Mit Stabilität zum nachhaltigen Erfolg

Die Familienverfassung ist eine Vereinbarung, die das Verhältnis Familie und Unter­nehmen regelt. Warum das wichtig ist und was sie beinhaltet, weiß Christian Fuchs.

In Familienunternehmen gibt es häufig ernste Diskussionen und Auseinandersetzungen über Themen wie Nachfolge, Funktionen im Unternehmen, Ausschüttung oder langfristige Ausrichtung. Diese Debatten sind für Unternehmen und Familie sehr belastend und können zur Krise führen. Es bedarf eines Regelwerks, das ganz klar diese Punkte behandelt und auch einen Wegweiser für Konflikte zur Verfügung stellt. All dies findet dann seinen Wirkungsbereich in der individuellen Familienverfassung. Experte Christian Fuchs (Jurist, Unternehmensberater und Business Coach) über Risiken und Chancen für Familienbetriebe.

Herr Fuchs, was genau versteht man unter Familienverfassung?

Die Familienverfassung ist eine von allen Mitgliedern einer Unternehmerfamilie gemeinsam ausgearbeitete und im Konsens beschlossene schriftliche Zusammenfassung von Absichten, Zielen, Werten, Regeln und Verhaltensnormen. Sie erfasst vor allem die Rolle der Familie im Unternehmen, deren Rechte und Pflichten sowie Verhaltensregeln für den Umgang mit Familien- und Unternehmensangelegenheiten.

Was ist daran besonders wichtig?

Die Familie und das Unternehmen müssen sich im Einklang befinden. Die größten Gefahren in Familienunternehmen sind die beginnende Entfremdung, Nachfolgeregelungen und schwelende Konflikte. Unternehmerfamilien sollen nicht warten, bis der sprichwörtliche »Hut brennt«.
Eine gute und auf Familie und Unternehmen abgestimmte Family Business Governance, die individuelle Familienverfassung, wirkt präventiv und lässt Konflikte erst gar nicht entstehen, und alle Kräfte konzentrieren sich auf das Wohl des Familienunternehmens und damit auch auf die handelnden Personen.
Fakt ist, dass etwa 67 % der Familienbetriebe von der ersten in die zweite Generation und knappe 37 % von der zweiten in die dritte Generation übergeben werden. Nicht einmal 5 % schaffen es von der dritten zur vierten Generation. Es gilt, rechtzeitig und präventiv die Regeln für Familie und Unternehmen in einer Familienverfassung festzulegen.

Was ist das größte Risiko bei Eigentümerunternehmen?

Fast jeder hat sie in den 80er-Jahren am Bildschirm verfolgt: die Intrigen von J. R. Ewing gegen den Rest des Familienclans. Doch wer sich für Familienfehden interessiert, braucht gar nicht ins entfernte Texas schauen. Auch vor der eigenen Haustür, bei österreichischen und deutschen Familienunternehmen, kracht es immer wieder. Die Liste mit Beispielen ist lang. Bahlsen bricht 2001 nach einem 15-jährigen Streit in der Eigentümerfamilie in zwei Firmen auseinander. Auseinandersetzungen in der Familie Herz belasten das Kaffeeimperium Tchibo. »Familien haben generell ein großes Konfliktpotenzial«, sagt Professor Fritz B. Simon vom Lehrstuhl für Führung und Organisation von Familienunternehmen an der Universität Witten/Herdecke. Familienunternehmen brauchen nicht nur eine Unternehmensstrategie. Sie brauchen auch eine Familienstrategie.

Warum gibt es so ein hohes Streitpotenzial?

