Moderne Anbieter von Sprachtrainings versuchen, eine neue Sprache möglichst gehirngerecht zu vermitteln. Wie das funktioniert und welche Tipps Experten geben können, um eine Fremdsprache zu erlernen, lesen Sie in diesem Artikel.
In der Schule gab es diejenigen, die leicht eine Fremdsprache erlernten und kaum Probleme damit hatten und andere, die sich damit sehr plagten. Waren die einen dümmer und die anderen klüger? Wohl kaum! Vermutlich hat es mitunter an der Lehrmethode gelegen. Das darf man heute schon annehmen – in Zeiten des gehirngerechten Lernens.
Mittlerweile gibt es sehr gute hirngerechte Ansätze, wie Vokabeln, Grammatik und die »Seele einer Sprache« vermittelt werden können, sodass für jeden eine Form gefunden werden kann, wie er eine Fremdsprache lernen kann, denn Sprachen zu beherrschen ist das Um und Auf in der Wirtschaft. Englisch ist klarerweise Grundvoraussetzung, doch der Trend, in einer zweiten Fremdsprache auf relativ gutem Niveau kommunizieren zu können, ist steigend. TRAiNiNG hat bei Sprachlerninstituten nachgefragt, wie hirngerechtes Lernen einer neuen Fremdsprache aussehen sollte.
Walter Grubanovitz (bei mind&more corporate language training Geschäftsführer): »Es gibt keine einzig wahre Methode des Sprachenlernens, aber es gibt zahlreiche Faktoren, die zu einem besseren Ergebnis führen – die Erkenntnisse der Gehirnforschung und der neuesten didaktischen Ansätze berücksichtigend. Oberstes Gebot muss sein, dass der Lernende einen Gesamtüberblick über den Prozess hat. Das bedeutet, dass die Rahmenbedingungen des Sprachtrainings für den Lernenden klar sind, dass das Ziel und der Weg dorthin definiert sind und dass es konkrete Maßnahmen zur Umsetzung gibt. Das schafft Sicherheit durch Transparenz. Für Trainer entscheidend ist auch, dass der Lernende neugierig, interessiert und motiviert ist. Nur wenn ich weiß, wofür ich etwas mache, ist auch mein Gehirn bereit und schaltet auf ›Aufnahme‹. Beim Training eines solcherart motivierten Lernenden ist es dann von großer Bedeutung, alle Sinne anzusprechen, um möglichst viele ›Schaltstellen‹ zu aktivieren. Der bekannte Mix aus schriftlichen und mündlichen Fertigkeiten ist ein Garant für das Weiterkommen. Außerdem förderlich für erfolgreiches Sprachenlernen sind Wiederholung und Nachahmung des Gelernten im Wechsel mit den Phasen der Pausen, also der Konsolidierung des Wissens.«
Wolfgang Reis (Geschäftsführer Biz.talk Language Consulting Grill & Reis OG) ist Experte auf dem Gebiet des Sprachenlernens: »Langweiliges Vokabellernen, wie wir es noch aus der Schule kennen, ist out. ›Anzug – suit‹, ›Sonne – sun‹, ›Sprache – language‹ etc. Das ist nicht nur unspannend für Sie, sondern auch für Ihr Gehirn. Dieses hat genügend andere Dinge zu tun, als sich von sinnentleerten und aussagelosen Wortkombinationen fadisieren zu lassen. Wenn die Lernzeit also produktiv sein soll, müssen Sie Ihr Gehirn motivieren. Das können Sie mit den verschiedensten Mitteln machen – am besten, Sie wenden alle gemeinsam an:
Folgen Sie keinem Standardprogramm, sondern lernen genau das, was für Sie wichtig und interessant ist und was Sie brauchen können, egal ob im nächsten Urlaub oder bei Ihrer nächsten internationalen Konferenz.
Ihr Gehirn wird keine Energie in die Bereithaltung von Wissen investieren, wenn es bemerkt, dass dieses gar nicht benötigt wird.
Belohnen Sie Ihr Gehirn für seine Leistung. Sorgen Sie für Wohlbefinden oder sogar Hochgefühle, und Ihr Gehirn wird dazu animiert, das Gelernte zu wiederholen und nicht zu vergessen. Die neue Information wird im Gehirn hin- und hertransportiert und mit bestehendem Wissen in verschiedensten Gebieten verknüpft.
