»Bildungscontrolling steckt in Österreich noch immer in den Kinderschuhen«, so begann ein Artikel im Magazin TRAiNiNG aus dem Jahr 2012. Ob sich seitdem etwas geändert hat und worauf Unternehmen besonders achten müssen, beschreibt dieser Artikel.
Bildungscontrolling ist mehr als ein »Happy Sheet« nach einem Seminar. Soviel hat sich mittlerweile herumgesprochen. Trotzdem gibt es auch heute noch nur ganze wenige Unternehmen, die ein professionelles Bildungscontrolling betreiben. Bildungscontrolling ist weit mehr als eine Seminarevaluation mittels Feedbackbögen. Es beinhaltet Themen wie Wissenstransfer, Kompetenzmanagement, HR-Analyse und vieles mehr. Lange bevor ein Seminar stattfindet, eruiert ein gutes Bildungscontrolling den eigentlichen Bildungsbedarf. In dieser Phase wird genau definiert, wie sich eine angestrebte (Verhaltens-)Änderung zeigen soll und wie sie gemessen werden kann. Seminare im Gießkannenprinzip auf Mitarbeiter zu »tröpfeln« ist wenig bis gar nicht zielführend. Und es ist auch irrelevant, ob es sich um ein »hartes« Verkaufsseminar handelt, oder um ein »weiches« Persönlichkeitsseminar.
Konrad Fankhauser (Geschäftsführer die Berater®): »Bildungscontrolling ist ein Querschnittsthema. Das heißt, es soll und muss unabhängig vom jeweiligen Seminarthema für alle Schulungsinhalte Gültigkeit haben. Egal also, ob es sich um eine Produktschulung handelt oder beispielsweise um ein sogenanntes Soft-Skill-Training, die Messstandards des Bildungscontrollings gelten für alle Inhalte gleichermaßen ohne Unterschied. Was sich ändert sind die Messmethoden – von reiner Wissensabfrage und Tests angefangen bis hin zu Fallarbeiten oder Rollenspielen –, mittels derer der Lernerfolg erhoben wird.«
Für diesen Artikel wollen wir folgende Definition für den Begriff verwenden: »Bildungscontrolling ist das Controlling von Bildungsaktivitäten, insbesondere von betrieblicher Fort- oder Weiterbildung mit dem Ziel, Planung, Durchführung und Kontrolle der Bildungsaktivitäten durch kontinuierliche Informationen zu unterstützen, diese aufzubereiten und Empfehlungen zu geben.« Bildungscontrolling ist also Arbeit, wenn es professionell und damit effektiv betrieben wird. Wir haben nachgefragt, warum es so selten in Unternehmen implementiert wird:
Christoph Blaha (Leitung Inhouse Trainings beim Controller Institut): »Im Bildungscontrolling sollte es darum gehen, die durch die Bildungsmaßnahme hervorgerufenen Verbesserungen in der täglichen Arbeitspraxis zu messen. Das ist allerdings schwierig und verlangt einen durchdachten, strukturierten und längerfristigen Prozess, an dem verschiedene Personen, beispielsweise Führungskräfte oder aber Kollegen, beteiligt sein müssen.« Es geht also nicht von heute auf morgen, das schreckt einige Unternehmen ab.
Magdalena Kleestorfer (Solution Development in der MDI Management Development GmbH) weiß weitere Gründe: »Erstens wird Weiterbildung in vielen Unternehmen immer noch nicht als strategische Maßnahme betrachtet. Zweitens stellt ein effektiv aufgesetztes Bildungscontrolling in einem ersten Schritt eine Investition dar. Drittens erfordert echtes Bildungscontrolling Mut, es ist ein öffentliches Geheimnis, dass man mit einem effektiveren Bildungscontrolling an der Lern- und Fehlerkultur des Unternehmens kratzt.«
Petra Mitterlehner (Senior Beraterin bei 5p Consulting GmbH) kennt weitere Ursachen, warum zu wenig in dieser Richtung unternommen wird: »Elemente des Bildungskostencontrollings setzen so gut wie alle Unternehmen ein. Viele erheben die (direkt zurechenbaren) Kosten von Bildungsmaßnahmen. Kosten und Effizienz sind aber klarerweise nur eine Seite der Medaille, die zweite Seite entwickelt sich z. B. entlang der bekannten Evaluations-Treppe nach Kirkpatrick: Reaktion – Lernerfolg – Verhalten – Ergeb-nis. Während noch rund 70 % auf der Ebene von Reaktion direkt bei Abschluss einer Maßnahme – mit klassischen Feedbackbögen – ansetzen, sind es auf der 4. Stufe beim Ergebnis nur mehr rund 7 % (ASTD 2002). Die Gründe sind vielfältig und je nach Stakeholder-Gruppe unterschiedlich. Führungskräfte, HR, Teilnehmer, Geschäftsführer, Anbieter – jede einzelne Gruppe kommt mit einem individuellen Mix an Gründen daher. Beispiele sind der vermutete hohe Aufwand, der in der Entwicklung von Systemen oder im laufenden Betrieb steckt, zusätzliche Kosten, unüberprüfte Annahmen zur schwierigen Erhebbarkeit, Befürchtungen über ausbleibenden Transfererfolg oder alternativ über Mehraufwand und Bürokratisierung, oft sind auch einfach Führungskräfte (noch) nicht als Partner der Personalentwicklung gewonnen, unklare Ziele oder auch nur Gewohnheit etc.«
Richtige Evaluierung
Wie geht es denn nun richtig? Wer ist dafür verantwortlich? Und was umfasst Bildungscontrolling in seiner Gesamtheit?
