Eine Fehlbesetzung kann ein Unternehmen mitunter mehrere Monatsgehälter kosten. Warum also nicht mit Analysetools arbeiten, die erwiesenermaßen funktionieren? Auch jenseits des Recruitings gibt es für diagnostische Instrumente großartige Anwendungsmöglichkeiten.
Der Gewinn eines Unternehmens lässt sich auf die Arbeitskraft und vor allem den Arbeitswillen der Mitarbeiter zurückführen. Sind diese motiviert, arbeiten sie mit Begeisterung und Freude, spüren das natürlich auch die Kunden und kommen gerne wieder. Sie werden zu Stammkunden, ein unschätzbarer Wert für das Unternehmen. Demnach ist das Recruiting neuer Mitarbeiter ein wichtiger Prozess im Unternehmen, vielleicht einer der wichtigsten. Leider wird dieser Prozess häufig von jungen, unerfahrenen Personen ausgeübt, die primär nach ihrem Bauchgefühl entscheiden. Sympathieträger haben oft die besseren Karten als fachlich geeignetere Bewerber.
Piloten lernen während ihrer Ausbildung, in gewissen Situationen bewusst NICHT instinktiv zu handeln, sondern sich nur auf die Instrumente zu verlassen und anders zu reagieren, als es ihnen im Moment gefühlt richtig erscheint. So z. B. bei einem unerwarteten Durchstarten in Nebel bzw. Wolken während des Landeanflugs, wo durch die auftretenden Beschleunigungskräfte das Gleichgewichtsorgan im Ohr irritiert ist und der Pilot instinktiv dazu neigen würde, die Nase des Flugzeuges zu senken statt zu heben. Hier gilt es, einen kühlen Kopf zu bewahren, und den objektiven Instrumenten (in dem Fall dem künstlichen Horizont) glauben zu schenken und entsprechend entgegen dem Bauchgefühl zu handeln.
Auch Berufstaucher, die unter schlechten Sichtbedingungen Orientierung suchen, werden darauf geschult, nicht ihrem Gefühl zu folgen, sondern dem Kompass zu vertrauen. Man lässt sich nämlich schnell täuschen, wenn die Sichtverhältnisse sehr schlecht sind und man würde sich intuitiv möglicherweise in die falsche Richtung bewegen.
Recruiter sind oft Quereinsteiger ohne richtige Ausbildung für ihre Tätigkeit. Sie entscheiden aus dem Bauch heraus und erzählen das auch ganz offen. Fragen Sie einen Recruiter, er wird dies bestätigen. Unser Bauch allerdings entscheidet niemals, der ist für andere komplexe Abläufe im Körper zuständig. Entscheidungen werden einzig und allein im Gehirn getroffen. Ist eine Entscheidung logisch nicht argumentierbar, sprechen wir zwar von einer »Bauchentscheidung«, sie resultiert aber aus unseren Erfahrungen, die wir in der Vergangenheit mit ähnlichen Situationen gesammelt haben. Ist ein Bewerber z. B. optisch oder kommunikativ dem Ex-Partner ähnlich, von dem man sich im schlechten getrennt hat, kann der Bewerber noch so geeignet sein, er wird es kaum in die zweite Runde schaffen.
Durch falsche Personalentscheidungen entstehen den Unternehmen jährlich hohe Kosten. Besonders bei Führungskräften, die in der Hierarchie weit oben angesiedelt sind. Die durchschnittlichen Kosten einer Fehlbesetzung werden bei Fachkräften mit rund 50 % des Jahresbruttogehalts plus Lohnnebenkosten angegeben und bei Führungskräften sogar zwischen 75 % und 100 % des Jahresbruttogehalts plus Lohnnebenkosten. Es zahlt sich daher aus, bei der Personalauswahl gut hinzusehen. Als »objektive Instrumente« – das Cockpit der Recruiter – bieten sich daher Potenzialanalysen an. Hier wird die Persönlichkeit eines Menschen erfasst und dargestellt. Der Kandidat füllt einen Fragebogen (offline oder online) aus und das Unternehmen bekommt eine Ahnung, wie die Person tickt. Dabei geht es meistens nicht um Fachwissen, sondern um die persönliche Eignung. Das bietet auch für den Kandidaten bessere Chancen, denn auch er möchte in ein Team integriert werden, in dem er sich wohlfühlt, und in ein Unternehmen kommen, das zu ihm passt.
