Warum mehr Gehalt nur kurzfristig wirkt

Meist gelingt es nicht, Mitarbeiter mittels Gehaltserhöhung -langfristig zu motivieren, wie dieser Artikel von Conrad Pramböck zeigt.

Wenn Sie Ihre Mitarbeiter fragen, wie lange ihre Zufriedenheit und Motivation nach einer Gehaltserhöhung anhalten, ist die Antwort für viele Personalchefs ernüchternd. Die häufigste Antwort lautet: »Sehr kurz.« Wem es gelingt, einen Mitarbeiter ein halbes Jahr mit einem höheren Grundgehalt zu motivieren, der kann sich schon glücklich schätzen. In der Regel verflüchtigen sich die positiven Effekte beim Mitarbeiter bereits nach ein bis zwei Monaten, allerdings zu dauerhaft höheren Kosten für das Unternehmen.

Eine Gehaltserhöhung ist ein erfreulicher Grund, mit Familie und Freunden auf den Erfolg im Job anzustoßen. Aber die Freude über mehr Geld am Konto verfliegt für viele Mitarbeiter bereits nach kurzer Zeit. Der erste Blick auf den neuen Betrag am Gehaltszettel mag noch motivieren. Die meisten Mitarbeiter haben sich jedoch schon im Folgemonat an den höheren Betrag auf dem Gehaltszettel gewöhnt. Ähnlich verhält es sich mit ihrer Motivation im Job: Sie kehrt ebenfalls bald wieder an den Punkt vor der Gehaltssteigerung zurück.

Ein Grundmuster unseres Lebens besteht in ständiger Weiterentwicklung und konstantem Wachstum. Was sich nicht ändert, wirkt meist langweilig und eintönig. Außerdem ist der Mensch grundsätzlich anpassungsfähig und stellt sich rasch auf neue Situationen ein. Beides führt dazu, dass Mitarbeiter über ein höheres Grundgehalt nur für äußerst kurze Zeit motiviert und zufriedengestellt werden können. Die meisten Mitarbeiter passen ihre Lebensgewohnheiten bald an das neue Gehaltsniveau an.

Höhe der Gehaltssteigerung

Welcher Prozentsatz bei einer Gehaltserhöhung gerechtfertigt ist, ist vielen Mitarbeitern unklar, da das Thema Gehalt meist ein Tabu ist. Grundsätzlich gilt für Akademiker in den ersten 10 bis 15 Berufsjahren:

  • 3 % mehr am Gehaltszettel: Die Gehaltssteigerung liegt im unteren Bereich.
  • 5 % höheres Gehalt: Die Erhöhung liegt im soliden Mittelfeld.
  • 7 % Gehaltssteigerung stellen den oberen Bereich dar.
  • 10 % Gehaltserhöhung sind in vielen Unternehmen das Maximum.

Diese Prozentwerte klingen an sich nicht besonders hoch. Durch den Zinseszinseffekt steigt jedoch gerade bei Akademikern das Gehalt innerhalb von rund zehn bis fünfzehn Jahren auf das Doppelte an. Den Besten gelingt es sogar, ihr Gehalt durch geschickte Gehaltsverhandlungen und gezielte Jobwechsel bis zum Alter von 40 Jahren alle fünf Jahre zu verdoppeln.

Zwei Schwellen

Beim Thema Gehaltserhöhung sind zwei markante Schwellen erkennbar: Sobald das Gehalt ein Niveau erreicht hat, mit dem die wichtigsten Bedürfnisse des Lebens, wie Wohnen, Kleidung und Nahrung, befriedigt werden können, ist eine weitere Steigerung des Einkommens viel geringer spürbar. Eine höhere Vergütung spielt daher vor allem bei Niedrigverdienern eine Rolle, die das Plus am Konto als Erleichterung erleben, nicht mehr dem täglichen finanziellen Druck ausgeliefert zu sein. Das betrifft insbesondere Singles mit einem Gehalt unter 20.000,– € und Familien mit weniger als 30.000,– € Haushaltseinkommen brutto pro Jahr.

Wer jedoch über diesen Grenzen verdient, passt mit einer Gehaltssteigerung häufig gleichzeitig seinen Lebensstil dem höheren Einkommen an. Vor allem gut ausgebildete, jüngere Mitarbeiter können sich Jahr für Jahr aus eigener Kraft über ihre Arbeit eine wirtschaftliche Existenz aufbauen. Die eigentliche Gehaltserhöhung wirkt zwar nur kurzfristig motivierend, aber es gibt für diese Mitarbeiter die Perspektive, dass es auch im nächsten Jahr aufwärts geht.

Schließlich gibt es eine psychologische Grenze, die bei den meisten Menschen um die 100.000,– € brutto pro Jahr liegt, wo Geld in gewissem Rahmen keine Rolle mehr spielt und selbst ein Gehaltssprung von 150.000,– auf 160.000,– € kaum noch zu größerer Motivation oder Zufriedenheit im Job führt. Gehaltsverhandlungen werden eher unter den Aspekten Spiel, Spaß, Abenteuer und Befriedigung des Egos geführt, ohne nennenswerte Auswirkungen auf den Lebensstil zu haben.

