»Working Out Loud« ist ein neues Konzept, um besser vernetzt zu arbeiten. Was genau dahinter steckt und wie es bereits erfolgreich bei BMW angewendet wird, lesen Sie hier.
Bei der »PEp – Personalentwicklung pur« im November halten Sie einen spannenden Vortrag über das Konzept »Working Out Loud«. Was verbirgt sich hinter diesem Schlagwort? Welche Probleme löst es?
Lassen Sie mich auf den zweiten Teil der Frage zuerst eingehen. Genau das ist das Kennzeichen von Working Out Loud (WOL), dass es weniger dafür gedacht ist, zielgerichtet Probleme im Unternehmen zu lösen. Die große Stärke der Methode liegt vielmehr darin, intrinsisch motivierte Ziele zu verwirklichen, also Anliegen, die aus dem Herzen kommen. Wenn Sie so wollen, ist der Weg das Ziel. Entlang des Weges entsteht ein neues Mindset – bei Circle-Mitgliedern, aber auch bei Vorgesetzten und Kollegen. Der US-amerikanische Autor John Stepper, »Vater« der Idee, hat die Methode entwickelt, um die Stärken jedes Einzelnen zu fördern und gleichzeitig ein vernetztes Unternehmen zu schaffen. Stepper definiert WOL sinngemäß so: Es geht darum, nachhaltige Beziehungen aufzubauen, die uns dabei unterstützen können, Ziele zu erreichen, Fähigkeiten zu entwickeln und eine Idee zu erkunden. WOL propagiert modernes Netzwerken, bei dem man nicht gibt, um zu bekommen, sondern die eigene Arbeit und seine Kompetenzen einbringt und sichtbar macht.
Die zentrale Frage ist deshalb: Welchen Beitrag kann ich für mein Netzwerk leisten? Was kann ich geben, um das Netzwerk zu stärken?
Welche Kernelemente umfasst Working Out Loud?
Die Methodik Working Out Loud gestaltet Zyklen von 12 Wochen Dauer. Jeder braucht dafür eine Stunde pro Woche. Kleingruppen von fünf Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Abteilungen, Berufen, Hintergründen schließen sich für diesen Zeitraum in einem »Circle« zusammen, um den Zyklus gemeinsam zu durchlaufen. So entsteht vernetztes Arbeiten, das aus ganz unterschiedlichen Quellen befruchtet wird. Wissen wird geteilt und kann sich multiplizieren – es bilden sich Grundlagen für neue, disruptive Ergebnisse. Außerdem gelten in der WOL-Welt die fünf Prinzipien Beziehungspflege, Großzügigkeit, Sichtbarkeit, Zielorientierung und Offenheit, die unser tägliches Handeln nicht nur im WOL-Circle bestimmen.
Wie kann WOL dazu beitragen, dass Unternehmen die digitale Transformation bewältigen?
Man muss es ganz deutlich sagen: Viele Unternehmen sind von ihrer Firmenkultur her noch nicht in der Lage, die Digitalisierung zu stemmen. Es geht dabei ja nicht nur um technologische Innovationen. Auch Führung, Ausführung und Kommunikation müssen sich anpassen. Es geht um einen Umgang auf Augenhöhe, um Transparenz und Kooperation statt Konkurrenz und Geheimniskrämerei. Mitarbeiter, die WOL praktizieren, werden auf ein neues Denken vorbereitet.
Wie profitieren Unternehmen und Mitarbeiter?
Zunächst fühlt es sich für Mitarbeiter und Management eines Unternehmens, das noch sehr in klassischen Projektstrukturen steckt, vielleicht nicht so an, als ob es profitieren würde. Schließlich werden Führungsstile und Prozesse infrage gestellt. Das ruft Skeptiker auf den Plan.
Es ist daher wichtig, dass sich das Management hinter die WOL-Initiative stellt, dass sie sozusagen den Segen von oben erhält. Dann können sich die Vorteile entfalten, die zum einen darin liegen, dass das Unternehmen eine zukunftsgerichtete Arbeitsatmosphäre schafft. Zum anderen fühlen sich Mitarbeiter mit ihrem ganzen Potenzial wertgeschätzt, was ihre Loyalität zum Unternehmen stärkt. Drittens ist eine zeitgemäße, von New Work geprägte Unternehmenskultur die mindeste Voraussetzung, um als Arbeitgeber die junge Generation zu gewinnen. Working Out Loud ist meiner Meinung nach eines der wirksamsten Tools, um die Zukunft der Arbeit erfolgreich zu gestalten.
Wie wird das Modell bei BMW gelebt?
Nach anfänglicher Skepsis gegenüber WOL gibt es heute bei BMW über 100 Working-Out-Loud-Circles. Die Interessentenliste für Mitarbeiter, die einen WOL-Circle besuchen wollen, wächst ständig. Uns erreichen auch immer mehr Anfragen aus den Trainingsbereichen dazu, wie WOL für Schulungszwecke angewendet werden kann. Bei mehreren Projekten wird WOL themenbezogen eingesetzt: bei der Frauenförderung, bei Innovationsprojekten und bei der Entwicklung künstlicher Intelligenz in unterschiedlichen Bereichen.
Jeweils im November, Februar und Juni kamen 500 BMW-Mitarbeiter zu einem Vortrag und einer gemeinsamer Diskussion zusammen. Unser Thema lautete »Innovatives Arbeiten und Working Out Loud«. Alle drei Veranstaltungen waren innerhalb von 15 Minuten ausgebucht. 2 700 Mitarbeiter standen auf der Warteliste. Der Betriebsrat hatte die Schirmherrschaft übernommen, Vorstand und Management waren präsent und zeigten ihre Unterstützung. Mittlerweile sind wir vom Kernteam mit WOL-Experten aus sechs anderen Unternehmen zum Erfahrungsaustausch vernetzt. Unser Hashtag auf Twitter lautet #WOLCoP. Er steht für Working Out Loud – Community of Practice. Also für eine lebendige, inspirierende, unternehmensübergreifende Bewegung von Menschen, die WOL im Unternehmensalltag leben und weiterentwickeln. Am 23. November letzten Jahres konnten wir schließlich gemeinsam eine ganz besondere Auszeichnung entgegennehmen, nämlich den renommierten HR-Excellence-Award.
Nach unseren Erfahrungen bei BMW und den anderen Unternehmen aus der #WOLCoP-Gruppe ist es möglich, auch in bestehenden Strukturen Neues anzustoßen. Dazu sind Überzeugung, Durchhaltevermögen, Kompetenz und ein gutes Netzwerk erforderlich. Dann kann es gelingen.
Viele Kollegen berichten von neuen, besonderen Beziehungen und von einer speziellen Freude, die sie bei der Arbeit wieder spüren.