TRAiNiNG sprach mit vier Anbietern von Potenzialanalysen im weitesten Sinne, über Chancen, Risiken, Anwendungsmöglichkeiten und natürlich, ganz aktuell, über das Thema Datenschutz.
Zuständigkeit
Wenn diagnostische Instrumente wie oben beschrieben für das Recruiting eingesetzt werden sollen, ist klarerweise in der HR-Abteilung die erste Ansprechperson zu finden. Doch Diagnostikinstrumente können auch z. B. zur Weiterentwicklung von Mitarbeitern herangezogen werden, für interne Besetzungen und vieles mehr. Wer also ist im Unternehmen für den Einsatz von personaldiagnostischen Instrumenten zuständig?
Bernhard Dworak (Geschäftsführer Master Human Resources Consulting GmbH): »Der Einsatz personaldiagnostischer Instrumente ist keinesfalls nur dem HR vorbehalten, da diese Instrumente auch bei Mitarbeitergesprächen als Dialog-Instrument Anwendung finden können. Letzten Endes kommen diese Instrumente immer dann zum Einsatz, wenn man typisches berufliches Verhalten analysieren und darstellen möchte, um auf beiden Seiten mehr Transparenz zu schaffen. Gerade erfahrene Führungskräfte verlangen immer öfter nach diesen Instrumenten, nicht aus Unsicherheit, sondern im Gegenteil – weil sie ihre Entscheidungen objektiv absichern möchten. Sie erhalten dadurch objektive, wissenschaftlich basierte Entscheidungskriterien, die klar formuliert und kommuniziert werden können und dadurch wesentlich mehr Akzeptanz erfahren als eine subjektive Einschätzung (auch wenn sie noch so objektiv formuliert sein sollten). Ein wichtiger Punkt, warum in der Vergangenheit diese Instrumente oft nicht angewandt wurden, war subjektiv empfundener Machtverlust. ›Moderne‹ Führungskräfte führen jedoch nicht mehr durch Macht und können daher ohne Angst diese effektiven Instrumente einsetzen – vorausgesetzt, sie entsprechen den allgemeingültigen Qualitätskriterien.«
Tanja Abwa (Geschäftsführerin Scheelen GmbH, Institut für Managementberatung & -Diagnostik): »Die Zuständigkeit ist sehr unterschiedlich und meistens von der Größe des Unternehmens sowie vom Ziel des Einsatzes abhängig. In kleineren Unternehmen sind oft die Geschäftsführer und Eigentümer zuständig, in großen Unternehmen einzelne Abteilungsleiter, z. B. Vertriebsleiter oder HR, wenn es ein generelles Auswahl- oder Entwicklungstool ist.«
Ursula Autengruber (Geschäftsführung Structogram Österreich): »Die grundsätzliche Entscheidung muss von der HR-Abteilung getroffen werden, sollten die Instrumente doch einheitlich im gesamten Unternehmen genützt werden und auch zur Strategie passen. Die wichtigen Fragen, die sich die Verantwortlichen vorweg stellen sollten, lauten: Wozu brauche ich das Instrument? Was ist mein Ziel? Was passiert mit den Informationen und wer soll auf die Daten zugreifen können?«
Ulrike Kriener (Psychologin und HR-Consulter bei der Aumaier Coaching Consulting GmbH): »Es ergibt Sinn, dass personaldiagnostische Eignungs- bzw. Einstellungsverfahren von der HR-Abteilung (im Optimalfall von Personen mit psychologischem Background) durchgeführt werden, da die Interpretation der Auswertung Ausbildung und Übung bedarf. Interview führen und Verhalten beobachten sollten die jeweiligen Führungskräfte selbst. Hier stellt die Unterstützung durch HR (3er-Gespräch) einen deutlichen Mehrwert dar.«
Anwendungsmöglichkeiten
Diagnostikinstrumente können wie beschrieben sehr vielfältig angewandt werden – etwa in der Personalauswahl, in der Führungskräfteentwicklung, in der Teambildung oder z. B. auch in Verkaufstrainings.
