People Strategy statt »Post & Pray«

Wuzler, Playstation, Kaffee und Obst. Stellenanzeigen sind oft gefüllt mit trendigen Benefits und leeren Worten. »Wo ist da noch die  Unterscheidbarkeit?«, fragt Rudi Bauer.

Viele Stellenangebote liefern wenig Mehrwert und das in einer Zeit, in der sich das Angebot-Nachfrage-Verhältnis am Arbeitsmarkt verändert. Die Ressource Mensch wird immer knapper. Employer Branding und Arbeit 4.0 bestimmen den HR-Diskurs. Die bis jetzt angewendete Recruiting-Methode »Post & Pray« hat zwar in der Vergangenheit funktioniert, führt aber nicht mehr zum gewünschten Erfolg. Um gegen leere Worte, austauschbare Inserate und unvollkommene Unternehmensphilosophien anzukämpfen, braucht es ein neues Bewusstsein und die Bereitschaft, den Wandel in den folgenden fünf interagierenden Bereichen voranzutreiben:

1. SPEED – proaktiv, schnell & digital

Im digitalen Zeitalter werden Arbeitsprozesse beschleunigt. Können Recruiting-Prozesse bei der Geschwindigkeit von Digitalisierung, Flexibilisierung und Fluktuation am Arbeitsmarkt mithalten? Über Monate zehrende Tests, Interviews und Assessment-Center entsprechen nicht mehr dem heutigen Zeitgeist. Rudi Bauer erklärt, dass es im HR-Bereich nicht immer einen Entwicklungsplan gebe – man handle zu oft reaktiv: »Gute Kandidaten bleiben nur wenige Tage am Markt. Recruiting-Prozesse gehen endlos. Wenn Recruiting nicht schneller wird, verlieren Unternehmen gute Kandidaten.«

2. CULTURE – integral, identitätsstiftend & wahrhaftig

Aus dem Trend des Employer Brandings oder dem Cultural-Fit-Hype gehen nicht immer identitätsstiftende Kultursysteme der Unternehmen hervor. Viele Arbeitgeber kennen sich selbst nicht und scheuen sich vor einer Werteauseinandersetzung. Übrig bleiben Floskeln in den Inseraten und der Unternehmensbeschreibung auf der Website. Dabei ist genau dieser Schritt essenziell, sagt Rudi Bauer: »Ich muss ganz genau wissen, wofür ich als Unternehmen stehe. Dann kann der Bewerber entscheiden, ob auch er dafür stehen will.« Ganz nach dem Motto »Kenne deine Kultur!« müssen Unternehmen Antworten finden: Wer bin ich als Unternehmen? Warum braucht es mich? Für welche Werte setze ich mich ein? Erst ein bewusstes Werte- und Kultursystem im Unternehmen kann zu den richtigen Bewerbern und zufriedenen Mitarbeitern führen. Bleiben Antworten auf diese grundlegenden Fragen aus, prognostiziert Rudi Bauer auf lange Sicht mehr Fehlbesetzungen, Fluktuation und eine zusätzliche Entschleunigung in der HR-Branche.

3. COMMUNICATION – offen, wertschätzend & sinnstiftend

Als weiterer Schritt bleibt die Frage: Wie kommuniziere ich die Identität, Werte und Ziele eines Unternehmens? Inmitten der heutigen Reizüberflutung durch ständige Erreichbarkeit, soziale Medien und dem verschmolzenen »Work-Life« steigen die Herausforderungen an eine effiziente Kommunikation – intern wie extern. Die Prozesse in Unternehmen werden komplexer, Anforderungen immer spezialisierter. Besonders lange und glücklich bleiben Mitarbeiter aber nur im Unternehmen, wenn der Cultural Fit wirklich passt und sie das Gefühl haben, etwas Sinnvolles zu tun – das betont auch Rudi Bauer. Nur indem Unternehmen Mitarbeiter in die Kommunikationsabläufe involvieren und bereits im Bewerbungsprozess mit offenen Karten spielen, können die Sehnsucht nach Wertschätzung gestillt und Enttäuschungen im Recruiting-Prozess verhindert werden: »Mitarbeiter oder Kandidaten müssen aus diesem Employer Branding heraus die Frage beantworten können: Kann ich mich mit diesem Unternehmen identifizieren?« Und dafür brauche es eine menschenorientierte Strategie, die Rudi Bauers Einschätzungen zufolge insbesondere die Führungskräfte betrifft.