Der häufig existenzgefährdende Zwist der Eigentümerfamilien hat fast immer die gleichen Ursachen: Im Laufe der Zeit wächst die Unternehmerfamilie und damit auch die Entfremdung der einzelnen Mitglieder untereinander und zur Firma. Die Interessen entwickeln sich immer weiter auseinander. Die Entfremdung ist die größte Gefahr. Neid, Missgunst und Geschwisterrivalität bestimmen die Handlungen. Großes Konfliktpotenzial birgt zudem die Übergabe einer Firma an die nächste Generation. Der Senior kann nicht loslassen, rechtfertigt seine Intervention mit immer neuen Argumenten wie etwa der aktuell schlechten Konjunktur, der miesen Branchensituation oder einer jüngst getätigten Akquisition. Sätze wie »gerade jetzt ist es wichtig, die Zügel noch einige Zeit in der Hand zu halten« verhärten die Fronten zwischen Junior und Senior manchmal über Jahre. »Die Streitenden entscheiden nicht mehr sachlich, sondern nur noch emotional«, sagt Familienforscher Fritz B. Simon. Damit nicht genug: Häufig erkennen die Familienmitglieder die Gefahren nicht, die von ihrem Verhalten ausgehen. Man verfährt nach dem Motto: Wir werden uns schon einigen, schließlich sind wir ja eine Familie. Als Folge werden die Konflikte nicht beseitigt, schwelen über Jahre und gefährden die Existenz der Firma. Streit unter den Gesellschaftern ist zweifellos der größte Wertvernichter in Familienunternehmen. Experten kennen die Symptome einer nicht mehr funktionierenden Familienkultur genau. Einzelne Mitglieder fühlen sich übergangen, andere weigern sich etwa aus Zeitgründen, den Rest der Familie über die eigenen Entscheidungen zu informieren. Absprachen über die Kompetenzen fehlen ebenso wie Regeln für den Fall, dass einer in der Familie seine Aufgaben nur unzureichend erfüllt. Vor allem aber Streit innerhalb der Gesellschafter im Beisein von Dritten – etwa Mitarbeitern oder Führungskräften – gilt als höchstes Alarmsignal.

Wie können Familienunternehmen trotzdem langfristig erfolgreich bleiben?

Eigentümerunternehmen denken in der Regel in Generationen, während Manager und Aktionäre von Publikumsgesellschaften auf Quartale und kurzfristige Ergebnisse ausgerichtet sind und, auch erfolgsgetrieben von dritter Seite, sein müssen. Bei Familienunternehmen werden die Systeme »Familie« und »Unternehmen« über das »Eigentum« verknüpft. Diese Verbindung wirkt sich vorteilhaft aus und schafft einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil.
Der wichtigste Schritt ist es, zunächst die Interessen der Familie zu klären und zu definieren. Erst dann können Sachfragen diskutiert werden. Sind die akuten Zwistigkeiten geklärt und bereinigt, gilt es, mit Hilfe klarer Regeln – der »Family Governance« – Lösungswege für künftige Konflikte und das Verhalten der Gesellschafter zu formulieren. In dieser Charta, die den gleichen Status wie der Gesellschaftervertrag besitzen sollte, werden Dinge geregelt wie der Ausschüttungs- und Vergütungsmodus. Aber auch die Frage, ob die Familie künftig operativ oder lediglich aus der Gesellschafterposition heraus tätig sein will, wird beantwortet. Daraus folgend sollten auch die Erwartungen an externe Führungskräfte formuliert werden, falls diese zum Einsatz kommen. Um den Zusammenhalt der Familie langfristig zu festigen, schlagen Experten feste Institutionen wie den Familientag, den Familienrat oder das »Family Office« vor.

Wie schaut eine Familienverfassung konkret aus?

Bei der Erarbeitung der Familienverfassung (Family Business Governance) werden natürlich Fragen in Bezug auf das Unternehmen, Familie und Eigentum eingehend und zukunftsorientiert behandelt. In vielen Unternehmerfamilien sind die Gesellschafter im Betrieb tätig bzw. führen diesen auch. In diesem Zusammenhang sind Fragen zur Beteiligung der Familie an der Führung des Unternehmens zu regeln. Ebenso Kompetenz- und Legitimationsfragen, die Beteiligung externer Geschäftsführer und vor allem die Regelung der Führungsnachfolge sind Themen, die Familienunternehmen beschäftigen. Das Thema »Eigentum« birgt immer wieder Konfliktpotenzial in sich, wenn es unter anderem um unterschiedliche Auffassung über Stabilitäts-, Rentabilitäts-, Wachstums- und Liquiditätsziele geht. Bei der Erstellung der Familienverfassung werden auch all jene Fragen aufgeworfen, die die typischen Spannungs- und Konfliktfelder der Familie betreffen. Es geht darum, den Zusammenhalt der Familie zu gewährleisten und das konstruktive Zusammenspiel der Generationen zu ermöglichen. Neben dem Leitbild für das Unternehmen ist es unabdingbar, auch die Werte und Ziele für die Familie zu erarbeiten. Die Familienverfassung bietet fundierte Stabilität für die Zukunft und ist ein solider Garant für den Bestand des Familienbetriebes über Generationen.

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Fuchs

Christian Fuchs
»Die größten Gefahren in Familienunternehmen sind die beginnende Entfremdung, Nachfolgeregelungen und schwelende Konflikte.«
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