Der Verhaltensbiologe Gregor Fauma teilt diesmal ein paar Gedanken zum Thema Führung: Leadership als evolutionäres Erbe unserer Vorfahren.
Als die Menschen vor Millionen Jahren in den Savannen Afrikas lebten, waren sie, verglichen mit ihren Feinden aus der Raubtierszene, klein, schwach und schmächtig. Sie waren eher die Opfer in der Savanne. Zudem waren sie nicht sonderlich schnell oder behände – und somit leicht zu erntende Beute. Dass sie diese Zeit trotzdem überlebt und in Folge sukzessiv den Planeten sich Untertan gemacht haben, liegt unter anderem an ihrem Sozialverhalten. Ohne Sozialverhalten keine Menschheit – ein simpler Nenner. Wir waren auf einander angewiesen, konnten nur in der Gruppe erfolgreich jagen, nur in der Gruppe erfolgreich Raubtiere und andere Bedrohungen abwehren und uns nur in der Gruppe vermehren.
Interessant ist, wie so eine Gruppe funktioniert: Sobald mehrere Organismen zusammenwirken, braucht diese neue Entität so etwas wie Koordination. Irgendjemand bzw. irgendetwas muss diese neue Einheit vulgo Gruppe ja bewegen und führen können. Beim Zell- und Organhaufen »Mensch« übernimmt diese Aufgabe das Gehirn, bei Menschengruppen macht dies eine Führungskraft.
Wenn sich Menschen, aus welchen Gründen auch immer, zusammenrotten, kristallisieren sich recht flott einige wenige Individuen heraus, denen bereitwilliger zugehört wird, denen Kompetenzen zugetraut werden und deren Entscheidungen eher mitgetragen werden. Aber diese Eigenschaften sind attribuiert! Es sind immer die anderen, die Koordination/Führung einem Menschen zugestehen. Ohne die Duldung der Gruppe kann es keine Gruppenkoordination geben.
Untersucht man bei Tieren, wer in der Gruppe Entscheidungen trifft, so sind es jene, die die Neigung besitzen, früher als andere Gruppenmitglieder in Koordinationsfragen zu reagieren. Und auch bei uns Homo sapiens ist es so. Gerade bei Kinder-Banden kann man feststellen, dass es die Initiativeren sind, denen Gruppenführung zugestanden wird. Die Initiative rührt entweder aus einer gegenüber den »Kontrahenten« schnelleren Idee zu einem Thema, oder aus einem den Kontrahenten gegenüber manifesten Wissensvorsprung: »Ich weiß, wo der Schatz vergraben sein könnte – schnell, laufen wir dort hin …!«, hört man das Kind rufen und in Folge die Bande johlend dorthin führen. Wer schneller im Kopf ist, wer Gesamtsituationen schneller und besser erfasst, hat gute Chancen, von der Gruppe als Führungskraft anerkannt zu werden. Kommt noch eine geschickte soziale Komponente hinzu (»Magst mein Stellvertreter sein?«), sichert sich der Leader seine Funktion erst einmal ab. Und das soll bei Erwachsenen anders sein? Gerade die Gene sind wesentlich dafür verantwortlich, mit welchem Hormonhaushalt ein Mensch ausgestattet ist, wie klug und dominant er ist und wie sich das auf dessen Verhalten auswirkt. Es sind Dominanz und Aggression (Testosteron), welche eine Führungsübernahme in manchen Situationen leichter machen. Aber auch Vertrauen und Bindungsfähigkeit (Oxytocin) sind wichtig, wenn es um das Etablieren von Führungsansprüchen geht. Oxytocin hilft dem Leader, sich in die Bedürfnisse seiner Gruppenmitglieder zu denken. Geschick in Körper und Geist scheinen die Grundvoraussetzungen für attribuierte Führungskompetenz zu sein. Wer seinen Führungsanspruch signalisieren möchte, muss demnach geistige wie körperliche Wendigkeit bzw. Geschick deutlich nach außen tragen.