Tanja Abwa rät daher: »Wichtig ist vor allem die Wahl des richtigen Instruments für den richtigen Anlass. Welches Tool es sein soll, entscheidet sich meist im Einzelfall. INSIGHTS MDI® eignet sich beispielsweise besonders gut, um das Potenzial von Bewerbern und bestehenden Mitarbeitern zu ermitteln, aber auch zum Training von Verkäufern.«
Ursula Autengruber arbeitet mit dem Structogram, das als besondere Stärke einen geringen Zeitaufwand und eine einfache Handhabung bietet: »Die Biostruktur-Analyse kann im gesamten Unternehmen angewendet werden. Sie ist eine wertfreie Analyse der individuellen, genetisch veranlagten Grundstruktur der menschlichen Persönlichkeit. Führungskräfte erkennen damit, wo ihre persönlichen Stolpersteine und Chancen in der Führung liegen und wie sie es schaffen, ihre unterschiedlichen Mitarbeiter individuell zu führen. Mitarbeiter im Verkauf verstehen ihr Verhalten und das ihrer Kunden besser und schaffen es so, eine stabilere Kundenbeziehung aufzubauen. In unserer heutigen schnelllebigen Zeit ist das ein unbezahlbarer Wettbewerbsvorteil. Teams erkennen die Unterschiedlichkeit ihrer Stärken und Fähigkeiten, können Synergien bilden und Reibungsverluste verhindern. Einzelne Mitarbeiter verstehen im Rahmen der Selbstkenntnis, wo ihre Stärken und Fähigkeiten liegen und wie sie diese noch besser nützen können. Sie können sich entsprechend ihrer individuellen Anlagen weiterentwickeln.«
Ulrike Kriener hält nichts von »Wundertools«, die für jede Situation und jedes Unternehmen angemessen sind: »Persönlichkeitstest oder Audits sollten für Schlüsselfunktionen, die auf die jeweiligen Funktionsanforderungen zugeschnitten sind, angewandt werden. Interview und Analyse des Bewerbungsschreibens und des Lebenslaufes sind bei jedem Bewerber unerlässlich.«
Personaldiagnostische Instrumente leisten also von der Personalauswahl bis zum Trennungsgespräch hilfreiche Dienste.
Abschließend zu diesem Thema rät Bernhard Dworak im Gespräch: »Wann immer es um den Menschen geht (und wir arbeiten mit Menschen zusammen), sollte man sich überlegen, ob man nicht eine objektive Sichtweise hinzuzieht. Der Preis ist übrigens selten das Thema – vorausgesetzt, den Auftraggebern ist bewusst, wie viel eine Fehlbesetzung oder ein vermeidbarer Abgang das Unternehmen kostet.«
Datenschutz
Die neue EU-DSGVO stellt derzeit die gesamte HR-Welt vor große Herausforderungen. Rauf und runter wird sie geschult und Experten helfen bei der konkreten Umsetzung im Unternehmen. Alle Unternehmen, die mit sensiblen persönlichen Daten von Mitarbeitern, Kunden oder Lieferanten arbeiten, müssen sich damit beschäftigen. Beim Recruiting ergeben sich dadurch völlig neue Prozesse im Umgang mit den Daten. Wie können daher Anbieter von personaldiagnostischen Instrumenten sicherstellen, dass die hier zum Teil sehr persönlichen Daten nicht in falsche Hände geraten? Und was müssen die Unternehmen in diesem Zusammenhang tun?
