Die Kultur, in der wir aufwachsen, prägt unsere Wahrnehmung, unser Denken und Handeln. Naheliegend, dass der kulturelle Hintergrund auch den Führungsstil beeinflusst.
Welches Führungsverhalten ist in allen Kulturen wirksam? Und wo gibt es starke kulturelle Unterschiede, mit denen Führungskräfte sensibel umgehen sollten?
Dale Carnegie hat sich als international agierendes Unternehmen mit den Zusammenhängen zwischen nationaler Kultur und bevorzugten Führungstechniken befasst. Im Zuge der »Global Leadership«-Studie wurden über 3 300 Personen aus vier Kontinenten und 14 Ländern befragt. Folgende Schlüsselfaktoren werden weltweit mit einem guten Führungsverhalten assoziiert:
Die Bereitschaft zur persönlichen Weiterentwicklung
Aufrichtige und ehrliche Anerkennung, Lob und Wertschätzung geben
Zuverlässigkeit sowohl nach außen (ehrlich und vertrauenswürdig mit anderen umgehen), als auch nach innen (zu den eigenen Werten und Prinzipien stehen) ausstrahlen
Die Fähigkeit, zuzuhören, andere Meinungen zu respektieren, es wertzuschätzen, wenn Mitarbeiter etwas beitragen
In aller Bescheidenheit zugeben, wenn man einen Fehler gemacht hat
In vielen Ländern ist man sich darüber einig, dass ein guter Manager charismatisch-werteorientiert führt, Visionen und Ziele motivierend kommunizieren und Mitarbeiter inspirieren kann. Und, last but not least: Das Verhalten der unmittelbaren Führungskraft hat eine signifikante Wirkung auf die Zufriedenheit mit dem Job und die Beibehaltung desselben – und das gilt ohne Ausnahme weltweit!
Fingerspitzengefühl
Unabhängig davon gibt es den kulturellen Kontext: Immer wichtiger wird es für Führungskräfte im Zuge der Globalisierung, eine kulturelle Sensibilität an den Tag zu legen. Je besser das kulturelle Verständnis, desto größer ist der Erfolg internationaler Führungskräfte, wie verschiedene Studien belegen. Führungskräfte, aber auch Mitarbeiter, müssen in der Lage sein, sowohl kulturdifferenzierend, als auch –integrierend zu denken und zu handeln. Laut Karlheinz Schwuchow (Professor für Internationales Management an der Hochschule Bremen) ist ein entsprechendes »Global Mindset« gefragt: »fremde Kulturen entschlüsseln und mit kultureller Vielfalt in einer Weise umgehen, die Anpassen, Ignorieren oder Gegensteuern implizieren kann.«
Führungsstile für andere Kulturen
Am Beispiel von Südafrika, Indien und Vietnam sehen wir, wie unterschiedlich Führungsstile gelebt werden können, und wo die Herausforderungen für Führungskräfte liegen:
In Indien herrscht ein ausgeprägtes Hierarchiedenken. Indische Mitarbeiter erwarten klare Anweisungen und eine enge Führung. Für internationale Führungskräfte gilt, innovatives Denken zu fördern und eine Kultur des Experimentierens zu schaffen – gar nicht so einfach, in einer Arbeitskultur, in der Scheitern verpönt ist!
Auch in Vietnam ist ein autoritärer Führungsstil üblich. Hier zählt vor allem die Gruppe: »Nur gemeinsam sind wir stark!« Dies bedeutet, dass jeder, sowohl Führungskraft als auch Mitarbeiter, eine klare Rolle hat. In der Regel entscheiden die Führungskräfte und die Mitarbeiter führen aus. Vietnamesische Mitarbeiter sind es nicht gewohnt, sich kritisch gegenüber Vorgesetzten zu äußern. Das kann schnell zu Missverständnissen führen. Für ausländische Führungskräfte gilt es, den Mitgliedern ihres Teams zu ermöglichen, offen und frei zu kommunizieren und Ideen und Verbesserungsvorschläge einzubringen.
Südafrika ist, was die Arbeitskultur betrifft, näher zum deutschsprachigen Raum. Die Mitarbeiter erwarten Weisungen von ihren Vorgesetzten, jedoch werden laut der »Global Leadership«-Studie Konflikte nicht gescheut und Probleme offen angesprochen. Ebenso besteht durchaus die Bereitschaft, innovative Ideen zu entwickeln. Die Schwierigkeit für Führungskräfte liegt eher darin, auf deren Umsetzung zu achten. Oft sind nämlich mangelndes Selbstvertrauen und die Angst, dass die eigenen Ideen ins Lächerliche gezogen werden könnten, bei den Mitarbeitern vorherrschend. Ebenso sollten Führungskräfte mit Fingerspitzengefühl agieren. Beispielsweise kann es in Südafrika als respektlos empfunden werden, seinem Vorgesetzten direkt in die Augen zu schauen.
Konsequenzen für HR-Management
Bei all der notwendigen Sensibilität für die andere Kultur ist es auch wichtig, die unternehmenseigenen Werte zu vermitteln. Firmen mit einer starken Unternehmenskultur, wie z. B. Wal-Mart oder IKEA, stehen hier vor einer Herausforderung: Wie können unternehmensinterne Gepflogenheiten an die fremde Kultur angepasst werden? Sei es der Wal-Mart Cheer, mit dem sich Mitarbeiter vor Arbeitsbeginn motivieren, oder der Verzicht auf Hierarchie und Statussymbole bei IKEA. Auch hier sind Manager gefragt, ein besonderes Gespür an den Tag zu legen. Das sind alles hohe Anforderungen an eine Führungskraft: neben Fachkompetenz sollte sie vor allem über die nötigen Soft-Skills verfügen, um diesen Balanceakt zu schaffen. Das internationale Personalmanagement ist gefordert, seine Führungskräfteentwicklung neu auszurichten. Laut Karlheinz Schwuchow besteht eine wachsende Tendenz zum HR-Outsourcing. Dafür brauche es externe Personalentwicklungspartner, die die Strategien und Strukturen ihrer Kundenunternehmen global abbilden können. Was für die Lieferanten von Produkten, z. B. Zulieferer in der Automobilindustrie schon lange gelte, sollte auch für Dienstleister in der Aus- und Weiterbildung Gang und Gäbe sein: Sie müssen in allen relevanten Standorten ihrer Kunden präsent sein, um hohe Qualität zu liefern.