Dass Speaking durchaus auch stadthallentauglich ist, bewies die 1. Wiener Rednernacht Mitte September.
»Mit unseren Rednernächten wollen wir intelligente Inhalte in die Welt tragen«, sagt der Moderator und Organisator der 1. Wiener Rednernacht, Stefan Frädrich. Dahinter steht das Unternehmen »GEDANKENtanken«, das unter anderem Rednernächte im deutschsprachigen Raum schon seit mehreren Jahren organisiert.
Das Konzept ist so einfach wie genial. Anstatt einen Abend ins Kino zu gehen, geht man mit seinem Partner oder mit Freunden »Gedanken tanken«, um neue Impulse und Gedankenanstöße zu bekommen. Und vielleicht findet man gerade dadurch einen neuen Lösungsweg aus dem »Problemdschungel« des Alltags.
Im Regelfall treten professionelle Redner eher im Umfeld von Business-Events auf und nicht im Rahmen einer Veranstaltung für die Allgemeinheit. Das ist extrem schade, denn so haben viele Mitarbeiter mittlerer und kleiner Unternehmen oder auch Privatpersonen keinen Zugang zu dem Wissen der Experten.
Bei der 1. Wiener Rednernacht in der Stadthalle kamen rund 2 000 Personen, um von den Vortragenden Impulse zu völlig unterschiedlichen Themen zu erhalten. Insgesamt 10 Vortragende referierten jeweils 20 Minuten. Der Abend dauert von 18.00 Uhr bis etwas nach 23.00 Uhr, unterbrochen durch zwei rund 30-minütige Pausen. Die Bandbreite der Themen reicht von Führungstechniken über Impulse zur Selbstständigkeit, Körpersprache, Selbstmotivation, mentale Stärke, Energie und vieles mehr.
Dass nicht jedem der 2 000 Zuhörer jeder Vortragende gefällt, ist klar. Stefan Frädrich erklärt demnach gleich zu Beginn die Stadthalle zu einer »Nichtraunzer-Zone«, in der nicht über »schlechte« Redner gemeckert werden soll, sondern die guten Gedanken weiter gedacht werden sollten. So möchten wir es auch mit diesem Artikel halten und nur über die Highlights des Abends schreiben.
Den Anfang machte der Psychologe Rolf Schmiel mit seinem Thema »Senkrechtstarter«. Sein Vortrag ist unterhaltsam und zeigt einmal mehr, dass Humor in großen Hallen wichtig ist. Er spricht dabei über Resilienz und darüber, wie man in gute Stimmung kommt. Schmiel: »Wenn die Stimmung stimmt, stimmen auch die Ergebnisse«. Dass er in 20 Minuten nicht in die Tiefe gehen kann, ist verständlich und gleichzeitig schade.
Der Illusionist LUCCA begeistert die Zuhörer mit seinem Vortrag über die »Kunst des Staunens«. Er ist zweifacher Vizeweltmeister der Mentalmagie und zeigt gleich zu Beginn seiner 20 Minuten eine Illusion, die das Publikum zum Staunen bringt. Danach erklärt er, wie wichtig Staunen ist, denn Staunen bedeutet Neugier. Und wer neugierig ist, wird kreativ. Gleich darauf gibt er einen Tipp, um kreativ neugierig zu bleiben: »Stellen Sie sich bei Ihren täglichen Herausforderungen einmal die Frage: ›Was wäre, wenn alles umgekehrt wäre?‹«. So hat sich diese Frage zum Beispiel Ikea gestellt: »Was wäre, wenn nicht wir unsere Möbel zusammenbauen, sondern sie unsere Kunden zusammenbauen lassen?« Somit werden Tatsachen, die völlig klar erscheinen, hinterfragt.
Das hat ja auch schon vor vielen Jahrhunderten jemand gemacht: »Was wäre, wenn sich nicht die Sonne um die Erde dreht, sondern es umgekehrt ist?« Und er sollte recht behalten.
