Der richtige Umgang mit Typografie ist nicht nur für Designer wichtig. Bei dem hier beschriebenen Seminar gibt es geballte Information zu diesem Thema.
Der bekannte und vielfach ausgezeichnete deutsche Grafikdesigner Wolfgang Beinert hält im Rahmen seiner Typoakademie Seminare im deutschen Sprachraum. Bei seinem ganztägigen Seminar »Typografie im Grafik- und Kommunikationsdesign« in der Zeichenfabrik im 15. Bezirk in Wien waren wir dabei.
Eines gleich vorweg: Bei dieser Veranstaltung handelt es sich mehr um einen Vortrag als um ein Seminar. Das merkt man schon am Raum, sobald man ihn betritt: Er ist eingerichtet wie ein Vortragssaal, mit 4 Reihen à 7 simplen, tischlosen Sesseln, die sich pünktlich mit Teilnehmern vollständig füllen. Diese Teilnehmer sind sehr unterschiedlich: Frauen und Männer jeden Alters aus fast allen österreichischen Bundesländern mit weit streuendem Vorwissen: Von der »einfach nur Interessierten« bis zum erfahrenen Typografen, der noch Bleisatz gelernt hat, ist alles dabei. Viele sind Grafikdesigner oder in einem ähnlichen Bereich tätig – schließlich richtet sich das Seminar auch an »Professionals aus der Agentur-, Design- und Verlagsszene« –, manche aber auch nicht. Und das ist gut so, denn: Das Wissen um Typografie, ihre Wirkung und den richtigen Umgang mit ihr ist nicht nur für bestimmte Berufsgruppen wichtig, sondern für fast alle Menschen. Trotzdem fehlt Typografie völlig in den Lehrplänen der allermeisten Schulen. Und so kann dann ein Tag wie dieser mit Herrn Beinert ein echter Augenöffner sein. Und das ist er auch für manche.
Der Vortrag ist ein Streifzug durch die Typografie: Geschichte, Klassifikation, Einsatz, Makro- und Mikrotypografie, Tipps und Tricks, Aktuelles, Anwendungsbeispiele. Der Vortragsstil: autoritär, geballte Information! Alles geht sehr schnell, aber man kann viel mitnehmen, wie zum Beispiel:
- Nie mithilfe von Algorithmen auf fett, kursiv oder Kapitälchen stellen, sondern immer den entsprechenden Schriftschnitt wählen.
- Text nie rastern, sondern immer nur einfärbig drucken! (Gegebenenfalls Volltonfarben einsetzen.)
Der Grauwert einer Seite ist ganz entscheidend. Wenn dieser zu dunkel ist, liest man nicht mehr so gerne. Das Auge und die Psyche suchen das Helle. - Im Fließtext Mediävalziffern einsetzen, nicht etwa Majuskelziffern.
- Man kann auch mit PowerPoint typografisch hochwertig arbeiten – wenn man weiß, was man tut.
Das sind nur einige der wirklich vielen Regeln und Tipps, die wir an diesem Tag mit auf den Weg bekommen. Manchmal gibt es viel zu schauen und auch anzugreifen – wenn er z. B. seine eigenen Werke präsentiert und durch die Reihen gehen lässt –, manchmal kommt man mit dem Mitschreiben fast nicht nach. Hin und wieder verweist Wolfgang Beinert für weiterführende Infos auf das von ihm herausgegebene Typolexikon, das zu einem Nachschlagewerk beachtlichen Umfangs angewachsen und unter www.typolexikon.de abrufbar ist.
Immer wieder spricht er auch – mitunter wie aus dem Nichts – über interessante Details, die auch für manche Profis neu sind: So erklärt er zum Beispiel, dass im Web-Einsatz die Google-Fonts mit Tracking-Codes versehen sind, sodass durch den bloßen Einsatz dieser Schriften ein Verfolgen der User-Aktivitäten durch Google ermöglicht wird und dass man daher generell und auch aus Datenschutzgründen keine fremdgehosteten Schriften einsetzen sollte. (Anmerkung: Das gilt natürlich nicht nur für Google.) Oder dass man die Schrift für den Druck niemals in Pfade umwandeln darf, weil das die Typometrie ruiniert. Da fühlen sich wohl einige Designer ertappt, denn beides ist weit verbreitete Praxis.
Und so ist an diesem Tag für alle etwas dabei – für Typografie-Einsteiger wie auch für Profis.