Die Erste Bank ist seit April 2016 im neuen Erste Bank Campus in Wien angekommen.
Dabei wurde voll auf das Konzept der neuen Arbeitswelt gesetzt.
Auf dem Weg durch den Erste Campus fällt gleich auf: Hier geht es anders zu als in den meisten Unternehmen. Offene Räume und modernes Design gepaart mit funktionellen Arbeitsplätzen erwarten die Mitarbeiter in diesem neuen Gebäudekomplex am Hauptbahnhof.
Als wir auf unsere beiden Interviewpartner treffe, lässt sich eines sehr schnell erkennen: Die beiden sind stolz auf das gelungene Projekt und sind fast traurig, als das Interview zu Ende geht. Zu gerne hätten sie uns noch mehr Details darüber erzählt.
Warum ist dieses »Riesen-Projekt« rund um den Erste Campus entstanden?
Markus Schiffler: Die Erste Bank ist im Laufe der Jahre stetig gewachsen. Es gab daher Überlegungen, ein neues Headquarter zu errichten und man machte sich auf die Suche nach einem neuen Standort dafür. Mit dem Bau des Hauptbahnhofs wurde ein neues Grundstück frei und erworben – der ehemalige Südbahnhof. Die Lage ist auch deshalb so passend, weil der Bahnhof ein Tor in die Länder darstellt, in denen die Erste Group vertreten ist. Die Grundsteinlegung für das Gebäude war im Juni 2012. In kurzer Zeit wurde der Campus errichtet und bereits im Dezember 2015 sind die ersten 1 000 Mitarbeiter eingezogen. Seit April 2016 ist der Erste Campus voll besiedelt. Es arbeiten jetzt rund 4 500 Menschen unter diesem Dach, denn es sind (fast) alle 20 Standorte, die wir vorher hatten, hierher übersiedelt. Dadurch ersparen wir uns viele Wege, da wir früher teilweise quer durch Wien fahren mussten, wenn Meetings angesetzt waren.
Wann haben Sie das Vorhaben zum ersten Mal an ihre Mitarbeiter kommuniziert?
Schiffler: Bereits Ende 2010 gab es erste Informationen an die Mitarbeiter, dass es diesen Campus geben wird. 2013 mit dem Start des Projekts DNA (Die Neue Arbeitswelt) gingen dann konkrete Informationen über das neue Bürokonzept raus.
Ursula Kuntner: Damals gab es ein Kick-off für Führungskräfte und es wurden eigene »Botschafter« ausgebildet, die als Multiplikatoren unterwegs waren. Eine eigene Campus-Website informierte über den Baufortschritt und die Architektur. 2013 wurde dann gemeinsam mit einigen Senior-Managern und dem Vorstand das Bürokonzept innerhalb des Gebäudes geplant und entschieden.
Wie hat das mit den Multiplikatoren genau funktioniert?
Kuntner: Es gab einen kleinen Kreis an Personen, der bereits während des Baus für die Kommunikation ausgewählt wurde. Als wir das »People Change Projekt« aufgesetzt haben, definierten wir, dass Führungskräfte und Senior Manager für das Betreiben der Veränderung verantwortlich sind. Zusätzlich haben wir mit den Senior Managern die Rolle der Campus Botschafter geschärft und auf 120 Personen erweitert. Wir suchten Personen, die positiv kritisch sind und in ihren Einheiten »angenommen« sind. Außerdem mussten sie stressresistent sein und mit Emotionen umgehen können. Sie waren das verbindende Glied zwischen den Organisationseinheiten und dem Projektteam. Wir haben bewusst keine Change-Agents eingesetzt. Für die Veränderung waren wirklich nur die Führungskräfte verantwortlich.
Wie schaut das neue Bürokonzept aus?
Schiffler: Es basiert auf dem sogenannten Activity-Based-Working-Prinzip, kombiniert mit dem Open-Space-Konzept. Das bedeutet: In einer offenen Bürofläche gibt es für jede Organisationseinheit eine sogenannte »Home Base«, innerhalb der es wiederum unterschiedliche Arbeitszonen gibt. Je nachdem, welche Tätigkeit ein Mitarbeiter gerade ausüben möchte, kann er seinen Arbeitsplatz frei wählen. Ob er nun konzentriert arbeiten muss, mit einem kleinen Team diskutieren möchte, telefonieren muss oder vielleicht einfach Entspannung braucht. Für alle diese Tätigkeiten gibt es unterschiedliche Raumzonen. Das Raumkonzept soll außerdem bewusst Menschen in Bewegung bringen, so sitzt man nicht den ganzen Tag lang vor seinem Computer, sondern bewegt sich innerhalb der Home Base. Das ist einfach gut für den Körper und für den Geist. Das Angebot wird größtenteils genutzt. Es gibt aber auch Mitarbeiter, die ihren bevorzugten Arbeitsplatz haben. Das ist völlig okay für alle. Wir haben eine Desk-sharing-Rate von 0,8, das bedeutet pro 10 Mitarbeiter gibt es 8 Arbeitstische. Das ist mehr als ausreichend, es kam noch nie zu einem Engpass, da es so viele zusätzliche Arbeitsmöglichkeiten gibt. Auch unsere Führungskräfte sitzen im Open-Space, selbst der Vorstand. Es gibt keine Einzelbüros. Aus Statusverlust wurde Stolz. Stolz, in diesem neuen Campus zu arbeiten, über den alle sprechen.
