»Weniger Zahlen, dafür gescheitere«

Personalcontrolling steckt in Österreich noch in den Kinderschuhen. Immer mehr ­Unternehmen erkennen den Bedarf. Christoph Wirl war beim Start eines Lehrgangs dabei.

Der diesjährige Lehrgang »Personalcontrolling«, angeboten vom Controller Institut, startete Mitte September im Seminarhotel Strudelhof in Wien und läuft bis Anfang Dezember.
15 Teilnehmer aus völlig unterschiedlichen Unternehmen möchten ihre Kompetenz erweitern und mehr über dieses Thema lernen. Es sind vor allem Mitarbeiter aus dem HR-Bereich und auch aus dem Controlling anwesend. Auffallend für mich war gleich zu Beginn, dass das Thema nicht – wie von mir erwartet – nur an riesige Konzerne gerichtet ist. Die Unternehmensgrößen der Teilnehmer reichen von »nur« 40 Mitarbeitern bis hin zu 10 000 und mehr.
Die Trainerin und Lehrgangsleiterin Silke Wickel-Kirsch kennt die Gründe, warum dieser Lehrgang besucht wird: »Das Thema wird aktueller und ist in seiner Bedeutung steigend. Die Personalkosten stellen für fast jedes Unternehmen eine große Stellschraube dar. Hier kann gut aufbereitetes Zahlenmaterial helfen, effizienter zu wirtschaften. Viele Teilnehmer möchten ein bestehendes Personalcontrolling im Unternehmen ausbauen oder professionalisieren, andere sind noch dabei zu überlegen, ob es sich für das Unternehmen auszahlt. Sie wollen einmal erfahren, welche Möglichkeiten durch ein Personalcontrolling geboten werden.«

Diese Gedanken decken sich auch mit den Erwartungen der Teilnehmer: »Wir wollen ein professionelles Kennzahlensystem einführen, bisher läuft das eher vereinzelt und nicht aussagekräftig«, sagt eine Teilnehmerin. »Wir bekommen sehr viel und gutes Zahlenmaterial von HR geliefert, aber es mangelt an einem guten Auswertungssystem«, sagt eine andere.

Der Lehrgang vermittelt ein Controlling-Bewusstsein für den Personalbereich und die Personalarbeit. Ziel dabei ist, die HR- und Controlling-Expertise zu vereinen und so eine ganzheitliche Perspektive des Personalcontrollings zu ermöglichen.
Der Lehrgang gliedert sich in 4 Module und einer freiwilligen schriftlichen und mündlichen Prüfung. Die jeweiligen Module dauern zwei oder drei Tage. Modul 1 beschäftigt sich mit dem Thema »HR-Management und strategisches Personalcontrolling«, wobei der Schwerpunkt eindeutig auf dem zweiten Teil liegt, und HR-Management nur kurz im Überblick dargestellt wird. Das Modul dauert 3 Tage und weist eine ausgewogene Mischung aus Theorie und Praxis auf.
Am Vormittag des ersten Tages geht es um Grundlagen zum Personalcontrolling, die Rolle des Personalcontrollers und um die Eingliederung ins Unternehmen.

Nach jedem inhaltlichen Block gibt es Übungen, um das Gelernte zu verfestigen. In der ersten Übung geht es darum, mögliche Kennzahlen zu erarbeiten, die eine Mitarbeitereinteilung nach Leistung und Potenzial zulässt.
Die Köpfe der Kleingruppen rauchen, und 45 Minuten später wird das Ergebnis präsentiert. »Überstunden, Weiterbildungstage, Fluktuation, Krankenstandstage …« präsentieren die Teilnehmer die Ergebnisse.
»Alles richtig, doch was sagen Ihnen die Krankenstandstage von einem Mitarbeiter?«, fragt die Trainerin nach.
Eine wichtige Lektion folgt: Es geht im Controlling immer um Verhältniszahlen. Absolute Zahlen haben keine Relevanz. So interessiert den Personalcontroller z. B. die Überstundenquote oder die Eigenkündigungsquote, nie aber die Zahl alleine. Die Zahlen müssen außerdem im Detail nachvollziehbar sein.
Silke Wickel-Kirsch nennt dazu ein verständliches Beispiel: »Wenn Sie sich die Fehlzeiten der verschiedenen Abteilungen ansehen wollen, um vielleicht eine Motivationsmessung durchzuführen, dann genügt es nicht, einfach nur die Fehlzeiten zu vergleichen. Sie müssen es weiter runterbrechen z. B. in Krankenstand, Urlaub, Weiterbildung, private Umstände etc. Und selbst bei den Krankenstandstagen unterscheide ich in Langzeitkrankenstand und Kurzzeiterkrankung. Als Personalcontroller müssen Sie lernen, präzise und detailliert zu arbeiten!«
Am Nachmittag lernen die Teilnehmer die Bedeutung des strategischen Personalcontrollings und wie eine HR-Scorecard aussehen kann. Auch dazu gibt es praktische Übungen. Silke Wickel-Kirsch: »Es ist wichtig, dass die Ziele eines Personalcontrollings stets von der Unternehmensstrategie abgeleitet werden. In manchen Unternehmen mangelt es generell an personalwirtschaftlichen Zielen, das ist der Tod von Controlling. Dann geht es häufig nur noch um ein Reporting/Berichtswesen. Im Personalcontrolling geht es immer um Ziele, es geht um einen Soll-/Ist-Vergleich.«

