15 Vorträge und ein Überraschungssieger

Der 4. österreichische Speaker-Slam fand am 20. April 2018 in der Marx-Halle im Rahmen
des »4Game Changers Festival« statt und brachte einen ganz untypischen Gewinner.

Das Grundformat war gegenüber dem Vorjahr unverändert. 15 Speaker treten für jeweils 7 Minuten vor Jury und Publikum auf und mit ihren Reden gegen einander an. Und doch war einiges neu: Die Jury saß nicht mehr auf der Bühne, sondern in der ersten Reihe im Publikum. Der Speaker-Slam fand auf der Entertainment-Stage statt – also auf einer Nebenbühne. Und es gewann erstmals ein Schweizer, und zwar ein ziemlicher Außenseiter: der älteste Teilnehmer im Feld, mit grauer Glatze und rotem Sakko. Aber der Reihe nach.

Roman Kreid eilt lockeren Schrittes auf die Bühne, begrüßt Jury und Publikum und versucht, möglichst viele Menschen aus der großen Halle dazu zu motivieren, bei der Bühne Platz zu nehmen und den Reden zu lauschen. Dann stellt Roman (hier sind alle per Du – schließlich sind wir alle Gamechanger) Alexandra Wachter als Moderatorin der Veranstaltung vor – und damit ist sein Part auch schon erledigt. Alexandra erklärt Regeln, Ablauf und Details des Speaker-Slam und stellt die Jury vor: Martina Kapral (Inhaberin der Potential AG), Thomas Mohr (Moderator und Anchorman bei Puls 4), Hermann Scherer (Scherer Academy) und Christoph Wirl (Magazin TRAiNiNG). Alexandra zählt dann die Preise auf, die auf den Gewinner warten und fragt die Jury, worauf es ankommt: Es geht darum, zu überzeugen und im Publikum etwas auszulösen.
Und dann betritt auch schon die erste Rednerin die Bühne, um genau das zu versuchen. Sie singt ein Loblied auf den Flow. Flow sei kein Zielzustand, sondern unser natürlicher Seinszustand. Quasi unsere Werkseinstellung, immer da, vielleicht aber überlagert. Sie will uns zwar Tipps geben, wie man in diesen Flow kommt, dafür reicht dann aber die Zeit nicht. 7 Minuten sind wirklich kurz. Alle geplanten Inhalte unterzubringen, damit kämpfen die meisten Teilnehmer an diesem Vormittag. Dieses Limit wird aber gnadenlos exekutiert, nach genau 7 Minuten setzt Musik ein, die sehr schnell so laut wird, dass man den Speaker nicht mehr hören kann. Es folgen:

  • Ein Plädoyer fürs Hier und Jetzt (denn es gibt keine Endstation Glück),
  • eine Anleitung, wie man mit einem Start-up die Welt ein kleines Stück besser machen kann,
  • ein Energiebündel, das verspricht, wie ein Vulkan zu sprühen und dazu auffordert, die (guten) Pläne auch tatsächlich umzusetzen,
  • eine Dame in Weiß, die Lust darauf hat, den Zuhörern die schlechte Laune zu verderben,
  • ein Herr im Dreiteiler ohne Krawatte, der davon überzeugt ist, dass Intuition und Kreativität ganz besonders wichtig sind – und mit recht schrägen Showeinlagen probiert, auch das Publikum davon zu überzeugen,
  • ein junger Mann, der mit der zentralen Aussage »Die Arbeit kann man nicht mögen!« und einer Portion Humor zu punkten versucht,
  • Barbara Messer, die in wunderschöner Sprache und ebensolchem Ausdruck dazu auffordert, aus jeder Situation das Beste zu machen (»Es gibt Menschen, die bleiben liegen und solche, die stehen auf.«),
  • ein netter Mann in blauem Anzug mit Mascherl und Stecktuch, der dem Publikum erklärt, wie man am besten sein Geld investiert (»Werden Sie Millionär, Sie haben es sich verdient!«), vor allem aber vor Anlage-Experten und deren Tipps warnt,
  • ein Aufruf, mehr Leben in unseren Alltag zu zaubern,
  • die Prophezeiung, dass sich durch die Digitalisierung und den Generationenwechsel alles grundlegend verändern wird,
  • der fesche Zillertaler Alfred Stock, der in seinem wunderbaren Vortrag sehr überzeugend darlegt, dass unsere vermeintlichen Defizite unsere größten Potenziale beinhalten und dazu aufruft, die negativen Gefühle wertzuschätzen, um so als Mensch ganz zu werden,
  • eine Ärztin, die wütend darüber ist, dass viele Menschen nichts für ihre Gesundheit tun, obwohl genau das nicht schwer wäre
  • und eine gute Anleitung, wie man aus Krisen Kraft schöpfen kann.

Nach 7 Frauen und 7 Männern (7 davon aus Österreich, 7 aus Deutschland) betritt Marcel Weber aus der Schweiz als Letzter für seine 7 Minuten die Bühne. Gemächlich geht der zumindest optisch deutlich älteste Redner zur Bühnenmitte und beginnt einfach zu erzählen. Er steht ruhig da – ohne große Gestik, ohne besondere Mimik – und erzählt eine Geschichte. Das macht er aber besonders gut und auf eine Art und Weise, die das Publikum an seinen Lippen hängen lässt. Und es ist auch eine besonders gute Geschichte: eine unglaubliche Begebenheit, zu deren Entstehung er selbst maßgeblich beigetragen hat. Dabei musste er viele Hindernisse überwinden. Was zunächst unmöglich erschien, wurde möglich und in weiterer Folge zu einem vollen Erfolg. Wer etwas über Aufbau, Dramaturgie und Spannungsbogen von guten Geschichten weiß, erkennt schnell: Diese hat alles, was es braucht. Und niemand auf der Welt kann diese Geschichte besser erzählen als Marcel Weber, denn er hat sie im echten Leben selbst geschrieben. Das merkt man als Zuhörer in jeder Sekunde seines Vortrags, der auch deswegen so gut gelingt, weil er ihn schon oft gehalten hat. Was er sonst in 30 Minuten erzählt, musste er diesmal in 7 Minuten unterbringen. Ein weiteres Kürzen wäre wohl nur mit Verlusten in Aussage und Wirkung möglich. Daher wird hier auch nichts über den Inhalt verraten, nur so viel: Es geht auf wunderbare Weise um Menschen und ihre Wünsche für die Zukunft – und somit ums Menschsein an sich.
Mit seinem Auftritt erreicht er genau das, was sich die Jury von den Speakern erwartet: das Publikum zu fesseln und in den Zuhörern etwas auszulösen. Ist er generell ein guter Redner, der auch andere Themen mit einer ähnlichen Wirkung vortragen kann? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Völlig egal: Diese eine Rede ist hervorragend. Lassen Sie sich diese Geschichte von Marcel Weber erzählen!

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