Der kluge und bewusste Einsatz von Humor kann in der Führung wahre Wunder wirken. Falsch eingesetzt, kann er jedoch Vertrauen und Zusammenarbeit zerstören. Für diesen Artikel hat TRAiNiNG mit Experten darüber gesprochen, wie humorvolle Führung funktionieren kann.
Humor macht sexy, zumindest gilt das für Männer, und zahlt sich alleine deshalb schon aus. Außerdem scheint es einen Zusammenhang zwischen Humor und Intelligenz zu geben – wer in einem Intelligenztest gut abschneidet, ist auch überdurchschnittlich humorvoll. Und dass Humor gesund ist, ist ohnehin schon seit Längerem bekannt. Dass es aber auch für Führungskräfte ein wertvolles »Tool« ist, das ist in vielen Führungsetagen noch nicht so angekommen. Die Ergebnisse einer Studie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) aus dem Jahr 2015 zeigen, »dass es sich für eine Führungskraft lohnt, im Umgang mit ihren Mitarbeitern Humor einzusetzen. Allerdings nur, wenn dieser Humor sozialer Art, also wohlwollend und positiv ist.«
Einer der größten Leader der letzten Jahre ist wohl der ehemalige amerikanische Präsident Barack Obama. Ihm war es nie zu blöd, auch bei noch so ernsten öffentlichen Reden zwischendurch etwas Unerwartetes, Lustiges zu sagen. Wurde er dadurch irgendwann einmal zu einer »Lachnummer«? Wohl kaum, im Gegenteil, die Bevölkerung liebte seine menschliche Art und folgte ihm gerne. Bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung in New York lieferte er sich gemeinsam mit dem amerikanischen Geschäftsmann und ehemaligen Gouverneur von Massachusetts Mitt Romney ein witziges Wortduell. Obama ließ es sich nicht entgehen, auf den Reichtum des Multimillionärs anzuspielen. So soll er gesagt haben: »Ich war heute in Midtown New York in ein paar Geschäften einkaufen … während der Gouverneur ein paar Geschäfte einkaufen war.«
Witzig und sehenswert ist der »Kampf mit einer Fliege« von Barack Obama während eines Fernseh-Interviews. Als er sie mit einem Schlag tatsächlich erwischte, war er selbst so überrascht, dass er nur mit Humor reagieren konnte. (https://youtu.be/QYdSzAo1do4)
Die Art des Humors ist das Entscheidende daran. Einfach »nur lustig sein zu wollen« ist definitiv zu wenig, und Humor auf Kosten anderer ist absolut schädlich und wird auch von Mitarbeitern so wahrgenommen. Die Ergebnisse der DGPs-Studie zeigen weiter: »Mitarbeiter, deren Führungskräfte häufig positiven Humor nutzen, bewerten die Beziehung zu ihren Vorgesetzten […] positiver. Auch die Identifikation des Mitarbeiters mit der Führungskraft verändert sich in eine positive Richtung. Mitarbeiter hingegen, deren Führungskräfte aggressiven Humor zeigen, beurteilen die Beziehung zu ihrem Vorgesetzten schlechter.«
TRAiNiNG hat bei Humorexperten nachgefragt, worauf es bei diesem Thema besonders ankommt.
Brigitte Schaden (Präsidentin Projekt Management Austria – pma) weiß, warum Humor in allen Bereichen des Lebens sehr hilfreich sein kann: »Humor ist nicht nur in der Führungsarbeit wichtig, sondern wirkt – erwiesenermaßen – allgemein positiv auf das Gehirn. Humor fördert Energie und Warmherzigkeit in einer Gruppe und erhöht die Kooperationsbereitschaft. Wissenschaftliche Studien zur Humor- und Lachforschung – z. B. von William Fry an der Stanford University und Sven Svebak an der Universität Zürich – belegen, dass Humor ebenso die Konzentration und den Willen fördert, etwas zu erreichen.«
Warum ist Humor in der Führungsarbeit so wichtig?