Petra Mitterlehner kennt die fünf wichtigen Elemente: »Es müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:
Die Bereitschaft des Unternehmens, Wirkungen und Ergebnisse konsequent zu definieren, zu erheben und nachzuverfolgen – das ist vor allem zu Beginn mit Aufwand verbunden, letztlich wird dieser aber zur Transfermaßnahme. Ein Beispiel: Je genauer Führungskraft und Mitarbeiter bzw. HR und Anbieter herausarbeiten, was nach einer Maßnahme konkret anders sein soll – also die Transferziele so konkret wie möglich herausarbeiten –, desto stimmiger und fokussierter werden sowohl Seminar als auch Umsetzungsplanung, Umsetzung und Evaluation möglich sein.
Die relevanten Stakeholder (ihre Erwartungen und Ziele) wie Geschäftsführung, Führungskräfte, HR, Teilnehmer, BR, Anbieter in den Prozess müssen unbedingt miteinbezogen werden.
Rahmenbedingungen analysieren und transferorientiert gestalten (vom ROI zum ROE, Arbeiten mit Trainings- und Transferzielen, Etablieren von Transferarchitekturen, definierte Kompetenzen, gegebenenfalls KPIs)!
Evaluation definierter Ziele zu vereinbarten Zeitpunkten.
Analyse und Kommunikation mit den Stakeholdern zur Zielerreichung und gegebenenfalls Anpassungen.«
Wie einzelne Schritte konkret in die Praxis umgesetzt werden könnten, beschreibt Magdalena Kleestorfer: »Wir erzielen momentan große Erfolge mit dem Einsatz einer Plattform, die es uns ermöglicht, Lerntransfer zu managen und zu messen. Die Plattform ›Promote‹ dient dazu, den Entwicklungsprozess strukturiert aufzubauen und die Präsenzmodule in Vor- und Nachbereitungsphasen einzubetten. Dabei verbindet die Plattform die Teilnehmer mit ihren Kollegen, den Führungskräften, HR und den Trainern. Der gesamte Prozess wird abgebildet und alle Unterlagen, Werkzeuge und Informationen finden sich auf der Plattform. Wir definieren Ziele und Praxisaufgaben zur Vor- und Nachbereitung, die es den Teilnehmern erlauben, das Gelernte im Arbeitsalltag auszuprobieren. Dabei spielen die Führungskräfte eine wichtige Rolle. Sie unterstützen die Teilnehmer beim Transfer in die Praxis, indem sie die Teilnehmer durch laufendes Feedback begleiten, gemeinsam Ziele und Aufgaben definieren, diese laufend bearbeiten und Möglichkeiten für die Praxis schaffen, das Gelernte umzusetzen. Dabei wird von allen Teilnehmern transparent abgebildet, was erledigt wurde und was nicht. Das erlaubt uns, den Erfolg messbar zu machen. Spannend ist, dass sich die Rolle aller Beteiligten verändert, indem wir noch näher und noch tiefer in das Unternehmen und die Zielgruppe eintauchen und uns wirklich mit dem auseinandersetzen müssen, was die Teilnehmer in der Praxis brauchen. Die interne Personalentwicklung muss viel strategischer an Entwicklungsmaßnahmen herangehen. Die Führungskräfte nehmen ebenfalls eine neue Rolle als Entwicklungsbegleiter ein, und die Teilnehmer kommen nicht mehr durch mit zwei Tagen ›Berieselung‹, sondern beginnen eigenverantwortlich das Gelernte in den Alltag einzubetten und sich weiterzuentwickeln.«
Die Frage nach dem Lernerfolg ist wohl eine der wichtigsten innerhalb dieses Themas: Hat eine Erweiterung von Wissen und eine Erweiterung der Fertigkeiten und Fähigkeiten stattgefunden?
Konrad Fankhauser weiß, wie das gemessen werden kann, und welche Grenzen es gibt: »Es geht im Wesentlichen um die Festsetzung von methodischen und didaktischen Standards (z. B. Überprüfung des Gelernten mittels Fallarbeit, Test oder Gruppenarbeit zu festgesetzten Zeitpunkten im Verlaufe der Maßnahme) im Maßnahmendesign, mit deren Hilfe ein systematischer Rückfluss an Informationen sichergestellt werden kann, ob und in welchem Umfang Wissen und Fertigkeiten erweitert wurden. Einschränkend muss allerdings auf die Grenzen des Bildungscontrollings hingewiesen werden: Nicht alles ist messbar! Es lässt sich im Kontext von Bildung eben nicht alles in Zahlen ausdrücken und schlüssig abbilden.«
Zuständigkeit
Die Zuständigkeit für das Bildungscontrolling ist ein häufig diskutiertes Thema. Ist der Bildungsanbieter oder das Unternehmen dafür verantwortlich? Und wenn das Unternehmen zuständig ist, welche Abteilung? Personal? Finanzen? Organisation? Controlling?
