TRAiNiNG im Interview mit Johanna Hummelbrunner und Lisa Marie Steinbach über die agile Weiterentwicklung des Onboarding-Prozesses bei Bosch.
Neueste Studien zeigen: Verschiedene Generationen haben ganz unterschiedliche Erwartungen an ihren Job – und an ihren Arbeitgeber. Die aktuellen Young Potentials der Generation Y, etwa im Alter von 18 bis 35, gelten beispielsweise als besonders werteorientiert, fragen nach sinnstiftender Arbeit, anforderungsvielfältigen Aufgaben, einer ausgeglichenen Work-Life-Balance – und einem anspruchsvollen Gehalt. Aber: Als Arbeitgeber in all diesen Dimensionen zu brillieren heißt noch lange nicht gewinnen! Denn oft wird auf das Wichtigste vergessen: den hohen Erwartungen auch gerecht zu werden. Und hier zählt besonders eines: der erste Eindruck.
Onboarding als Schlüsselfaktor
Von »Mein Computer wird erst geliefert« bis zu »Die wussten gar nicht, dass ich komme« – die Erfahrungsberichte des ersten Arbeitstages klingen allzu oft wenig berauschend. Dabei fördert ein strukturierter Onboarding-Prozess nicht nur die emotionale Bindung zum Arbeitgeber und senkt die Fluktuation; mit bewussten Einarbeitungsmaßnahmen lässt sich auch die Zielerreichung des einzelnen Mitarbeiters im ersten Arbeitsjahr signifikant steigern – von 17 % ohne, auf 62 % mit entsprechenden Onboarding-Maßnahmen.
Neuer Onboarding-Prozess bei Bosch
Die Robert Bosch AG befindet sich gerade im Endspurt des Roll-outs ihres neuen Onboarding-Prozesses. »Von außen betrachtet gab es eigentlich keinen Grund, unseren Onboarding-Prozess zu überarbeiten. Seit vielen Jahren schon stellen wir strukturierte Maßnahmen für unsere Neueintritte bereit, die Fluktuation ist gering und jede Mitarbeiterbefragung liefert uns ausgezeichnete Ergebnisse über die Zufriedenheit im Haus«, so Johanna Hummelbrunner, Personalleiterin von Bosch Österreich. Warum wird der Prozess dann neu gedacht? »Nur weil etwas gut läuft, ist das noch lange kein Garant für die Zukunft. Wir möchten heute vorbereitet sein für die Anforderungen von morgen.« Mit einer signifikanten Veränderung: Wurden bislang HR-Prozesse von den Personalexperten im Alleingang entwickelt, hat man sich bei Bosch einer neuen Zielgruppe geöffnet: den Kunden. »User Experience ist mittlerweile ein zentraler Aspekt auch für uns Personalisten«, so Lisa Marie Steinbach, die bei Bosch unter anderem das Thema Personalmarketing und das Projekt »Welcome2Bosch« leitet. Dabei war es in einem ersten Schritt wichtig, die Kunden zu definieren. »Neben Bewerbern und neuen Mitarbeitern sind dies auch die Führungskräfte. Bei ihnen liegt die Hauptverantwortung für die schnelle Einarbeitung. Sie darin zu unterstützen, ist eine zentrale Aufgabe unserer Onboarding-Prozesse«, erklärt Steinbach.