Bernhard Dworak: »Tatsache ist: Es betrifft jeden und niemand kann sich dieser Pflicht entziehen. Die DSGVO gilt für jedes Unternehmen, das Verarbeitungen von personenbezogenen Daten vornimmt. Und jedes Unternehmen hat sich individuell den Überblick über seine Datenverarbeitung zu verschaffen und die Rahmenbedingungen für ein datenschutzrechtskonformes Verhalten herzustellen.«
Ulrike Kriener: »Mein Personaldiagnostik-Tool arbeitet computerbasiert ohne Internetzugang mit einem sogenannten Dongle. Als Personendaten werden lediglich die Initialen des Bewerbers aufgenommen. Für jeden Recruitingauftrag vergebe ich einen Projektnamen, um die Initialen zum Auswertungszweck wieder zuordnen zu können. Die Bewerberdiagnostikdaten liegen also zu jedem Zeitpunkt elektronisch in anonymisierter Form vor. Unternehmen müssen sich vor allem um Dokumentationsaufgaben kümmern, Gedanken zur Datenminimierung machen und Fristen beachten, wann Bewerberdaten auch wieder gelöscht werden müssen.«
Tanja Abwa kennt das Thema gut und hat sogar eigens dazu einen Experten regelmäßig im Unternehmen: »Grundsätzlich müssen alle Kunden eine Einverständniserklärung abgeben, bevor sie eine Analyse ausfüllen. Personenbezogene Daten werden nur im notwendigen Umfang erhoben, die Analysen auch nicht im vollen Umfang gespeichert, sondern nur die Antwortmuster. Wir haben seit Jahren einen Datenschutzbeauftragten, der unsere Prozesse im Unternehmen überprüft und auditiert. Für Unternehmen sind beim Thema der Diagnostik keine anderen Vorgehensweisen notwendig als für andere sensible personenbezogene Daten, die Unternehmen verarbeiten.«
Bernhard Dworak ist stolz auf die hohen Sicherheitsstandards bei seinem Unternehmen: »Das Thema ›Datenschutz‹ ist bei seriösen Anbietern von personaldiagnostischen Instrumenten kein neues Thema. Seitdem es möglich ist, unsere Tests online auszufüllen, erfüllen wir die höchsten Sicherheitsstandards. Die Kommunikation zwischen dem Browser und dem Online-Fragebogen-System erfolgt über SSL (HTTPS) und verwendet eine 2048-Bit-Verschlüsselung. Die Authentifizierung im Testsystem basiert auf einer Client ID, die das Unternehmen identifiziert, und einem persönlichen Benutzernamen und Passwort, die die einzelnen Benutzer in dieser Firma identifizieren. Wir verwenden ein ISO 27001 zertifiziertes Datacenter mit aktivem Schutz und eine dedizierte Bedrohungsmanagement-Task-Force, um höchste Sicherheit zu gewährleisten. Es gibt noch weitere Maßnahmen, die den Datenschutz unserer Kunden, Probanden und Mitarbeiter sicherstellen und die laufend den aktuellsten Entwicklungen und Sicherheitsstandards angepasst werden.«
Bei der Biostruktur-Analyse füllen die Teilnehmer nur wenige Fragen in ihrem persönlichen Buch aus, um auf ihre Persönlichkeitsstruktur zu kommen. Ursula Autengruber hat demnach zumindest kein technisches Problem: »Die Biostruktur-Analyse ist als Selbstanalyse mit einem persönlichen Analyse-Buch konzipiert, welches die Mitarbeiter im Rahmen eines Seminars unter der Leitung eines zertifizierten Trainers bekommen und für sich selbst ausfüllen. Jeder Teilnehmer profitiert davon, wenn er die Fragen ehrlich für sich beantwortet und niemand muss nach der Analyse sein Ergebnis bekannt geben. Meist sind die Teilnehmer aber so an den Ergebnissen der anderen interessiert, dass sie diese gemeinsam in der Gruppe besprechen und damit nun oft besser verstehen, warum ihr Gegenüber so handelt. An Personen außerhalb des Trainings werden keinerlei Daten weitergegeben. Wird mit dem Vorgesetzten ein Seminarbesuch nachbesprochen, geht es auch nicht um das Analyseergebnis, sondern um Verhalten, Anwendung und Veränderungsmöglichkeiten.«
Verweigerung des Tests
Verschiedene Gründe können dazu führen, dass Kandidaten oder Mitarbeiter Tests ablehnen. Vielleicht haben sie Angst, dass ihre Daten in falsche Hände kommen oder dass Eigenschaften zum Vorschein kommen, die sie bisher bewusst verheimlicht haben. Wie können und sollen Unternehmen umgehen, wenn ein Bewerber, der vielleicht sogar recht kompetent und geeignet für die Stelle scheint, eine Persönlichkeitsanalyse verweigert?
