Der Trainer aus der Brille

Trainings in der virtuellen Realität könnten die Weiterbildungsbranche revolutionieren. Die Volksbank Akademie hat kürzlich ihr Forschungsprojekt dazu präsentiert.

Die Volksbank Akademie hat sich in der digitalen Bankausbildung in Österreich als »First Mover« positioniert: Ab 2019 wird im Beratungstraining für die Volksbank-Mitarbeiter die Virtual-Reality-Brille eingesetzt – ein großer Schritt in die digitale Zukunft der Aus- und Weiterbildung.

Das Projekt wird von der Volksbank Akademie, der zentralen Aus- und Weiterbildungsinstitution im Volksbanken-Verbund, gemeinsam mit der Wiener Multimedia-Agentur CREATE.21st century, dem österreichischen Marktführer im Bereich des innovativen digitalen Lernens, umgesetzt.
Im Frühjahr 2018 wurde dazu ein Forschungsprojekt gestartet, bereits im Juli gab es erste Tests mit einer Gruppe von acht erfahrenen Volksbank-Kundenberatern. Das Fazit daraus: Den Lernenden fällt es dank VR-Brille besonders leicht, mittels 3D-Realbildvideo in die jeweiligen Settings einzutauchen und sich auf die Übungssequenzen einzulassen.
Wie funktioniert die VR-Technologie in der Beraterausbildung?
Rund 40 angehende Kundenberater der Volksbanken werden im ersten Halbjahr 2019 konkrete Beratungssituationen realitätsnah mittels VR trainieren und simulieren. Begleitet werden sie dabei von einem eigenen VR-Coach.
Dazu wurden von CREATE in der realen Volksbank-Filiale Mariahilfer Straße in Wien typische Beratungssituationen mittels VR-360-Grad-Technologie aufgezeichnet und interaktiv mit Gamification-Elementen aufbereitet. Die Szenen wurden von realen Schauspielern dargestellt und nicht in einem Studio mit virtuellen Charakteren animiert.
»Genau diese Kombination ist die spezielle Neuheit dieses VR-Trainings«, so CREATE-CEO Christoph Schmidt-Martensson. Auf diese Weise entstand ein praxisnahes und idealtypisches virtuelles Beratungsgespräch für Schulungszwecke, das Mitarbeiter der Volksbanken aktiv durchlaufen können. Mit der VR-Brille tauchen sie in die Welt der Bankfiliale ein und erleben während des einstündigen Coachings mehrere Beratungssituationen. Von der generellen Hilfestellung im Bankenfoyer bis hin zur gezielten Argumentation beim Vertragsabschluss inklusive gekonnter Verabschiedung behandelt das VR-Coaching gängige Alltagssituationen eines Beraters.

Ablauf des VR-Coachings

Nachdem die Schulungsteilnehmer ihre 3-D-Brille aufgesetzt haben und der anwesende VR-Coach die Simulation gestartet hat, schlüpft der Lernende in der Rolle des Beobachters eines Gesprächs zwischen einem Berater und einer Kundin, welches sich über mehrere Szenen fortsetzt. Abhängig von den gewählten Interaktionen können unterschiedliche Gesprächsverläufe simuliert werden. Mit Fortdauer des Coachings werden die Teilnehmer immer aktiver eingebunden und werden aufgefordert, verschiedene Argumentationslinien zu bewerten. Anschließend schlüpfen sie selbst in die Rolle des Beraters. Somit wird der Lernprozess zu einem hochintensiven, positiven Coaching.
Während des gesamten Schulungsprozesses steuern die Teilnehmer mit Hilfe eines Joysticks durch die virtuelle Welt. Mit einem zweiten Joystick wählt der VR-Coach »Presets« und Szenen aus. Am Laptop hat der Coach stets Einblick in die aktuelle Situation und weiß, welche Szene oder Interaktion der Teilnehmer gerade durchläuft und wie er unterstützen kann. Das VR-Coaching findet im Einzelsetting statt. Der Teilnehmer wird von seinem VR-Coach durch das gesamte Training inhaltlich und technisch geführt (Setup, Start, Bedienung). Das Konzept sieht vor, dass der Anwender die Brille nicht die volle Coachingzeit trägt, sondern sie immer wieder abnimmt, um Inhalte mit seinem Coach zu besprechen.
Beispielsweise beobachtet der Lernende ein Beratungsgespräch zwischen einem Bankberater und einer Kundin. Danach kann er mittels »Daumen rauf« oder »Daumen runter« bewerten, wie er das Gespräch empfunden hat. Nach einer negativen Bewertung beginnt das Gespräch erneut, jedoch völlig anders geführt – und auch die Reaktion der Kundin ist eine völlig andere. Danach wird die Brille abgenommen und die Unterschiede werden mit dem VR-Coach besprochen.
Barbara Czak-Pobeheim, Geschäftsführerin der Volksbank Akademie, kennt die guten Lerneffekte des VR-Coachings: »Uns ist es besonders wichtig, die emotional erlebbaren, immersiven Interaktionen unterhaltsam und mühelos zu gestalten. So erreichen wir einen bis zu dreimal höheren Lerneffekt.«
Und das mitunter deshalb, da es für die Teilnehmer spannend ist, dieses neue Medium auszuprobieren. Durch diese erhöhte Spannung steigt auch die Aufnahmefähigkeit. Außerdem erfolgt das Lernen im 1:1-Setting. Christoph Schmidt-Martensson: »Dieses VR-Coaching ist demnach ein Präsenztraining, und kein Online-Training.«