4. LEADERSHIP – transformativ, strategisch & ethisch

Kern für die Unternehmensstrategie, die alles zusammenhält, ist die Frage nach dem »Warum?«. Verantwortlich dafür sei die Management-Ebene, meint Rudi Bauer: »Die oberste Ebene beschäftigt sich zu oft mit dem operativen ›Was‹ und ›Wie‹. Wenn ein Unternehmen aber das ›Warum‹ nicht beantworten kann, liefert es dem Employer Branding keinen Mehrwert.« Innerhalb einer holistischen Strategie beeinflusst ein reflektierter, zeitgemäßer Führungsstil das nötige Umdenken im Recruiting äußerst positiv. Leadership bedeutet aber auch, Mitarbeiter zu halten, weiterzuentwickeln sowie den Führungsstil selbst stets zu optimieren und anzupassen. Technologien entwickeln sich schneller als der Mensch, weshalb auch die »Kienbaum & StepStone Leadership Survey 2018« nach erwünschten Führungsstilen im digitalen Zeitalter forschte. Die befragten Fachkräfte bestätigten dabei ihr Idealbild eines transformativen (94 %), strategischen (88 %) und ethischen (84 %) Führungsstils. Gefordert wird dadurch auch ein Umdenken in den Organisationsstrukturen der Management-Ebene – weg von einer Kultur der Kontrolle und Überwachung der Mitarbeiter, hin zu einer menschenorientierten Führungsstrategie. Denn bislang prallen die Erwartungen der Mitarbeiter noch zu oft auf direktive Führungsstile, fehlende Zielsetzungen oder mangelndes Vertrauen.

5. TRUST – beidseitig, achtsam & zukunftsfähig

Digitale Führungskompetenzen laden nicht zur erweiterten Überwachung und Kontrolle der Mitarbeiter ein – ganz im Gegenteil. In modern denkenden, globalen Unternehmen müssen auch Home-Office, Hubs im Ausland und flexible Arbeitsweisen ihren Platz finden. Und das geht nur mit Vertrauen. Auch Rudi Bauer kritisiert die Führungsstile des Misstrauens und der Kontrolle mit Weitblick: »Die veralteten Leadership-Modelle kann man sich bei der zunehmenden Ressourcenknappheit bald nicht mehr leisten. Da geht es nicht mehr nur darum, die richtigen Kandidaten zu finden, sondern auch die bestehenden nicht zu verlieren.« Es gilt der gleiche Grundsatz wie bei allen anderen Ressourcen auf der Welt, die knapper werden: Gehen Sie achtsam mit ihnen um! Und damit ist hier die Ressource Mensch inklusive seiner individuellen Bedürfnisse, Visionen, Zeit und Werte gemeint.

PEOPLE STRATEGY

Wie bekommt man Mitarbeiter an Bord, die sich auch mit dem Unternehmen identifizieren können? Dafür braucht es in Zukunft mehr als ein reaktives Anpassen an neue Entwicklungen im Recruiting. Daher spricht sich auch Rudi Bauer für eine integrale People Strategy aus, die keine klare Trennung mehr zwischen HR und Management zulässt: »Sie ist kein reines Recruiting-Thema mehr, sondern wird zum Unternehmensthema. HR ist nun Inhalt der Unternehmenskultur und -führung.« Dadurch kann der HR-Bereich einen ganz neuen und umfassenderen Stellenwert in der Arbeitswelt einnehmen.
Indem eine menschenorientierte People Strategy implementiert wird, fängt der gesamte Recruiting-Prozess bereits ganz oben in der Unternehmensorganisation an. Damit sind die Weichen gestellt, um die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen!

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Rudi Bauer
ist Geschäftsführer von StepStone Österreich.
www.stepstone.at