wollen wieder ganz klar definierte Strukturen, sichere Arbeitsplätze und geregelte Arbeitszeiten. Christian Scholz (Arbeitsweltexperte und Professor für Betriebswirtschaftslehre) schreibt in einem Artikel auf www.welt.de: »Denkrichtung und Merkmale dieser Jugendlichen sind vollkommen anders als die der Generation Y. Wenn Feierabend ist, dann lesen sie auch keine Arbeitsmails.« Die Generation schaltet einen Gang runter, wenn es um Karriere geht. Sie hat bei der Generation X und Y gelernt, dass zu viel Arbeit zu Burn-out führt und auch nicht glücklich macht. Sie hat auch erkannt, dass die Karrierechancen ganz generell nicht so groß sind, wie es Unternehmen oftmals behaupten.
Siegfried Lachmair (systemischer Berater und Trainer im WIFI Management Forum): »Ich denke, für Arbeitgeber und Ausbildner wird es noch wichtiger, auf die Ansprüche und Bedürfnisse dieser Generation einzugehen, da diese einen noch größeren Wunsch nach freier Entfaltung hat und zugleich sich der Unsicherheit unserer Zeit bewusst ist. Dazu kommen die vielen Wahlmöglichkeiten, die zu persönlicher Überforderung führen können. Weiter glaubt diese Generation nicht, dass sie jemals den Wohlstand ihrer Eltern erreichen kann.«
Sie sind permanent online und zu Home Office würden sie unter gewissen Voraussetzungen auch »ja« sagen, obwohl ihrer Meinung nach Arbeit zu Hause nichts verloren hat.
Das alles heißt aber noch lange nicht, dass sie unflexibel sein wollen. Der Jugendforscher Klaus Hurrelmann (Professor of Public Health and Education an der Hertie School of Governance) schreibt: »Meine Prognose ist, dass es auf flexible feste Strukturen hinausläuft. Die Generation Z möchte eine feste Grundlage haben, beispielsweise feste Arbeitszeitkontingente. Diese wollen die Jugendlichen dann aber eigenverantwortlich erfüllen.«
Rudi Bauer hat sich ausführlich mit der neuen Generation beschäftigt und weiß auch, welche Herausforderungen auf die Unternehmen zukommen: »Der Begriff ›Work-Life-Blending‹, also die Vermischung von Arbeit und Freizeit, ist bei den Jugendlichen negativ besetzt und sollte daher nicht unbedingt in Jobausschreibungen erwähnt werden. Themen wie Unternehmenskultur und Identifikation mit Werten und Arbeitgeber sind für Gen Z sehr wichtig. Die Loyalität zum Arbeitgeber ist jedoch eher gering. Gen Z ist realistisch und stellt sich die Frage: Was habe ich vom Leben, wenn ich nur arbeite? Stabilität und Sicherheit ist den Jugendlichen von heute jedoch trotzdem wichtiger als den Generationen davor. Gleichzeitig sind ihnen Mitbestimmung und Eigenverantwortung wichtig. Die junge Generation ist bereits vollständig digitalisiert aufgewachsen. Neue Technologien und Innovationen sind daher wichtig. Sie denken global und virtuell.«
Auch Jürgen Smid weiß, worauf sich Unternehmen einstellen müssen: »Junge High Potentials mit Geburtsjahren ab 1995 legen in der Regel weniger Wert auf klassische Karrieremuster, die sich im Aufstieg durch die Hierarchieebenen manifestiert. Trotzdem muss man diesen Mitarbeitern als Unternehmen spannende Karrierewege aufzeigen, um sie längerfristig zu binden. Hier kommt das Stichwort ›Expertenkarriere‹ ins Spiel, aber auch Weiterbildungsmöglichkeiten und stetig wachsende Verantwortungsbereiche.«
Generation Z legt also weniger Wert auf Karriere, auch die Motivation durch monetäre Anreize wird weit weniger wichtig, als es noch für Generation Y war. Es muss kein neuer Audi als Firmenwagen sein, ein kleiner Golf tut es auch. Die Generation gilt generell als zufriedener und auch mit weniger glücklich. Z möchte nicht führen, das ist ihnen zu viel Verantwortung. Sie wollen ganz im Gegenteil klar geführt werden. Während ein Vertreter von Y der Führungskraft regelmäßig widerspricht, wenn das Gesagte keinen Sinn ergibt, reagiert Z anders. Christian Scholz (in einem Interview mit dem karriereführer): »Die Generation Z ist schlau genug, Kompromisse einzugehen, denn das ist die beste Art, um die Harmonie aufrechtzuerhalten. Wichtig für Führungskräfte wird es in Zukunft sein, richtig einzuschätzen, welche Denkmuster die Mitglieder im Team haben. Ich muss erkennen können: Wer denkt wie Y, wer denkt wie Z? Was kann ich von dem einen verlangen, was von dem anderen? Hier haben junge Führungskräfte der Generation Y einen Vorteil, denn für ältere Führungskräfte ist diese Differenzierung häufig schwerer als für junge.«
Organisation
Unternehmen müssen sich neu organisieren. Es gilt, nun viele Generationen unter ein Dach zu bekommen, alle zu motivieren und richtig zu führen. Das stellt große Herausforderungen an die zukünftige Organisation – vor allem auch an HR.