Technik

Das VR-Coaching bei der Volksbank Akademie ist für die »Oculus Rift« optimiert. Die Brille sitzt bequem am Kopf und ermöglicht einen vollkommenen Rundumblick (360°). Die Ränder der Brille sind im Sichtfeld kaum merkbar, und durch das große Display ergibt sich ein Sichtfeld von 110 Grad (90 Grad horizontal). »Die ›Oculus Rift‹ füllt praktisch das gesamte Gesichtsfeld aus, die Bildränder sind kaum wahrnehmbar. So entsteht beim Benutzer das Gefühl, tatsächlich in der Beratungssequenz zu sein. Durch die 3D-Umgebung der virtuellen Realität – hier konkret die Volksbank-Filiale Mariahilfer Straße – tritt das Bewusstsein des Nutzers, irgendwelchen illusorischen Stimuli ausgesetzt zu sein, so weit in den Hintergrund, dass die virtuelle Umgebung als völlig real empfunden und damit emotional erlebbar wird. Lern- und Behaltenseffekt sind dadurch bis zu dreimal höher als bei 2D-Modellen«, erklärt Schmidt-Martensson.

Hintergrund zu VR

Während sich Online-Schulungen oder einfaches Literaturstudium gut eignen, um Faktenwissen zu erarbeiten, eignen sich VR-Trainings zum Erwerb von »Handlungswissen«, da die Abläufe nicht nur theoretisch abgehandelt, sondern auch praktisch erlebt werden.
In der Ausbildung von Piloten wird schon seit vielen Jahren auf Simulationstrainings gesetzt, da es wesentlich kostengünstiger ist, als mit realen Flugzeugen zu üben. Auch manche Fahrschulen verwenden bereits VR-Sequenzen, um reale Fahrstunden zu ersetzen und erzielen damit gute Ergebnisse. Ähnlich verhält es sich bei Trainings in der Wirtschaft. Die Kosten zum Erstellen der Videos und aller Interaktionsmöglichkeiten sind grob gesagt gleich hoch wie die Kosten zur Entwicklung eines hochwertigen E-Learning-Tools. Und der Lerneffekt ist anscheinend ein höherer, das bestätigen erste Versuche.
Google hat 2017 einige Experimente und Forschungen zum interaktiven Lernen durchgeführt. Bei einem Experiment ging es darum, eine komplexe Siebträger-Espressomaschine bedienen zu lernen. Dafür wurden die Probanden in zwei Gruppen eingeteilt, um den Effekt der Lernleistung herauszufinden. Die erste Gruppe wurde mit YouTube-Videos auf die Nutzung der Kaffeemaschine vorbereitet. Die zweite Gruppe nutzte einen Prototyp der Espressomaschine, der als 3-D-Modell innerhalb der virtuellen Realität dargestellt wurde. Dieser war ausgestattet mit allen notwendigen Knöpfen, drehbaren Hebeln und sogar einem Milchschäumer. Beide Gruppen konnten ihre Übungszeit selbstständig bestimmen und die Schritte so oft sie wollten wiederholen.
Nachfolgend verwendeten die Probanden die reale Espressomaschine. Die Ergebnisse sprechen für sich: Die Gruppe mit den Youtube-Anleitungen benötigte im Schnitt drei Durchgänge, bis ein passables Ergebnis entstand, während die durch VR angeleitete Gruppe im Durchschnitt nur zwei Durchgänge benötigte.
(Quelle: www.roadtovr.com/google-tests-interactive-learning-vr-espresso-machine-people-learned-faster-better-vr)
Vielleicht kommen wir in Zukunft durch die virtuelle Realität zu besseren Ergebnissen in der »wahren« Realität.

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Barbara Czak-Pobeheim
»Uns ist es besonders wichtig, die emotional erlebbaren, ­immersiven Interaktionen unterhaltsam und ­mühelos zu gestalten.«
volksbankakademie.at

 

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Christoph Schmidt-Martensson
»Das VR-Coaching ist demnach ein Präsenztraining, und kein Online-Training.«
www.create.at