LUCCA appelliert in seinem Vortrag, immer wieder Dinge, Menschen, Situationen zum Staunen zu suchen, denn: »Wir verlieren nicht die Freude und den Spaß am Staunen, weil wir älter werden, sondern wir werden älter, weil wir das Staunen verlieren.« Er beendet die Show mit einem weiteren Zaubertrick und hinterlässt ein staunendes Publikum in die Pause.
Der nächste Vortragende Otmar Kastner ist ein weiteres Highlight des Abends. Nach nur wenigen Sekunden auf der Bühne ist eines klar: Der Mann ist Kabarettist und kennt sich auf der Bühne aus. Hier wird ein hoch esoterisches Thema, nämlich die Trennung zwischen Körper und Seele, so vermittelt, dass das Publikum vor Lachen kaum zum Denken kommt. Auch Tiefgang auf der Bühne kann humorvoll sein, das beweist der Redner eindeutig. Seine Hauptaussage des Abends: Wenn es zu einer »Hochzeit« zwischen Seele und Körper kommt, lebt sich das Leben mit einer Leichtigkeit und Freude.
Dieter Lange, Betriebswirt und Psychologe, ist für viele ein weiterer Höhepunkt, und sein Vortrag wird auch bis zu diesem Zeitpunkt als einziger mit Standing Ovations bedacht. Das Thema »Selbstmotivation« ließ ursprünglich nicht all zu viel erwarten, nur zu oft haben wir dazu schon wenig motivierte Redner erlebt. Dieter Lange ist anders. Er ist ruhig, voll in seiner Mitte und gelassen. Laute »Tschakka-Rufe« oder Ähnliches erleben Sie bei ihm nicht. Stattdessen einige Zitate und Aussagen, die stark zum Nachdenken anregen, und die auch länger in der Gedankenwelt bleiben. Er beginnt mit einem englischen Zitat: »People don’t know what they like, but they like, what they know.« Daher hinterfragen wir unser Tun auch so selten, da wir das, was wir kennen, gerne machen, und Angst davor haben, etwas Neues kennenzulernen. In seinem Vortrag stellt er ein 3-Stufen-Modell vor, um zu Neuerungen zu kommen: Stop – Look – Choose. Zuerst einmal innezuhalten, auch länger, auf Reisen gehen, meditieren oder sonst etwas Ungewöhnliches machen. Und aus dieser Distanz heraus solle man nun sein Leben neu betrachten und danach sehr bewusst den weiteren Lebensweg wählen. Das kann natürlich auch »dasselbe Leben« noch einmal sein, ohne Änderung – aber bewusst.
Nach der nächsten Pause folgt ein weiteres Feuerwerk an Rednern. Steffen Kirchner spricht über mentale Stärke und wie positive und negative Gedanken unser Leben beeinflussen. Mit viel Power und Humor wird auch sein Vortrag vom Publikum jubelnd aufgenommen.
Als vorletzter Redner schickt der Moderator den Kabarettisten Matze Knop auf die Bühne. Sein Thema ist »Energie«, und wie und wo wir sie richtig einsetzen können und sollten. Dabei folgt – wie es bei einem Comedian üblich ist – eine Pointe auf die nächste. Herrlich!
Die Abschluss-Keynote hält Tobias Beck, der Techniken verrät, wie gute Vorträge funktionieren. Seine Message: Jeder kann sein Publikum faszinieren und mitreißen, der sich traut, seinen Stil für weit mehr unterhaltende Elemente zu öffnen, als wir es im deutschsprachigen Raum bislang gewohnt sind. Ein faszinierender Gedanke nach einem solchen Abend, der eindeutig Lust auf mehr macht.
Fazit
Es ist ganz wundervoll zu sehen, wie Stefan Frädrich es schafft, 2000 Menschen für ein Rednerevent in die Wiener Stadthalle zu holen. So steht das Expertenwissen nicht mehr nur den bereits erfolgreichen Führungskräften zur Verfügung, sondern allen Interessierten, die sich weiterentwickeln wollen. Wir freuen uns auf die nächste Rednernnacht in Köln am 24. November 2018.