Karola Sakotnik (Consultant bei Coverdale Managementberatung und -training): »Humor ist eine schnelle und effektive Möglichkeit, Sicherheit zu geben und unbeschwert Grenzen klarzulegen. Eine Führungskraft, die humorvoll agiert, eröffnet flexibel gestaltbare Handlungsräume, fördert das Wohlbefinden und steigert damit die Produktivität. Der Einsatz von Humor schafft eine produktive Atmosphäre, daher ist es in der Führung wichtig, ihn bewusst und offen einzusetzen. Eine Führungskraft, die mit Humor agiert, öffnet Spielräume und ermöglicht kreative und unkonventionelle Handlungsoptionen für Mitarbeiter. Der Einsatz von Humor unterstützt, um Herausforderungen zu begegnen, denn er kann gleichzeitig Sicherheit, Nähe und Distanz schaffen. Sicherheit, Fehler machen zu dürfen, Nähe zu sich selbst und zu anderen Menschen, sowie Distanz zu übermächtigen Herausforderungen.«
»Als Führungskraft muss ich seriös und ernsthaft wirken«, ist ein häufiger Glaubenssatz, den Führungskräfte verinnerlicht haben. Diesen loszuwerden, ist gar nicht so einfach, und auf Befehl bzw. »krampfhaft« humorvoll sein zu wollen, ist auch nicht unbedingt zielführend.
Roman Szeliga (Arzt, Speaker und Humorexperte) über Vorurteile und Glaubenssätze: »Wenn Ihre Mitarbeiter ihre Arbeit ernst nehmen sollen, dürfen Sie sich als Führungskraft nicht immer ernst nehmen. Deshalb gilt es, diese hindernden Glaubenssätze wie ›Eine Führungskraft muss immer seriös, distanziert und emotional korrekt sein‹ oder: ›Ich gehe zur Arbeit, um Leistung zu bringen und nicht, um Spaß zu haben‹ abzubauen, um sich selbst wieder die Erlaubnis zu geben, sichtbare Freude, Spaß am Tun und humorvoller Kommunikation mehr Raum zu geben. Natürlich gilt auch hier: miteinander lachen, statt übereinander oder gar über andere, nicht Anwesende. Ein weiterer Grund ist bewiesen. Können Führungskräfte über eigene, kleine Fehler oder skurrile Pannen des Lebens auch mal schmunzeln (und JEDEM passiert immer wieder etwas Lustiges), dann entsteht eine ehrlichere Fehlerkultur im Unternehmen. Die Mitarbeiter sind dann auch offener, ihre eigenen kleinen Fehler zuzugeben. Und noch einen Grund möchte ich anführen: Wer sich nicht allzu ernst nimmt, steht mit positiver Energie über den Dingen. Deshalb wirken humorvolle Führungskräfte selbstbewusster, intelligenter, kompetenter!«
Monika Herbstrith-Lappe (Geschäftsführerin Impuls & Wirkung) kennt weitere interessante Studien: »Es gibt eine deutsche Studie darüber, welch immensen betriebs- und volkswirtschaftlichen Schaden übellaunige Chefs ihren Unternehmen und damit auch der deutschen Volkswirtschaft bescheren. Spaß und gute Laune fördern nicht nur Kreativität und Innovationskraft, sondern auch Produktivität. So entsteht spielerische Leichtigkeit. Aber Achtung: Es gibt auch Studien zur gesundheitlichen Beeinträchtigung durch krankmachenden Freundlichkeitsdruck und Lächelstress. Letzteres ist aufgesetzt und entspricht nicht der inneren Einstellung. Spaß und Humor ist nicht nur eine Fundgrube für Innovation und Kreativität, sondern auch für Service- und Kundenorientierung. Das ist sehr altes Wissen: ›In Fröhlichkeit den Menschen dienen‹, ist seit der Ordensgründung das Leitprinzip der Elisabethinen. Und der Benediktinerpater Anselm Grün mahnt: ›Wer sich Lust verbietet, dem stößt das Leben sauer auf‹.«
Interventionsmöglichkeiten
Was kann nun eine Führungskraft ganz konkret tun, um Leichtigkeit und Humor in den Führungsalltag zu bekommen? Der berühmte Showmaster und Schauspieler Rudi Carrell hat einmal gesagt: »Witze kann man nur dann aus dem Ärmel schütteln, wenn man sie vorher hineingesteckt hat.« Das bedeutet, dass gute Vorbereitung auf ein Meeting oder ein Führungsgespräch Wunder bewirken kann.