Was waren die größten Sorgen und Ängste der Mitarbeiter und Führungskräfte, und wie sind Sie damit umgegangen?
Schiffler: Aus der Tatsache, dass es keine eigenen Arbeitsplätze mehr gab, ist die größte Angst entstanden, nämlich: »Wo finde ich einen Arbeitsplatz und wie finde ich mich in diesem Gebäude zurecht?« Da der Arbeitsplatz natürlich jeden Abend aufgeräumt werden muss, ging es auch darum, Papier zu vermeiden und mehr zu digitalisieren. Daher war auch das Thema »Umgang mit neuen Technologien« aktuell. Fragen kamen auf: »Wie kann ich telefonieren, wenn ich keinen Arbeitsplatz habe?« etc.
Auch für Assistenten war es ein Thema, wie sie ihre Chefs erreichen, wenn sie gar nicht wissen, wo diese sitzen. Es ging außerdem um persönliche Themen, wo z. B. die Mitarbeiter die Fotos ihrer Familie aufstellen können.
Kuntner: Es gab rund um diese Sorgen und Ängste viele Workshops, um die Führungskräfte zu schulen. Und es konnten die Botschafter stets kontaktiert werden. Natürlich haben wir auch das Intranet genutzt, um regelmäßig zu informieren und Fragen zu beantworten. Wir haben dann auch eine Bürofläche im neuen Gebäude eingerichtet. Überall anders war noch Großbaustelle, aber ein Stockwerk wurde bewusst viel früher fertiggestellt. So konnten sich die Mitarbeiter ein besseres Bild über ihren zukünftigen Arbeitsplatz machen, und viele Fragen haben sich so selbst beantwortet.
Wie ging es den Führungskräften?
Kuntner: Die sind besonders toll damit umgegangen. Sie erzählen, dass sie jetzt mehr mitbekommen, was das Team beschäftigt. Alles geht viel schneller und ist freundlicher und offener. Hierarchien verschwimmen im Umgang miteinander. Es setzt sich schön langsam ein »Du« durch, auch abteilungsübergreifend. Aus einem »Grüßgott Frau Doktor« am Gang wurde jetzt ein »Hallo«. Das ist einfach so passiert, ohne dass wir das bewusst gesteuert haben. Das ist großartig. Es vermischen sich jetzt die Diversitäten viel mehr. Am Campus arbeiten derzeit Menschen aus rund 40 Nationen, man hört zahlreiche Sprachen auf den Gängen. Unsere Mitarbeiter treffen einander öfters auf den Gängen oder in den unterschiedlichen Zonen. So können kurze Fragen schnell auch zwischendurch geklärt werden, wo früher vielleicht ein Meeting angesetzt werden musste. Wir mussten und müssen uns alle neu organisieren lernen, das ist für viele natürlich auch herausfordernd.
Sehen Sie Unterschiede bei der Akzeptanz der Generationen?
Kuntner: Nein, wir haben ältere Mitarbeiter, die sich voll und ganz auf das unbekannte Neue eingelassen haben und es jetzt genießen. Und wir haben Jüngere, die sich bis jetzt nicht wirklich daran gewöhnt haben. Das ist eher ein Persönlichkeitsmerkmal, wie jemand mit Veränderungen umgeht, hat aber nichts mit dem Alter zu tun.
Was waren Ihrer Meinung nach die erfolgskritischen Punkte in diesem Projekt?
Schiffler: Wir haben unsere Mitarbeiter von Anfang an miteinbezogen, ich glaube, das war ganz besonders wichtig. Außerdem eine ganz offene, persönliche, transparente und ehrliche Kommunikation. Auch den Mut zu haben, zuzugeben, wenn wir etwas nicht wissen. Und sicherlich die Ängste und Sorgen ernst zu nehmen. Über all dem braucht es ein gut funktionierendes Projekt- und Changemanagement.
Sie waren beide Vollzeit für das Projekt »abgestellt«, wie geht es jetzt weiter?
Schiffler: Eine gute Frage, denn es waren für mich die drei spannendsten Jahre in meiner beruflichen Laufbahn. Ich bin nach Projektabschluss erst einmal 2 Monate mit dem Rucksack durch die Welt getrampt, um zu verarbeiten und neue Energie zu tanken. Und jetzt freue ich mich auf die neuen, spannenden Themen in der Personal- und Organisationsentwicklung bei uns im Haus.
Kuntner: Das Projekt hat viel Energie beansprucht, aber auch sehr viel Energie zurückgegeben. Die letzten Jahre waren anstrengend, und trotzdem habe ich jede Sekunde genossen.
Danke für das Gespräch.