Dieser Artikel erklärt zunächst die Unterschiede zwischen Webinaren und Online-Lernvideos und worauf es bei der Gestaltung jeweils ankommt. Es zeigt sich, dass in umfangreichen Lernprogrammen beide Instrumente zum Einsatz gebracht werden sollten – oft auch in Verbindung mit Präsenzeinheiten.
Wird ein Webinar aufgezeichnet, dann ist die Aufzeichnung einem Lernvideo sehr ähnlich. Es ist wohl dieser Ähnlichkeit geschuldet, dass die Begriffe im Alltag oft nicht sauber getrennt werden. Dabei ist der Unterschied zwischen einem Webinar und einem Online-Lernvideo schnell erklärt: Ein Webinar ist live. Die Webinarleiter (Trainer) und die Teilnehmer arbeiten gleichzeitig mit ihren Geräten (Computer, Tablet, Smartphone). Somit ist eine Interaktion möglich, die Teilnehmer können Einfluss auf das Webinar nehmen. Daraus erklärt sich auch der Name: Es ist tatsächlich ein Seminar, das aber im Unterschied zu herkömmlichen Seminaren über das Web abgehalten wird, ein Web-Seminar also. Ein Lernvideo hingegen wird aufgezeichnet und dann z. B. online gestellt. Es gewährleistet zusätzlich zur örtlichen auch die zeitliche Unabhängigkeit. Dieser Unterschied zieht völlig andere Vorgehensweisen nach sich. Ein Webinar wird gehalten, ein Lernvideo erstellt. Ein Webinar hat Teilnehmer, ein Lernvideo Zuseher. Ein Lernvideo kann man als Trainer so lange aufnehmen, bis es passt. Fehler werden einfach gelöscht. Das geht bei einem Webinar natürlich nicht. Die Vorbereitung für ein Webinar ist also viel intensiver und detaillierter. Ein Lernvideo kann man ganz alleine erstellen. Ein Webinar alleine – ohne Unterstützung einer zweiten Person – abzuhalten, ist hingegen schwierig. Die Konsumenten eines Lernvideos können dieses ansehen, wann und wo sie wollen, sie können es pausieren, wieder fortsetzen, Teile überspringen oder nochmals betrachten usw. Das hat viele Vorteile, die ein Webinar nicht bieten kann. Wozu braucht es dann Webinare? Wir haben bei zwei Expertinnen nachgefragt:
Welche Vorteile haben Webinare gegenüber Online-Lernvideos und sind diese Vorteile ausreichend, um darauf zu verzichten, den Teilnehmern/Konsumenten die zeitliche Unabhängigkeit zu ermöglichen?
Silja Ziemann (Teamleiterin WIFI Wien eLearning): »Mit Webinaren kann man einen direkten Austausch mit Trainern und Teilnehmern fördern und es können auftretende Fragen unmittelbar in der Online-Session gestellt werden. Zudem eignen sich Webinare, um Verständnisfragen zu vorgeschalteten Online-E-Learning-Phasen direkt mit dem Trainer bzw. in der Gruppe zu klären. Weiterhin bieten Webinare eine entsprechende Flexibilität, auch wenn diese zu fixen Terminen stattfinden. Die Teilnehmer haben die Möglichkeit von zu Hause, ihrem Arbeitsplatz oder von unterwegs an einer Live-Session teilzunehmen ohne einen Präsenzkurs zu besuchen, der einen Zeit- und Reiseaufwand mit sich bringt. Webinare werden im WIFI Wien beispielsweise mit E-Learning-Selbstlernphasen kombiniert, wir nennen es ›E-Learning + virtuelle Präsenz‹. In den E-Learning-Phasen können unter anderem auch Online-Lernvideos als Unterrichtsmaterialien integriert sein und sind damit nicht ausgeschlossen. Über die WIFI-Lernplattform kann der Teilnehmer also sowohl auf die virtuellen Klassenräume der Webinare als auch auf Online-Lernvideos oder andere Materialien zugreifen.«
Birgit Fischer-Sitzwohl (Geschäftsführerin von Coverdale Österreich): »Webinare bieten einen logischen Vorteil gegenüber Online-Lernvideos. Hinter der Stimme, die aus dem Computer kommt und einen Inhalt vermittelt, steht ein physischer Mensch. Hat der Presenter im Webinar gute Präsentationsfähigkeiten für virtuelle Präsentationen, kann der Vortrag interessant sein und man kann als Teilnehmer dem Vortrag problemlos folgen und – wenn vorgesehen – Fragen stellen und bekommt dann auch (hoffentlich) eine Antwort. Ein Webinar bietet die Möglichkeit zur Interaktion, der Sprecher ist synchron mit mir im gleichen Raum. Rein theoretisch ist das Webinar damit im Vorteil. Meine persönliche Meinung ist, dass man die beiden Dinge nicht wirklich vergleichen sollte. Ich würde die beiden Lernmöglichkeiten nicht gegeneinander aufwiegen, sondern je nach Zweck in Kombination einsetzen.«