Bernhard Dworak: »Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist doch: Warum verweigert jemand die Tests? Wurde der Proband nicht ausreichend informiert (das erzeugt Unsicherheit und Ablehnung)? Hat der Proband etwas zu verbergen? Es kommt tatsächlich immer wieder vor, dass ein Proband den Fragebogen nicht ausfüllt oder abbricht. In den meisten Fällen liegt ein persönliches Problem vor, das sich früher oder später auf den jeweiligen Prozess auswirkt. Am besten, man sucht das Gespräch und erfragt die Hintergründe. In allen Fällen lässt sich die Situation so oder so klären, und die Entscheidung ist zu akzeptieren.«
Ursula Autengruber hatte mit Teilnehmern bisher noch nie dieses Problem: »Meiner Ansicht nach muss man es akzeptieren, wenn jemand ein Testverfahren ablehnt. Natürlich interessieren mich die Gründe, denn ich arbeite seit 30 Jahren mit der Biostruktur-Analyse und ich erfahre so immer wieder Neues. Hin und wieder sind Betriebsräte skeptisch, wie mit Ergebnissen umgegangen wird. Sobald sie aber selber die Chance haben, die Analyse zu erleben, sind alle Bedenken ausgeräumt. Ich hatte in all den Jahren keinen einzigen Teilnehmer, der die Analyse abgelehnt hat. Schließlich geht es im Rahmen des Seminars nicht nur um das Analyseergebnis, sondern auch darum, zu erleben, was das Ergebnis bedeutet, wo meine Talente aber auch genetisch bedingten Grenzen liegen und wie ich mich weiterentwickeln kann.«
Tanja Abwa weiß, dass eine Ablehnung sehr selten vorkommt. Sie akzeptiert die Gründe und meint dazu: »Dass jemand eine Analyse verweigert, passiert nur selten. Eine Analyse sollte auf freiwilliger Basis ausgefüllt werden, somit ist es zu respektieren, wenn Personen sie nicht ausfüllen wollen.«
Ulrike Kriener sagt über die Praxis und Rechte von Bewerbern: »Grundsätzlich ist die Hinzuziehung psychologischer Tests bei Schlüsselfunktionen zulässig. Man kann sich als Unternehmen mit einer schriftlichen Einverständniserklärung absichern. Im neuen Datenschutzgesetz ist ein Widerrufsrecht verankert. D. h., Bewerber dürfen jederzeit Tests verweigern, Unterlagen zurückziehen, um Löschung der Unterlagen ersuchen. Dem ist auf jeden Fall nachzukommen. In der Praxis wird ein Bewerber, der eine Stelle möchte, wohl kaum den Eignungstest verweigern oder Unterlagen zurückziehen.«
Fehlerquote
Ein Persönlichkeitstest oder eine Potenzialanalyse beschreibt niemals zu 100 % eine Persönlichkeit. Teilnehmer können bewusst falsche Antworten liefern oder versehentlich etwas Falsches ankreuzen. Es ist immer nur ein Selbstbild, und auch das muss nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen.
