Mitarbeiter, die auf der Karriereleiter im eigenen Team hochklettern, sehen sich oft unvermutet mit einigen Problemen konfrontiert.
Die bisherigen Kollegen, die plötzlich »Untergebene« sind, beobachten den neuen Vorgesetzten mit Argusaugen. Sie erwarten von »einem der ihren« eine entsprechende Vertretung ihrer Interessen nach oben, da der neue Chef die Probleme ja gut kennt – das erzeugt bereits zu Beginn ordentlich Druck. Gleichzeitig besteht auch ein gewisses Misstrauen dem neuen Chef gegenüber, da er jetzt in der neuen Funktion vor allem die Interessen der Geschäftsleitung zu vertreten hat.
Dieses Misstrauen schüren neue Chefs oft unbewusst, indem sie ein verändertes Verhalten zeigen, das die Mitarbeiter nur schwer einschätzen können. Die Frage lautet: »Wie glaube ich, dass ich sein sollte, um als Chef anerkannt zu sein?« Da viele neue Führungskräfte kaum vorbereitet auf diese Aufgabe sind, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als auf eigene Erfahrungen mit Führungskräften zurückzugreifen. Eine weitere Einflussgröße ist die Führungskultur. Dabei geht es weniger um die offiziellen Führungsleitlinien, sondern viel mehr darum, wie Führung im Unternehmen gelebt wird. Meist sind es unausgesprochene Regeln und Normen.
Auf der anderen Seite befürchten die Vorgesetzten der neuen Führungskraft, dass der Führungsstil zu kumpelhaft ist – schließlich handelt es sich ja um ehemalige Kollegen, mit denen sich oft auch persönliche Freundschaften entwickelt haben.
Erfahrungsgemäß beschäftigen neue Führungskräfte Fragen wie z. B.:
- Wie delegiere ich an die bisherigen Kollegen so, dass nicht sofort Konflikte entstehen?
- Wie gehe ich mit Neidern um sowie mit Konkurrenten, denen ich vorgezogen wurde?
- Wie kann ich persönliche Beziehungen oder Freundschaften weiter aufrechterhalten?
- Wie schaffe ich es, mich von meinen bisherigen Aufgaben so zu lösen, dass ich auch ausreichend Zeit für Führungsaufgaben habe?
- Wie kann ich das Vertrauen meiner Mitarbeiter gewinnen, ohne dass ich als Instrument zur Durchsetzung ihrer Interessen missbraucht werde?
Für alle diese Fragen gibt es keine allgemein gültigen Rezepte, daher ist die reflektierende Arbeit mit einem Coach in dieser Phase sehr nützlich.
Worauf es ankommt
Je klarer die Führungskraft in ihren Handlungen und in ihrer Kommunikation von den Mitarbeitern erlebt wird,
- je effektiver sich die Führungskraft selbst organisiert,
- je mehr sich die Führungskraft von dem Anspruch trennt, alles kontrollieren und managen zu können,
- je mehr es der Führungskraft gelingt, auch loszulassen und eine professionelle Distanz zu den Geschehnissen zu entwickeln,
- je höher das Bewusstsein der Führungskraft ist, dass die »Annahmen über die Wirklichkeiten« unterschiedlich sind und es daher der Bereitschaft bedarf, auch andere Sichtweisen in Betracht zu ziehen,
- je genauer die Führungskraft weiß, welche Art von Führungskraft sie sein möchte, welche Werte ihr dabei wichtig sind (und dies auch kommuniziert),
- je verbindlicher Vereinbarungen getroffen werden und offene (auch Konflikt-) Kommunikation durch die Führungskraft gefördert wird, …
… desto eher wird die Führungskraft in der Lage sein, ihre neue Aufgabe zielorientiert im Sinn des Unternehmens, aber auch mitarbeiterorientiert auszuführen, ohne allzu sehr von vermuteten Erwartungen, eigenen Ängsten und negativen inneren Antreibern geleitet zu sein. Ansonsten wird es vielleicht bald heißen: Gestern Führungskraft, heute Kollege.
Ein Coaching kann gerade in der ersten Zeit als neue Führungskraft wertvolle Dienste leisten – nicht zufällig gehen immer mehr Unternehmen dazu über, bei hausinternen Beförderungen standardmäßig der neuen Führungskraft ein begleitendes Coaching anzubieten.