Das sieht Silja Ziemann ganz ähnlich: »Für Unternehmen bieten sich Webinare an, um auf möglichst einfache Weise ihre Mitarbeiter an unterschiedlichen Standorten (ggf. international) zu erreichen und Weiterbildungen (auch kurzfristig) durchzuführen. Es sollte nicht ein Verzicht der einen oder der anderen Methode sein, sondern Webinare und Lernvideos sind zwei verschiedene Methoden, wie Wissen vermittelt und wie Inhalte gelernt werden können. Webinare stellen stärker die Kollaboration in der virtuellen Lerngruppe in den Fokus, Lernvideos hingegen das individuelle Lernen jedes einzelnen.«
Webinare haben ihre Tücken. Birgit Fischer-Sitzwohl zählt einige davon auf: »Ist zum Beispiel die Gruppe groß, ist die Möglichkeit zur Interaktion mit dem Trainer nur noch sehr eingeschränkt. Haben die Teilnehmer wenig Erfahrung, wie man sich im virtuellen Raum bewegt, können Webinare sehr mühsam werden. Einige Beispiele: akustische Störungen durch offene Mikros, ›dazwischenreden‹, weil man nicht Emoticons verwendet, um sich bemerkbar zu machen, zu geringe Bandbreite und damit ein permanentes Kommen und (unfreiwilliges) Gehen. Auch die Präsentatoren tragen entscheidend dazu bei, ob das Webinar gut ankommt oder nicht. Sprechen sie nicht in die Kamera, sinkt die Aufmerksamkeit der Teilnehmer binnen Minuten, ist die Präsentation zu ›textlastig‹, geht die Aufmerksamkeit nach unten, gibt es keine Handouts, um Notizen zu machen, sind die Zusammenhänge schwer zu fassen.«
Wer noch nie ein Webinar gehalten hat, sich dafür aber interessiert, sollte es einfach einmal ausprobieren, dann kommt man auf viele Dinge selbst drauf. Vielleicht beginnt man ja damit, dass man bei einem Webinar als Teilnehmer mitmacht, um sich so mit der neuen Umgebung vertraut zu machen. Und dann: Anleitungen und Vorschläge zur richtigen Technik und Tipps für die richtigen Programme gibt es im Web ausreichend. Installieren, probieren und starten! – Am besten mit einer kleinen Gruppen an Freunden oder Kollegen, in einem Rahmen, der Fehler erlaubt und in dem das Entdecken Spaß macht. Als erfahrener Präsenz-Trainer sollte man offen in das Abenteuer hineingehen. Man braucht das über Jahre erworbene Know-how keinesfalls über Board zu werfen. Man braucht bloß zu erkennen, welche besonderen Bedürfnisse ein Webinar bei den Teilnehmern weckt. Auf diese Bedürfnisse geht man dann ein.
Zum Beispiel wird man schnell draufkommen, dass man eine zweite Person braucht, die die Kommunikation mit den Teilnehmern steuert und lenkt. Außer man ist ein Wunderwuzzi und kann gleichzeitig frei sprechen, die vorbereiteten Unterlagen präsentieren, die Kommentare und Fragen der Teilnehmer vom Bildschirm ablesen und auf diese dann auch noch antworten.
Man wird auch merken, dass ein Webinar nicht so lange dauern darf wie z. B. eine Vortrags- oder Übungseinheit während eines Seminars. Ähnliches gilt für die Gruppengröße: Je kleiner, desto einfacher. In einem Vortragsraum vor 30 Menschen zu sprechen, das geht sehr gut. Für ein Webinar sind 30 Teilnehmer schon zu viele.
Und man wird manche Tools und Programme mehr schätzen als andere. Wichtiger als eine beeindruckende Featureliste ist, dass man sich auskennt und einem die Bedienung leicht fällt.
Von den beiden für diesen Artikel befragten Expertinnen wollen wir weitere Tipps und fragen sie daher:
Wie soll man nun ein Webinar gestalten, damit die Vorteile besonders zur Geltung kommen?