Gehalt und Lebenserhaltungskosten

Neben den psychologischen Gesichtspunkten kommen volkswirtschaftliche Entwicklungen zum Tragen. Lebensstandard und Wohlstand haben sich in den vergangenen 20 bis 30 Jahren hierzulande positiv entwickelt. Viele Produkte – vor allem im Technik- und IT-Bereich – sind für jedermann erschwinglich geworden. Da dieser Wohlstand fast alle betrifft, ist das subjektive Gefühl der Verbesserung nur sehr schwach ausgeprägt. Absolut betrachtet steigt zwar das Gehalt, relativ zur sozialen Vergleichsgruppe bleibt es für die meisten im Wesentlichen gleich.

Einen gegenläufigen Trend setzen jedoch die Lebenserhaltungskosten. So sind beispielsweise die Preise für Miete, vor allem in Ballungsräumen wie Wien, seit 2007 um mehr als 30 % gestiegen. Jeder zweite Berufseinsteiger äußert Bedenken, sich die hohen Mietkosten nicht mehr allein leisten zu können. Gerade dieser Aspekt gilt als Hauptgrund, weshalb es auch für Besserverdiener immer schwieriger wird, Vermögen aufzubauen.

Vorsorge für die Pension

Zudem kommt es gerade für Besserverdiener in der Pension häufig zu einschneidenden Einkommenseinbußen und zu einem damit verbundenen Prestige- und Statusverlust. Die Pensionsreformen der Jahre 2003 und 2004 entfalten nach und nach ihre volle Wirkung. Wer heute bereits eine Pension bezieht, kann seinen Lebensstil recht gut halten, da die Pensionen in den letzten 15 Jahren zumeist stärker als die Preise gestiegen sind.

Für fast alle, die ab 2028 ihre Pension antreten, wird es jedoch Utopie bleiben, die Maximalpension von 3.226,– € brutto (Wert Ende 2015) zu erreichen. Für diese müssten sie nämlich als Mann 65 und als Frau 60 Jahre alt sein und 40 Jahre immer auf der Basis der Höchstbeitragsgrundlage Sozialversicherungsbeiträge entrichtet haben. Daraus resultiert eine eklatante Pensionslücke zum Aktiveinkommen, die vor allem Führungskräfte und gehobene Spezialisten voll trifft.

Zudem steigt dank des medizinischen Fortschritts und der Verbesserung des Lebensstils die Lebenserwartung alle 5 Jahre um weitere 1,2 Jahre. In Österreich werden 90-Jährige in den nächsten Jahrzehnten zum Regelfall und nicht zur Ausnahme. Mädchen, die heute auf die Welt kommen, werden im Schnitt sogar fast 100 Jahre alt werden.

Angesichts dieser Rahmenbedingungen besteht daher für Besserverdiener ein dringender Handlungsbedarf, auf betrieblicher und privater Ebene für die Pension vorzusorgen, um den derzeitigen Lebensstil auch im Alter finanzieren zu können. Die staatliche Pension wird für die neue Generation bei Weitem nicht mehr reichen. Damit der gewohnte Lebensstandard auch weiterhin gehalten werden kann, wird empfohlen, mindestens ein Drittel des monatlichen Gehalts auf die Seite zu legen.

Fazit

Erhöhungen des Grundgehalts sind für die dauerhafte Motivation der Belegschaft weitgehend ungeeignet. Dennoch sind regelmäßige Gehaltssteigerungen wichtig, da sie Demotivation verhindern.

Niedrigverdiener können durch ein höheres Gehalt im aktiven Berufsleben ihr Leben einfacher gestalten als durch die staatliche Unterstützung, die in der Regel niedriger ausfällt und sozial weniger angesehen ist.

Führungskräfte erleben ein höheres Gehalt als Wertschätzung ihrer Leistung und ihrer Verantwortung gegenüber dem Unternehmen.

Eine höhere Motivation Ihrer Belegschaft können Sie durch mehr Grundgehalt höchstens kurzfristig erkaufen. Ein faires, marktübliches Einkommen verhindert jedoch Demotivation. Eine gewisse Unzufriedenheit mit dem Gehalt ist völlig normal, da es immer noch ein bisschen mehr Geld für die gleiche Leistung geben könnte. Viel wichtiger als die tatsächliche Höhe der Vergütung ist das Gefühl, im Vergleich zu Kollegen und Mitarbeitern in anderen Unternehmen angemessen entlohnt zu werden.

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conrad-pramboeck

Gastautor

Conrad Pramböck

ist Gehaltsexperte, internationaler Speaker und Lektor für Universitäten, Fachhochschulen und Unternehmen. Er berät weltweit Unternehmen zum Thema Gehälter.

www.conradpramboeck.com