Christoph Blaha: »Gutes Bildungscontrolling passiert sehr stark im Unternehmen selbst und ist ein längerfristiger Prozess. Seriöse Bildungsanbieter unterstützen die Unternehmen allerdings dabei und treiben zum Beispiel den Prozess voran oder stellen Methoden und Tools zur Verfügung.«
Für Konrad Fankhauser ist es wichtig, dieses Thema bei der Auftragsklärung zu besprechen: »Als Bildungsanbieter sehen wir uns in der Pflicht, über die Ergebnisse und den Lernerfolg der jeweiligen Bildungsmaßnahme dem Kunden auch eine qualifizierte und verwertbare Rückmeldung geben zu können. Die wichtigsten Fragen allerdings sind am schwersten zu beantworten: Wie hoch ist der ROI? Was hat das Training für den Geschäftserfolg gebracht? Den Geschäfts-/Praxiserfolg kann nur das Unternehmen selbst ermitteln. Im Wesentlichen geht es dabei um die Ermittlung von Kennzahlen durch die Schulungsverantwortlichen in den jeweiligen Firmen. In puncto Ermittlung des Unternehmenserfolgs sehen wir unsere Aufgabe und Rolle darin, den Kunden auf aussagekräftige Parameter hinzuweisen und bei der Festlegung entsprechender Kennzahlen (z. B. Zeitersparnis, verbesserte Arbeitsqualität, verringerte Unfallquote, weniger Krankheitstage, kürzere Entscheidungsprozesse, effektivere Meetings, einheitliche Führung, weniger Konflikte, weniger Kundenbeschwerden) zu beraten.«
Petra Mitterlehner sagt über die Zuständigkeit: »Führungskräfte, HR, Teilnehmer und Anbieter in Kooperation. Lernen und Entwicklung finden klarerweise nicht nur im Seminarraum statt, sondern zum überwiegenden Teil am Arbeitsplatz. Entwicklungsmaßnahmen geben Impulse, trainieren Verhalten, bereiten auf die Umsetzung vor etc. Die Inhalte werden dann von den Teilnehmern in ihren Arbeitsalltag übertragen. Transfererfolg ist eine Co-Produktion und daher auch die Erfolgsmessung – mit Verantwortung für die jeweiligen Sequenzen, die die beteiligten Personen beeinflussen können und in diesem Sinne aber auch gleichzeitig die anderen Bereiche mitdenkend.«
Evaluierungsbögen
Haben Sie schon einmal bei einem Vortrag gehört, dass jede Präsentation besser wird, wenn sie ohne PowerPoint auskommt? Kürzlich gab es so einen Vortrag, dieser wurde übrigens mittels PowerPoint präsentiert. Das ist natürlich etwas skurril und widersprüchlich. Ähnlich verhält es sich, wenn in einem Artikel über Bildungscontrolling Tipps für das richtige Erstellen eines Fragebogens gegeben werden, obwohl der Artikel an anderer Stelle aufzeigt, dass eine reine Stimmungsabfrage nach einem Seminar ziemlich unnötig ist. Da wir aber nun einmal wissen, dass nicht jedes Unternehmen nach der Lektüre dieses Artikels sofort ein professionelles Bildungscontrolling einsetzt, möchten wir diesem Thema hier dennoch etwas Raum geben. Denn ein Evaluierungsbogen lässt sich schnell umgestalten. Was sagen unsere interviewten Experten?
Christoph Blaha: »Achten Sie auf die Fragestellung und Formulierung. Minimale Veränderungen bringen deutlich unterschiedliche Ergebnisse. Ein Grund mehr, diese Form der Evaluierung kritisch zu hinterfragen. Außerdem macht es Sinn, nicht (nur) direkt im Anschluss an das Seminar zu fragen. Häufig hilft es, das Seminar und dessen Wirkung mit zeitlicher Distanz – zum Beispiel zwei Monate später – zu betrachten. Je nach Themenstellung kann aber auch eine Evaluierung nach einem oder sogar mehreren Jahren hilfreich sein.«
Magdalena Kleestorfer: »Packen Sie Ihre Teilnehmer in den Feedbackbögen an der Eigenverantwortung. Stellen Sie Fragen wie: ›Was habe ich zum Training beigetragen?‹, ›Welche Relevanz hat das Gelernte für mich?‹, ›Wie zuversichtlich bin ich, dass ich das Gelernte im Arbeitsalltag umsetzen werde?‹, ›Wie werde ich nun mit dem Gelernten umgehen, wo im Arbeitsalltag habe ich Möglichkeiten, das Gelernte einzusetzen und wer kann mich dabei unterstützen?‹ usw. Gehen Sie weg von den uns allen bekannten ›Happy Sheets‹, die vorrangig die Leistung des Trainers und nicht die Bereitschaft der Teilnehmer evaluieren.«