Roman Szeliga nennt einige konkrete Maßnahmen, die Führungskräfte sofort ausprobieren können:
»HUMOR als Innovationstrigger: Zugelassener Humor schafft es, Probleme mit Abstand zu sehen. Das Denken wird weiter, kraftvoller und flexibler. Humor befreit und macht Führungskräfte dadurch mutiger, kreativer, innovativer und: beliebter! Also mein Tipp: Sich immer die Frage stellen: Was ist das Humorvolle im Ernsten? Wo bringt mich humorvoller Perspektivenwechsel meiner Problemlösung näher? Wo brauche ich eine unorthodoxe Methode, um ein bekanntes Thema neu zu bewerten?
HUMOR als Überraschungstool: Ändern Sie doch einmal die Regeln bei Ihren nächsten Boardmeetings. Gestartet wird z. B. mit der lustigsten Kundengeschichte, dem witzigsten E-Mail, dem verrücktesten Erlebnis mit Familie, Freunden oder Kindern. Befragungen ergaben, dass durch so einen anderen Start diese Meetings viel produktiver geworden sind.
HUMOR als Geschmacksträger einer guten Rede: Brechen Sie Regeln! Die Jahres-Eröffnungs-Rede muss nicht langweilig sein, muss nicht aus einem Daten-Zahlen-Fakten-Tsunami bestehen. Wohl eingesetzter Humor steigert nachhaltig das Erinnerungsvermögen, lässt Sie sympathisch wirken und ist zehnmal motivierender als ein 0815-Vortrag!«
Karola Sakotnik gibt einen weiteren Tipp und beschreibt eine Geschichte: »Denken und handeln Sie wie ein Clown! Ein Clown ist Meister der raschen Veränderung und hat hohe emotionale Intelligenz, die er immer wieder paradox einsetzt. Dazu eine typische Clowngeschichte:
›Der dumme August stolpert über ein offensichtliches Hindernis, das er nicht rechtzeitig gesehen hat. Sein Blick und seine Gedanken waren nämlich mit etwas anderem, Unwichtigen, für ihn allerdings deutlich Wichtigerem beschäftigt. Er hat sich, nach dem Anblick einer schönen Frau, im Gehen zurechtgemacht, eitel und selbstverliebt, um ihr zu gefallen. Der Traum, als perfekter Mann gesehen zu werden, platzt, als er sich der Länge nach hinlegt. Peinlich berührt bleibt er drei Sekunden liegen, nimmt wahr, denkt und steht auf, als hätte er diesen kleinen Unfall immer so geplant gehabt. Er hat nämlich etwas Neues, Absurdes erkannt und behauptet überzeugt: zu perfekte Typen will diese Frau gar nicht. Einen wie mich, der die Größe hat, sich lächerlich zu machen und über sich selbst schmunzeln kann, schon.‹ Im Job würde das bedeuten: Wenn der Druck in einer Situation hoch ist und gefühlt alles ›sehr eng‹ wird, versuchen Sie einmal den Gedanken zuzulassen, was alles schief gehen kann, haben Sie dann die Größe, die Situation paradox zu interpretieren oder humorvoll in einen neuen Bezugsrahmen zu setzen. Oft eröffnen sich dadurch neue, starke Lösungsansätze. Eine Form des Humors ist das Überbetonen des Ernstes. ›Humor regt unseren Sinn für Proportionen an und lehrt uns, dass in der Überbetonung des Ernstes das Absurde lauert.‹ Zitat Charlie Chaplin.«
Humor kann man lernen, darüber sind sich Experten einig. Dabei geht es nicht darum, Witze auswendig zu lernen, sondern die Mechanismen dahinter zu verstehen. Oder auch bewusst hinschauen zu lernen, wenn etwas Komisches passiert, und diese Geschichte dann weiterzuerzählen. Situationskomik passiert immer, wir müssen nur hinsehen und lernen. Die Realität ist häufig so witzig – das könnte sich niemand besser ausdenken. Denken Sie z. B. an den Boarding-Prozess im Flugzeug! Statt das verrückte Treiben aggressiv zu deuten (»Wir wären viel schneller, wenn alle Menschen normal wären!«), schauen Sie einmal mit der Humorbrille auf das Geschehen. Ich garantiere Ihnen viele Lacher, die gar nicht einmal auf Kosten von jemanden gehen.