Bewegen Sie sich beim Lernen. Das Gehirn ist ein aktives Organ und funktioniert bei Bewegung besser als beim ruhigen Herumsitzen. Der positive Nebeneffekt: So bauen Sie gleichzeitig auch noch Stress ab.«
Sprachenlernen hat noch einen weiteren, wichtigen Vorteil: Unser Gehirn mag Beanspruchung. Forscher haben herausgefunden, dass das Erlernen von neuen Sprachen einer der besten Wege ist, um Erkrankungen wie Demenz in Schach zu halten. Personen, die mehr als eine Sprache aktiv verwenden, zeigen erkennbare Alzheimer-Symptome im Durchschnitt erst rund fünf Jahre später als Menschen, die nur eine Sprache verwenden. Doch das Gehirn eines jeden Menschen ist anders. Daher ist im Sprachunterricht auch Individualität besonders wichtig.
Martina Jeric-Ruzovits (Geschäftsführerin CL: CasaLinguae e.U.): »Da unsere Hirne alle anders ›ticken‹ und demnach auch jeder einzelne Teilnehmer im Sprachunterricht anders lernt, ist es wichtig, genau auf die Bedürfnisse der einzelnen Person oder der Gruppe einzugehen. Noch bevor der Unterricht beginnt, sollte der Trainer durch kurze Fragen feststellen, wie jeder Teilnehmer gerne lernt und was er benötigt, um das Bestmögliche aus sich herauszuholen. Vielleicht lernt es sich für manche leichter, wenn sie sich bewegen können; andere sind es gewohnt, beim Lernen etwas zu essen und einige merken sich Vokabeln durch das Erzählen von Geschichten. Die Planung des Sprachunterrichts und der Unterrichtsstunden erfolgt bei uns basierend auf den einzelnen Lerntypen der Teilnehmer. Ich bin der Meinung, dass es in einer privaten Sprachschule möglich sein sollte, die Lerntypen in die Gestaltung des Unterrichts zu integrieren, denn nur so können wir garantieren, dass der Großteil der Teilnehmer zufrieden mit sich ist und am Ende des Kurses sagt: ›Ich habe etwas gelernt, und das Gelernte kann ich auch tatsächlich anwenden.‹«
Petra Gartner (Director CEF Competence Center East (CCE) der KERN CEF) über die »Arbeitsweise« unseres Gehirns: »Gehirngerechtes Sprachenlernen bedeutet, die Funktions- und Arbeitsweise des Gehirns bei der Konzeption von Trainingsmaßnahmen zu berücksichtigen. Wir wissen, dass unser Hirn Informationen besonders gut speichert, wenn mehrere Gehirnbereiche bei der Aufnahme und Verarbeitung stimuliert werden. Wir behalten beispielsweise etwa 20 % von dem, was wir hören und 30 % der Informationen, die wir sehen. Hören und sehen wir aber gleichzeitig, übertragen sich bis zu 70 % zumindest ins Kurzzeitgedächtnis. Statt also nur linear im Frontalunterricht Grammatikregeln runter zu beten, ist mit einem kreativen, aktiven, mit medialem Anschauungsmaterial gestützten Ansatz eine deutlich höhere Aufnahme- und Merkfähigkeit erreichbar. Wir wissen aus der Hirnforschung, dass gerade zu Beginn eines Lernprozesses positive Verstärkung und der Spaßfaktor elementar für nachhaltige Erfolge sind: Unser Gehirn ist zu beträchtlichen Problemlösungsleistungen imstande, aber es ist von Natur aus faul und muss belohnt werden. Hier schafft man über viele erfolgreiche Zwischenschritte beim Sprachenlernen schnelle intrinsische Motivation und Freude. Zuletzt muss auch die Individualität des Lernenden berücksichtigt werden.«
Früher in der Schule wurde vor allem für kurzfristige Erfolge gestrebert, um bei einer Schularbeit oder einem Test positiv abzuschneiden. Den Schülern war es relativ egal, das Gelernte nachhaltig zu verankern, zu gering war der erkennbare Nutzen. Das hat für unser Hirn vor allem eines verursacht: Stress! Und dass Stress für Lernerfolg nicht förderlich ist, wissen wir schon länger.