Am 2. Tag sagt eine Teilnehmerin: »Für mich ist das Thema komplett neu und ich verstehe auch nicht alles. Aber ich verstehe jetzt schon viel besser, welche Möglichkeiten es gibt, und was ein professionelles Personalcontrolling für das Unternehmen beitragen kann.«
Nach dem Theorieteil des ersten Tages erzählt ein Personalcontroller eines Unternehmen aus dem öffentlichen Dienst, wie das Personalcontrolling eingeführt wurde. Dazu bringt er zahlreiche hilfreiche Tipps und zeigt sogar die Lösung des Unternehmens im Excel. Danach stellt er sich den kritischen Fragen der Teilnehmer. Besonders interessant: Das Unternehmen plant seinen Personalstand 10 Jahre im Voraus!
Am Nachmittag referiert dann Silke Wickel-Kirsch weiter über die Themen Personalplanung und Kennzahlen. Es gibt weit über 100 relevante Personalkennzahlen. Die Kunst ist es, die wichtigen für das Unternehmen zu finden. Wladimir Iljitsch Lenin hat einmal gesagt: »Wieder und wieder bitte ich: weniger Zahlen, dafür gescheitere.«
Bei jeder errechneten Kennzahl ist es wichtig zu wissen, welches Ziel mit ihr verfolgt werden soll, wie die Kennzahl genau berechnet wird, wie häufig die Kennzahl erhoben wird, woher die Daten kommen und wie die Ergebnisse interpretiert werden können.

Am dritten Tag werden die Themenbereiche Personalplanung, HR-Risikomanagement und Wertbeitragscontrolling im Detail besprochen.
Gabriel Kroisleitner (Teamkoordinator, Konzernpersonalplanung und -steuerung bei der ÖBB Holding AG) erklärt den Teilnehmern am Nachmittag die strategische Personalplanung bei der ÖBB. Bei dem Konzern waren mit Jahresende 2015 rund 40 000 Mitarbeiter beschäftigt und der Personalaufwand hat rund 2,4 Mrd. € betragen. Ein gut funktionierendes Kennzahlensystem ist hier besonders wichtig. Außerdem musste die ÖBB auf interne und externe Herausforderungen reagieren, z. B. das sinkende Erwerbspotenzial in Österreich, der Paradigmenwechsel vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt oder die hohe zukünftige Verrentung aufgrund einer nachteiligen ÖBB-Altersstruktur. Es ist ein spannender und lehrreicher Vortrag über das Personalcontrolling bei einem Großkonzern.

Das zweite Modul im Lehrgang wird sich mit dem Thema »operatives quantitatives Personalcontrolling« beschäftigen. Hier geht es um die operative Personalplanung, um Budgetierung und um Personalkosten- und Leistungsrechnung.
Modul 3 beschäftigt sich mit dem personalwirtschaftlichen Funktionscontrolling und dem qualitativen Personalcontrolling. Dabei geht es vor allem um das Controlling der Prozesse der Personalabteilung.
Im letzten inhaltlichen Modul des Lehrgangs wird das personalwirtschaftliche Reporting thematisiert. Cockpitsysteme und Excel-Reporting werden im Detail besprochen.

Silke Wickel-Kirsch ist als Expertin in allen Modulen als Vortragende dabei und wird stets von HR-Managern aus der Praxis unterstützt. So ist es für die Teilnehmer möglich, zu lernen, wie unterschiedlich in Unternehmen das Thema umgesetzt wird. In den späteren Modulen sprechen Vertreter der Firmen VERBUND AG, Henkel, BASF und anderer Unternehmen.

Für jedes Modul gibt es ein umfangreiches Skript und zusätzliche Handouts mit Praxisfällen. Zusätzlich erhält jeder Teilnehmer das Buch »Personalcontrolling – Prozessmodell«.
Teilnehmer des Lehrganges wissen nach dem Abschluss, welche Personalkennzahlen für strategische und operative Personalentscheidungen erforderlich sind, kennen die Erfolgsfaktoren für eine Einführung eines Personalcontrollingsystems und sind in der Lage, ein empfängerorientiertes Berichtswesen einzuführen.

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wickel-kirsch

Silke Wickel-Kirsch
ist Professorin für Personalwirtschaft und Organisation an der Hochschule RheinMain Wiesbaden und Expertin auf dem Gebiet »Personalcontrolling«.
www.controller-institut.at