Brigitte Schaden: »Humor ist erlernbar bzw. muss immer wieder trainiert werden. Beispielsweise durch Schärfung der (Selbst-)Wahrnehmung. Nutzen Sie dabei die Plastizität Ihres Gehirns, indem Sie zulassen, dass sich Humor ausbreitet: Denn jede Nervenzelle hat zumindest eine Verbindung zu einer benachbarten Zelle. Täglich entstehen neue Synapsen. Seien Sie bereit, den Blickwinkel zu ändern und die eigene Art des Denkens mit einem liebevollen Augenzwinkern zu hinterfragen. So kann Humor zu einer Lebenseinstellung werden. Bedenken Sie auch die interkulturelle Dimension, denn Humor funktioniert u. a. nach regionalen Regeln. Mit Feingefühl, Selbstreflexion und Wertschätzung wird Humor, wie der Schriftsteller Erich Kästner festhält, somit zum ›Regenschirm der Weisen‹.«
Monika Herbstrith-Lappe gibt abschließend noch ein paar weitere Tipps an Führungskräfte: »1. Erkennen Sie gerade auch in Pannen die lustigen Aspekte. Ist Ihnen schon aufgefallen, dass wir gerade diese in geselligen Runden gerne zum Besten geben und damit heiteres Lachen bewirken? Bei uns gilt daher der Grundsatz: ›Irgendwann finden wir es lustig, dann können wir doch gleich darüber lachen.‹
2. Nehmen Sie den emotionalen Wind aus den Segeln, indem Sie über sich selbst, Ihre Schwächen und Marotten, Irrtümer und Fehler lachen. Dann brauchen es Ihre Mitarbeiter nicht hinter Ihrem Rücken tun. Das ist die hohe Schule des Humors und spricht für Ihre Souveränität. Übrigens, es gibt schulmedizinische Studien, dass Menschen mit Marotten länger, glücklicher und gesünder leben.
3. Legen Sie einen Nährboden für kultiviertes, geistreiches Blödeln: im Humor sind wir so kreativ. Und unter vielen ›Schnapsideen‹ lassen sich immer wieder Innovationsansätze finden.
4. Nutzen Sie Gegensätzliches als Quelle von Humor, Kreativität und Spannung. Als Physikerin weiß ich: Spannung ist Potenzialdifferenz – und wenn der Widerstand passt, dann fließt Strom und entsteht elektrische Leistung. Das darf auch absurd sein: ›Wenn unser Unternehmen eine Baumgruppe wäre, dann …‹ ›Ich als Fledermaus würde …‹ ›Wären wir jetzt einsam auf dem Mond, dann würden wir …‹.
5. Kultivieren Sie Wortwitz. Viele Begriffe haben mehrere Bedeutungen. ›Ich habe mein Leben überdacht, jetzt regnet es nicht mehr herein.‹ Irritierendes löst Nachdenken aus.«
Fazit
Mit richtig eingesetztem Humor lässt sich das (Führungs-)Leben erleichtern. Es öffnet Ihre Mitarbeiter, lässt sie mit mehr Freude an die Arbeit gehen und sie werden loyaler gegenüber der Führungskraft.
Witze auf Kosten anderer sind tabu, Witze über sich selbst jedoch werden gerne gehört. Jeder hat kleine Schwächen, und die meisten kennen diese auch. Warum nicht selbst darüber lachen? In diesem Sinne: Möge der Humor mit Ihnen sein!