Eva-Maria Kraus bietet einen neuen Lehrgang für Führungskräfte an. TRAiNiNG im Interview mit der Trainerin.
Warum wollen immer weniger junge Leute eine Führungskraft sein?
Viele Anhänger der jungen Generation wollen keine Führungskraft der Führung wegen sein. Sinnstiftende Arbeit, Werteorientierung und das Fachexpertentum sind für viele gleichsam wichtig im Arbeitsleben. Es wird weniger rein aus Ehrgeiz und Pflichtbewusstsein an der Spitze geblieben. Verantwortung im Beruf ist nicht mehr unbedingt das höchste Ziel im Leben vieler – Sinn, die Vereinbarkeit mit der Familie und dem privaten Leben werden als wichtiger erachtet, als noch vor 10 oder 20 Jahren.
Wie kann Führung so funktionieren, dass es sowohl der Führungskraft als auch den Mitarbeitern gut geht?
Generell ist zu beobachten, dass Machtdemonstration und Befehlsgewalt sowie klassische Hierarchien immer weniger Anklang finden. Sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter streben danach, Entwicklungs- und Gestaltungsspielräume zu eröffnen. Der Wunsch, abteilungsübergreifend zu arbeiten, wird immer lauter. Motivation beider Seiten erfolgt mehr über sinnstiftende und werteorientierte Visionen sowie ein wertschätzendes Arbeitsklima und klare Kommunikation. Transparente Strukturen, als Mensch gesehen zu werden mit Stimmungen, Werten und einem Privatleben, sind weitere Faktoren, die dazu führen, dass es Mitarbeitern und Führungskräften gut geht. In vielen Unternehmen ist der Wunsch zur Veränderung da, jedoch alte Strukturen und Machtgeflechte sehr festgefahren. Daher ist ein Lehrgang wie unserer ein wesentlicher Schritt zur aktiven Veränderung von Leadership-Kultur.
Welche Eigenschaften und Kompetenzen brauchen moderne Leader?
Es geht weg von Hierarchie hin zu Netzwerk. Von Anweisungen erteilen hin zu Verantwortung übernehmen und eigenständigem Handeln. Statt zu planen, wird experimentieren und das »Versuchen« immer wichtiger. Fehlerkultur, eine Mutkultur und Werte werden immer wichtiger. Statt einem inneren, geschlossenen Netzwerk wird Vernetzung immer tragfähiger.
Der Vorgesetzte – der Mensch, der einem vorgesetzt wird – und der Angestellte, der versucht während seiner Arbeitszeit nichts anzustellen, sind unzeitgemäß. Menschen zu bewegen, gerne für eine Sache zu arbeiten, zu motivieren, zuzutrauen: Das sind die neuen Aufgaben eines Leaders.
Wie können Führungskräfte für ihre komplexe Rolle vorbereitet werden?
Die Komplexität der Rolle muss deutlich werden. Auch Mut zur Lücke als Leader. Es geht weg von Macht hin zu Netzwerk. Diese Haltung kann bewusst gelebt werden. Daher muss Lernen auch immer verbunden sein mit Erleben. Durch Praxiserfahrung, Reflexion des eigenen Handelns und dem aktiven selber TUN wird greifbar, wie und wo das Gelernte in der Praxis aktive Anwendung finden kann. Es braucht hier Inhalte, die für die Teilnehmenden praxisnah und relevant sind. In unserem Lehrgang legen wir großen Wert auf die Transferwirksamkeit des Gelernten – also auf die wirkliche Umsetzung am Arbeitsplatz. Deshalb werden jeweils Umsetzungsschritte nach jedem Modul definiert und innerhalb der Gruppe reflektiert. Ebenso wird beispielsweise eigenständiges Handeln und Netzwerken in Working-out-loud-Circlen erprobt. So erhöhen wir massiv die Umsetzungsquote des Gelernten und tragen aktiv dazu bei, dass die Rolle des modernen Leaders zum Leben erweckt wird und Kulturveränderung stattfinden kann.