Jürgen Smid: »Was zählt, ist die gelebte, spürbare Unternehmenskultur. Diese muss bereits in der Darstellung als Arbeitgeber authentisch kommuniziert werden. Klafft die Außendarstellung mit der Innensicht auseinander, wird sich das Unternehmen auf Dauer schwertun, gutes Personal in jungen Zielgruppen zu finden. Einer der wichtigsten Punkte wird das Thema Zeitmanagement sein – also das, was man unter dem Schlagwort ›Work-Life-Balance‹ subsumiert. Hier geht es letztlich darum, Mitarbeitern ein berufliches Umfeld zu bieten, das sie mit ihrem Privatleben vereinbaren können. Was Arbeitgeber heute noch oft vergessen: Privatleben steht bei jungen Menschen meist an erster Stelle.«
Siegfried Lachmair hat ebenfalls über die Organisation der Zukunft nachgedacht: »Manche meinen, die Hierarchie ›ganz‹ abschaffen zu müssen, damit alles agiler, holokratischer, schneller und besser wird. Doch da bin ich mir nicht so sicher, ob dies wirklich das Richtige ist. Hinzu kommt, dass mit dem Einführen von neuen Organisations-Ansätzen nicht automatisch alles besser wird. Denn neue Organisations-Modelle funktionieren nur, wenn sich bei den Menschen auch das Wahrnehmen, Denken, Fühlen sowie Tun ändern – also das gesamte ›Mindset‹. Denn sonst besteht die große Gefahr, dass man in die sogenannte Effizienzfalle tappt. Vielmehr glaube ich, sollen Unternehmen vor allem auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter, unabhängig davon, ob jemand zur Generation Baby Boomer, X, Y oder Z gehört, eingehen. Denn gerade in einem digitalen Zeitalter des Umbruchs der Arbeitswelten brauchen die Menschen erst recht Anerkennung, Wertschätzung, Orientierung und Nähe, spielt sich doch vieles fast nur noch virtuell ab. Nicht zuletzt möchte ich noch klarstellen, dass Organisationen, welche starkes Hierarchie-Denken als zentralen Teil ihrer Kultur verinnerlicht haben, sich mit Vertretern der Generation Y und Z eher schwertun werden. Denn diese wünschen sich Vertrauen, Freiräume, mitgestalten und mitentscheiden zu können, Kommunikation auf Augenhöhe sowie Sinn, Freude und Selbstverwirklichung im Beruf samt dem Zugang zu den digitalen Medien in der Arbeit!«
Was kommt nach Generation Z?
Die Zukunft wird schneller. Was genau kommt, wissen wir nicht. Das, was viele heute als Zukunft sehen, ist schon längst Realität oder sogar Vergangenheit. Ein etwas provokantes Beispiel: Die Google Brille ist weder Zukunft noch Gegenwart, sie ist schon Vergangenheit. Die Google Lens, also digitale Kontaktlinsen, sind aktuell. Und die Zukunft sind vielleicht irgendwelche Chips, die in die Hornhaut implementiert werden. Oder eben auch nicht. Was in 30 Jahren am Arbeitsmarkt los sein wird, ist nicht vorhersehbar. Die Generationen Y und Z werden die Nachfolgegeneration einschulen – das ist fix. Die neuen Generationen werden von ihnen lernen und wieder einiges anders machen. Noch gilt Generation Z als Zukunft.
Jürgen Smid: »Unserer Meinung nach zeigt die mediale Präsenz der Generationen Y, Z usw. einfach sehr treffend, dass sehr viele Arbeitgeber sich nicht genügend an Bedürfnissen und Werthaltungen der Mitarbeiter orientieren und sich hinsichtlich Organisation, Unternehmenskultur und Zeitmanagement nicht wirklich erneuern.«
Rudi Bauer: »Wenn man davon ausgeht, dass alle 10 bis 15 Jahre eine neue Generation heranwächst, dann bedeutet dies, dass alle ab etwa 2010 Geborenen einer neuen Generation angehören, bis diese ins Arbeitsleben eintreten wird, werden noch einige Jahre vergehen. Es gibt jedoch die Annahme, dass Gen Z das Generationenpuzzle, bestehend aus Babyboomern, X, Y und Z, vervollständigt und dass die Grenzen zwischen den Generationen danach eher fließend sein werden. Das bedeutet, dass Menschen zukünftig eher nach Denkmustern und Vorlieben als nach Altersgruppen charakterisiert werden können. Dementsprechend gibt es dann in Unternehmen unterschiedliche Interessensgruppen, für die individuelle Arbeitspakete geschnürt werden müssen, nach dem Motto: ›One Size fits all‹ gibt es nicht.«
Ähnlich sieht das auch Christian Scholz und sagt in einem Interview mit dem karriereführer: »Die meisten glauben an eine Art Generation Alpha, die wieder anders ticken wird. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass die Generation Z das letzte noch fehlende Puzzleteil der Generationenmatrix ist. Sie wird mit ihren Impulsen die anderen Generationen verändern – so, wie auch schon die Generation Y als die ersten Digital Natives die Älteren verändert hat. Die Grenzen zwischen den Generationen werden verwischen, sodass wir bald keine altersspezifischen Milieus mehr haben, sondern Gruppen, die von Denkmustern geprägt werden. Das traditionelle Generationenkonzept löst sich damit auf: Es gibt dann den 15 Jahre alten Baby-Boomer und den 60-jährigen Mitarbeiter Typ Z.«
Über das Thema wird sehr viel publiziert und auf zahlreichen HR-Konferenzen diskutiert. Wichtig ist es jedenfalls, – auch jenseits des Generationenthemas – in der Organisationsstruktur eine gewisse Flexibilität aufzubauen und zu erhalten. Dann klappt’s auch mit den Jungen.