Petra Gartner kennt die Gründe, warum der Sprachunterricht in der Schule nicht optimal ist: »Schulbücher werden für Lehrer geschrieben und können so nicht schülergerecht, geschweige denn gehirngerecht sein. Das lässt sich auch zahlenmäßig belegen: Junge Menschen kennen zwei Jahre nach dem Abitur nur noch 10 % des Stoffs, weil die Nutzbarkeit der Sprache überhaupt nicht vermittelt wurde. Professionelle Anbieter verfolgen daher einen gänzlich anderen Ansatz: Die Nutzbarkeit der Sprache steht an erster Stelle, stumpfes Vokabeln und Grammatik Pauken entfällt. Methodisch und didaktisch stehen die Reduzierung von Berührungsängsten mit der Sprache sowie deren aktive Anwendung im Zentrum. Abwechslungsreiche Konzepte zur Informationsaufnahme (visuell, akustisch und kinästhetisch) werden in einem inhaltlich realitätsnahen Kontext angeboten und legen zu Beginn keinen großen Wert auf perfektes, fehlerfreies Schreiben und Sprechen zugunsten einer schnellen, erfolgreichen Kommunikationsgrundlage, die den Nutzen der Sprache schnellstmöglich vermittelt.«
Martina Jeric-Ruzovits erinnert sich an ihre Schulzeit zurück: »Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, hatten wir meist einen Frontalunterricht. Die Schüler wurden nicht in den Unterricht miteinbezogen und es wurde schon gar nicht darauf eingegangen, wie der einzelne Schüler besser lernen oder von welcher Methode er denn eventuell profitieren könnte. Den Unterricht lerntypengerecht zu gestalten, gibt den Teilnehmern die Chance, auf eine andere Art und Weise neue Vokabeln oder Sätze in einer Fremdsprache zu erlernen und besser zu merken. Glauben Sie nicht auch, dass es sich mit Musikuntermalung oder mit (gesunden) Naschereien am Tisch entspannter lernt? Einige würden sofort mit ›ja‹ antworten, andere wiederum nicht. Und um genau das geht es. Herauszufinden, was jeder Einzelne im Unterricht braucht, um sein Ziel zu erreichen.«
Vokabeln lernen
Wer erinnert sich nicht an sein Vokabelheft mit den zwei Spalten. Links Deutsch, rechts z. B. Englisch. Die rechte Spalte abdecken und los geht’s. Wirklich Freude daran hatte wohl niemand.
Walter Grubanovitz spricht im Interview über sinnvolleres Vokabeln Lernen: »Unser Gehirn ist ein großer Vernetzer. Alles, was man zueinander in Beziehung stellen kann und wo man an bestehendes Wissen anknüpfen kann, erlernt man leichter und schneller. Dieser Ansatz kommt aus der konstruktivistischen Lerntheorie, die den Trainer gleichsam als ›Ermöglicher‹ sieht, der Lerninhalte anbietet. Ausschlaggebend für den Trainingserfolg ist aber der Lernende. Es liegt an ihm, an seinen Werten, dem Wissen, den Vorerfahrungen und seinen Überzeugungen, wie er dieses Wissen verknüpft. Ein Beispiel dafür ist das Erlernen von Vokabeln in einem Kontext, z. B. ›my brother goes to school by bus‹ anstatt nur ›to go by bus‹ zu lernen.«
Martina Jeric-Ruzovits: »Das Problem mit dem Auswendiglernen ist, dass die Kursteilnehmer sich zwar die einzelnen Wörter merken, sich aber schwertun, wenn es darum geht, vollständige Sätze zu bilden. Um sicherzustellen, dass die Teilnehmer nicht nur die einzelnen Vokabeln erkennen, sondern den gesamten Kontext verstehen, ist es im Sprachunterricht besonders wichtig, die gelernten Vokabeln auch tatsächlich anzuwenden. Ein Tipp von mir ist, fünf bis sieben Wörter in den beruflichen Alltag oder im privaten Leben einzubauen. Im Unterricht werden die Wörter ausgesucht und man überlegt gemeinsam, wo man sie denn eventuell einbauen könnte, wie z.B. in einer E-Mail, in Gesprächen mit Kollegen, Freunden oder der Familie. Eine Methode, die sich im Unterricht oft bewährt hat, ist ein Bild im Kopf des Teilnehmers zu erschaffen, an das er sich erinnert – eine Eselsbrücke sozusagen.«
Wolfgang Reis: »Die Kombination ›Anzug – suit‹ ergibt für das Gehirn überhaupt keinen Sinn. Und sinnloses Lernen ist nicht effizient. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Vokabel lernen sinnvoll zu gestalten. Eine ist das De-Kodieren nach Birkenbihl. Bei dieser Methode nehmen Sie einen ganzen Satz in der Zielsprache her und übersetzen Wort für Wort in die Ausgangssprache. Mit zunehmendem Lernfortschritt denken Sie in der Zielsprache und benötigen die Übersetzung nicht mehr.«
Lernsetting
Online, face-to-face, Klassenräume, Autodidaktisch und viele weitere Settings sind für das Lernen denkbar. Jeder Mensch tickt hier anders und wünscht sich andere Rahmenbedingungen.