Bernhard Dworak klärt über Qualitätsstandards bei Potenzialanalysen auf: »Hier kommt das Thema Qualität bzw. Qualitätskriterien ins Spiel und im Besonderen die Reliabilität. Die Reliabilität eines Instruments besagt etwas über die Varianz in den Testresultaten, welche durch andere als die Faktoren aufritt, welche durch das Instrument zu messen sind. In anderen Worten, dies ist die Größe des Fehlers in Bezug zu einer gegebenen Messgröße. Je kleiner der Fehler in Verbindung mit dem Instrument, desto höher ist die Reliabilität. Liegt die Reliabilität bei 0,8, wird das Instrument im Allgemeinen als gut bezeichnet, und Werte zwischen 0,6 bis 0,8 sind zufriedenstellend. Es gibt verschiedene Formen der Reliabilität (Cronbach’s Alpha-interne Konsistenz, Test-Retest etc.) und sämtliche Werte liegen bei unserem Instrument (MPA Master Person Analysis) über 0,83. Wenn Ihnen der Anbieter Ihres Vertrauens diese Werte nicht liefern kann, würde ich fragen ›Warum nicht?‹ und es wäre für mich persönlich ein K.o.-Kriterium. Wenn ich mich auf ein Instrument nicht verlassen kann, hätte ich Bauchweh.«
Ursula Autengruber beschäftigt sich häufig mit diesem Thema: »Wir können mit der Biostruktur-Analyse schon auf 40 Jahre Erfahrungen mit ca. 2 Mio. Teilnehmer zurückgreifen. Vor ca. 10 Jahren haben wir im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie die Stabilität prüfen lassen und bei allen Probanden gesehen, dass sich die Biostruktur eines Menschen im Laufe des Lebens nur marginal verändert. Personen, die schon als Jugendliche risikobereit, schnell und praktisch veranlagt sind, bleiben das auch im höheren Alter. Menschen, die eher vorsichtig, sehr planerisch und individualistisch agieren, ebenso. Insofern bewährt es sich, die eigene Biostruktur frühzeitig zu erkennen und zu verstehen, um dann ein authentisches Leben zu führen und einen Beruf ausüben zu können, der wirklich zur Person passt. Dies ermöglicht es einem, seine persönlichen Fähigkeiten einzusetzen, damit Erfolg und Freude zu haben und weitgehend gesund zu bleiben.«
Ulrike Kriener arbeitet mit verschiedenen Tools, je nach Anlass. Auch sie überprüft diese regelmäßig auf die Qualität: »Ich verfüge über sehr effiziente Persönlichkeitstests, auch für Führungskräfte, die den Testgütekriterien entsprechen. Die Trefferquote ist durch Maßschneidern in Bezug auf die Funktionsanforderungen deutlich erhöht. Es werden verschiedene Untertests zu einem Test zusammengefügt, je nachdem, welche Persönlichkeitseigenschaften für die jeweilige Funktion besonders wichtig sind.«
Tanja Abwa lässt ihre Tools regelmäßig anpassen: »Insgesamt haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Da sämtliche Tools regelmäßig auf ihre Validität hin geprüft werden, werden die Fragenbögen immer wieder angepasst. Man muss sich aber im Klaren darüber sein, dass kein Tool der Welt einen Menschen in seiner gesamten Persönlichkeit erfassen kann. Genauso wenig kann sichergestellt werden, dass Menschen die Fragebögen ehrlich ausfüllen. Alle Tools sind jedoch dazu in der Lage, auffällige Antwortmuster zu erkennen und als solche zu benennen. Am aussagekräftigsten sind zweifellos sogenannte 360°-Feedbacks, etwa von ASSESS by SCHEELEN® oder Zenger-Folkman, wo sich der Proband nicht nur selbst einschätzt, sondern auch von anderen Personen bewertet wird – je mehr Feedbackgeber, desto präziser das Ergebnis.«
Fazit
Es zahlt sich aus, auf Potenzialanalysen zu setzen. Der Markt ist groß, zahlreiche Billiganbieter versuchen hier mit standardisierten, nicht wissenschaftlich erprobten Lösungen das schnelle Geld zu machen. Hinterfragen sollte man unbedingt die Qualität der Ergebnisse, man sollte sich ebenso über den Test und den Anbieter informieren und bei Kollegen nachfragen, welche Erfahrung sie mit den einzelnen Tools gemacht haben.
Ein Tipp: Machen Sie selbst den Persönlichkeitstest, den Sie für Ihre Mitarbeiter ins Auge fassen. Was sagt das Ergebnis über Sie aus? Sind Sie überrascht oder fühlen Sie sich bestätigt?
Noch ein Tipp: Der Markt verändert sich schnell. Wenn Sie jetzt schon mit einem Tool arbeiten, hinterfragen Sie dieses! Vielleicht gibt es mittlerweile eine bessere Lösung, vielleicht aber haben Sie absolut aufs richtige Pferd gesetzt.