Silja Ziemann: »Webinare sollten vor allem interaktiv gestaltet werden, indem zum einen Bezug zur Praxis im Unternehmen bzw. dem Kontext der Teilnehmer hergestellt wird und zum anderen die Teilnehmenden selbst in die Session aktiv eingebunden werden – eigentlich genau wie bei einer normalen Präsenz-Einheit, nur eben virtuell. Wichtig sind unter anderem auch die Länge des Webinars, eine lockere, aktivierende Atmosphäre und ein wertschätzender Umgang.«
Birgit Fischer-Sitzwohl: »Die Gruppe muss relativ klein sein. Die Teilnehmer sollten wissen, wie man sich im virtuellen Raum bewegt. (Handzeichen, Emoticons, Mikro, Kopfhörer). Die Präsentation sollte sehr gut aufbereitet sein: Storytelling, viele Bilder, auch Videos und die Teilnehmer sollten vorbereitet erscheinen. Idealerweise gibt es Handouts, die im Vorfeld zur Verfügung gestellt werden, wo die Teilnehmer sich Notizen machen können, die am Rechner der Teilnehmer laufen, wo am geteilten Bildschirm halb die Präsentation und halb die Notizen sichtbar sind. Die Bandbreite der Teilnehmer sollte hoch genug sein, sodass die Bilder ›ruckelfrei‹ laufen, und die Teilnehmer sollten wirklich ungestört teilnehmen können. Der Presenter sollte wissen, wie er mit der Kamera spricht, so dass die Teilnehmer auch den Eindruck haben, er spricht mit ihnen, und nicht in irgend eine Ecke seines Rechners.«
Es wurde schon erwähnt, dass Lernvideos und Webinare kein Entweder-Oder sind, sondern am besten in Kombination eingesetzt werden. Daraus ergibt sich die Frage, welches Instrument man wofür einsetzen sollte:
Für welche Anwendungsgebiete sind Webinare eindeutig besser als Lernvideos?
Birgit Fischer-Sitzwohl: »Immer dann, wenn ich eine synchrone Interaktion mit dem Trainer benötige (und die auch gewährleiste), sind Webinare besser.«
Silja Ziemann antwortet ausführlicher: »Wenn es um Praxisübungen bzw. die Anwendung von erlernter Theorie geht, eignen sich Webinare sehr gut im Vergleich zu Lernvideos (die lediglich theoretisch Inhalte vermitteln), da man die Möglichkeit hat, in die Diskussion einzusteigen und mitzudiskutieren. Zudem können live im Webinar Übungen gemacht werden, an denen alle teilnehmen und der Trainer gleich Feedback geben kann. Selbstverständlich eignen sich Webinare – wie auch Lernvideos – nie für alle Inhalte und die Methode/der Kanal muss immer im Hinblick auf die zu vermittelnden Inhalte, Zielgruppe und Ziele individuell gewählt bzw. das didaktische Design entsprechend aufgesetzt werden.«
Eine Methode alleine wird also so gut wie nie ausreichen. Es kommt auf den Mix an und darauf, wie man die einzelnen Instrumente auf einander abstimmt. Wer seinen Teilnehmern modernes Lernen mit allen Vorteilen bieten möchte, der wird Webinare mit Lernvideos und Präsenzeinheiten kombinieren. Das nennt sich dann Blended Learning.
Silja Ziemann erklärt, worauf man dabei achten sollte: »Besonders wichtig sind das didaktische Design, eine professionelle Betreuung der Präsenz- und Online-Phasen sowie deren Verknüpfung. Ganz wesentlich ist auch ein gutes Konzept und dass die Auswahl der Methoden in Abstimmung mit den Inhalten passiert.«
Birgit Fischer-Sitzwohl: »Der Ablauf des Blended Learning muss klar sein. Das Learning Mangement System muss eine serielle Schaltung einzelner Lerneinheiten ermöglichen und auch ein Fortschritts-Tracking für die Veranstalter. Die Teilnehmer müssen wissen, was sie bis wann zu erledigen haben, wie sie ihre Hausaufgaben an den Online-Trainer übermitteln, wer ihnen bei technischen Problemen hilft und wie der inhaltliche Support funktioniert. Wichtig ist auch die Klärung der technischen Voraussetzungen mit der IT des jeweiligen Unternehmens. Je nachdem, was mittels Blended Learning vermittelt werden soll, muss man auch überlegen, ob die Maßnahme rein virtuell stattfinden kann oder ob physische Präsenzeinheiten notwendig sind. Wir haben rein virtuelle Blended-Learning-Maßnahmen im Einsatz, im Rahmen derer Teilnehmer neue Fähigkeiten aufbauen können. Das funktioniert immer dann, wenn ich diese Fähigkeiten auch alleine aufbauen kann, und nicht eine Gruppe von Personen als Lernvehikel benötige.
Blended Learning ist ein Mix aus Wissenserwerb, Anwendung an Praxisbeispielen, aktivem Üben, Peer-Learning, entweder virtuell oder als physische Präsenzmaßnahme. Eine Kombination aus synchronem und asynchronem Lernen. Je nach Thema und zu vermittelndem Inhalt.«
Fazit
Mit Lernvideos kann man punktuell Information auf sehr anschauliche Weise vermitteln, mit Webinaren Inhalte in Gruppen trainieren und auch interaktiv erarbeiten lassen. Für umfangreiche Lernprogramme oder auch Ausbildungen wird man beide Instrumente nutzen und unter Umständen auch Präsenzeinheiten anbieten. Willkommen in der Welt des Blended Learning.
Schöner Artikel.
Leider können sie die Lernplattform nur sehr eingeschränkt nutzen.
Von unterwegs können sie nicht in die Lernplattform, da kein Android Betriebssystem unterstützt wird.
Des weiteren funktioniert die Plattform mit den meisten Browsern nicht.