Petra Gartner: »Die Frage nach dem besten Lernsetting ist wie die Frage nach der besten Diät – selbst das beste Konzept oder Programm ist wirkungslos, wenn der ›Schüler‹ es nicht im Rahmen seiner beruflichen und privaten Anforderungen realisieren kann. Häufig hat sich zudem erwiesen, dass eine Kombination verschiedener Lernsettings zielführend ist. Blended-Learning-Strategien mit einem Anteil selbstbestimmten Lernens sowie Präsenzeinheiten in möglichst kleinen, homogenen Gruppen oder im Einzelunterricht zeigen in Kombination mit Exkursionen in den späteren Anwendungsbereich große Erfolge. So kann auf persönliche Bedürfnisse und zeitliche sowie örtliche Voraussetzungen eingegangen und eine sinnvolle Verknüpfung von Theorie und Praxis gewährleistet werden.«
Walter Grubanovitz: »Das beste Lernsetting ist jenes, in dem man motiviert und positiv gefordert wird, das alle Sinne anspricht und das einen Methodenmix anbietet, aus dem jeder Lerntyp seine Erkenntnisse schöpfen kann und so seine Assoziationen am besten anwenden und verknüpfen kann. Abhängig vom Lerntyp sind natürlich auch elektronische Lernmöglichkeiten eine gute Erweiterung für das Sprachtraining. Für die einen ist eine Vokabel-App ausreichend, andere erledigen mit Eifer ihre Übungen online.«
Martina Jeric-Ruzovits: »Es gilt herauszufinden, wann sich der Teilnehmer am wohlsten fühlt. Am besten in oder sogar noch vor der ersten Stunde. Nur dann ist ein nachhaltiger Lernerfolg gegeben. Ein paar Fragen reichen aus, um zu sehen, was er oder sie braucht, um eine Sprache nachhaltig zu lernen. Viele Dinge kann man als Lernender nicht beeinflussen. Wenn man zum Beispiel nur am Abend Zeit hat, einen Sprachkurs zu besuchen, aber überhaupt nicht der Typ Mensch ist, der gerne am Abend lernt, dann kann sich das Lernen schwierig gestalten. Wenn der Trainer das aber weiß, kann er prüfen, welche Rahmenbedingungen der Teilnehmer noch benötigt, um ihn beim Lernen zu unterstützen. Vielleicht hilft es ihm, in Kleingruppen gewisse Themen zu erarbeiten und er vergisst, dass es schon 20 Uhr abends ist und er bereits auf der Couch sitzen möchte.«
Wolfgang Reis: »Schaffen Sie sich eine angenehme Lernumgebung, in der Sie sich wohlfühlen. Wie diese aussieht, hängt ganz von Ihnen ab und ist individuell. Ihr Gehirn wünscht sich Belohnung und Hochgefühle. Es wird die neuen Informationen besser verarbeiten und mit mehr Verknüpfungen und Abrufmöglichkeiten versehen.«
Fazit
Sprachen lernen funktioniert vor allem dann nachhaltig, wenn die Motivation, die Sprache zu erlernen, groß ist. Lernen ist ein individueller Prozess, jeder lernt mit seinen eigenen Methoden und in seiner eigenen Geschwindigkeit. »Von nichts kommt nichts«, meinte schon Vera F. Birkenbihl. Lernen, ohne dafür etwas zu tun, funktioniert bei niemandem. Außerdem ist es für unser Hirn förderlich, wenn wir dem Lernen eine gute Struktur geben, und z. B. neue Vokabeln schnell in einen Kontext setzen, den wir uns leichter merken können. Erkennen Sie selbst, welcher Lerntyp Sie sind und zu welchen Zeiten Sie effizient lernen können.