User Experience: Mehr als Erleben
User Experience (abgekürzt: UX) beschreibt Wahrnehmungen, Erfahrungen und Reaktionen bei der Interaktion mit Produkten, Dienstleistungen oder auch Prozessen. Die Gestaltung des Onboarding-Prozesses nach UX-Kriterien kann sich demnach für Unternehmen positiv auf die Weiterempfehlung als Arbeitgeber auswirken. »Unsere Onboarding-Maßnahmen richten sich an unsere Kunden. Deshalb ist es naheliegend, diese auch zu befragen«, erläutert Steinbach. In einem ersten Schritt zum neuen Onboarding wurde die Zufriedenheit mit dem bestehenden Prozess bei neuen Mitarbeitern und Führungskräften erhoben. Mit diesen Erkenntnissen als Basisgrundlage ging es an die Entwicklung des neuen ganzheitlichen Prozesses. »Wir haben uns dafür für Design Thinking entschieden«, führt Steinbach aus. Design Thinking ist ein Kreativprozess zur Ideenfindung mit dem Ziel, Innovationen zu entwickeln, die sich stark an den Bedürfnissen des Benutzers orientieren. »Wir haben eine Gruppe von Führungskräften mit höchster Diversität – Fachdisziplin, Alter, Geschlecht, Kultur – in einem Workshop gefragt: ›Wie sieht aus eurer Sicht der ideale Prozess aus, um Mitarbeiter zu gewinnen und langfristig an Bord zu holen?‹ Dabei war für uns zentral, out-of-the-box zu denken. Weg von ›Das geht nicht, weil …‹ hin zu einer ›Let’s do it‹- und ›Let’s-try-it‹-Mentalität.« Dies gelang mit einem bunten Potpourri aus Kreativitätstechniken, wie dem »Danish Clap Game« zur Auflockerung oder dem Arbeiten mit vielen bunten Kärtchen zur Visualisierung von Ideen. Aber wie haben die Führungskräfte reagiert, als sie sich Zeit nehmen sollten, HR-Prozesse mit weiterzuentwickeln? »Durch und durch positiv«, so Hummelbrunner. »Sie fühlten sich in ihrer Rolle als Kunde wertgeschätzt und gehört und freuten sich über die Progressivität im Bereich Personal.« Steinbach ergänzt: »Ein schöner Nebeneffekt beim UX-Workshop war die Möglichkeit, unsere HR-Arbeit zu präsentieren – vielen Führungskräften war gar nicht richtig bewusst, wie viel wir bereits bezüglich Onboarding durchführen.«
Ein zentraler Aspekt von UX-Methoden ist die kontinuierliche Kundennähe bei der Entwicklung der neuen Prozesse: Einer raschen Prototyping-Phase folgt die Durchführung von ersten Tests am Markt und das Einholen von Feedbacks des Kunden. In weiterer Folge werden Rückmeldungen eingearbeitet und der Prozess weiterentwickelt mit dem Ziel, im Endstadium das Kundenerlebnis zu maximieren. »Ganz im Sinne von ›Fail Early. Learn Fast.‹ bleiben wir mit unseren Kunden – den Führungskräften – im regelmäßigen Austausch, informieren sie über den Entwicklungsstand und präsentieren erste neue Maßnahmen. Wir freuen uns über ihr Feedback und integrieren, was möglich und sinnvoll ist – sagen jedoch auch, wenn etwas nicht geht, und warum«, erklärt Steinbach. »Die offene, transparente Kommunikation sorgt für Akzeptanz und Verständnis.«
Das Ergebnis
»Unseren Führungskräften war besonders eines wichtig: Speed! Unsere Prozesse sollten schneller, einfacher und agiler werden«, erläutert Steinbach. »Durch die Einbindung der Führungskräfte war uns auch ihre Unterstützung sicher, wenn es darum ging, abteilungsübergreifende Synergien zu schaffen. So testen wir zum Beispiel derzeit, die verpflichtende Sicherheitsunterweisung am ersten Arbeitstag als interaktives, webbased Training durchzuführen, oder wir prüfen mit unserer IT die Möglichkeit eines Schnelleintritts. Zudem liegt auch ein Hauptaugenmerk auf der einfachen, kundenoptimierten Bereitstellung von Informationen. Für neu eintretende Mitarbeiter ergänzen wir unseren Eintrittstag um mehr Austauschmöglichkeiten, damit gleich von Beginn an ein persönliches Netzwerk aufgebaut werden kann. Und schließlich haben sich unsere Führungskräfte verstärkte Maßnahmen gewünscht, um selbst besser in ihrer Führungsrolle unterstützt zu werden. Hier arbeiten wir gerade an einem neuen Workshop-Modell.«