Warum es sich auch in Zeiten von Online-Jobplattformen noch lohnt, sich auf Karrieremessen zu präsentieren, lesen Sie in diesem Interview.
Wie kommen Arbeitgeber und Bewerber in der Regel zusammen? Richtig – online! Jobbörsen, Bewertungs-Plattformen, Business-Communities und Bewerbungsportale gibt es wie Sand am Meer, die Auswahl scheint riesig. Alle versprechen noch mehr Infos in noch schnellerer Zeit. Information-Overload.
Doch dann gibt es noch die Offline-Welt der Jobsuche. Mitten darunter: Karriereevents, Jobmessen und Networking-Veranstaltungen. Alle zielen darauf ab, den ersten persönlichen Kontakt zwischen Unternehmen und Bewerber zu ermöglichen – noch vor der eigentlichen Bewerbung.
Allen Prophezeiungen zum Trotz halten die Möglichkeiten zur persönlichen Begegnung der Online-Konkurrenz wacker stand: Auf der Career Calling, Österreichs größter Karrieremesse, kommen jährlich 150 Arbeitgeber und 5 000 Studierende und Absolventen zusammen. Von wegen »Karrieremessen sind tot«.
TRAiNiNG hat Heike Schreiner über die Bedeutung von Karriere-Events und Face-to-face-Begegnungen in unserer digitalen Welt befragt.
»Die Offline-Welt wird überleben?« Lohnt es sich heutzutage noch, an einer Karrieremesse teilzunehmen?
Vor kurzem las ich die Schlagzeile »Computer sind nicht intelligent« – ein Hirnforscher stellt in Frage, dass ein Computer das menschliche Gehirn ersetzen könnte. Das brachte mich natürlich gleich zum Schmunzeln und unterstützt unseren Ansatz, dass sich durch die Digitalisierung zwar unter anderem eine enorme Flexibilisierung, Transparenz und Effizienzsteigerung ergibt, dass sich aber nicht alles ersetzen und digitalisieren lässt. Ein Gefühl zu vermitteln, Empathie und Emotionen zu zeigen, Vertrauen und Verbindungen aufzubauen – hier unterstelle ich, dass das echte Menschen besser können als der virtuelle Ersatz. In einer Welt, die so viele Antworten zulässt – Stichwort Google – wird es immer wichtiger, eine Möglichkeit zu haben, live und direkt Informationen zu bekommen und sie persönlich filtern zu können.
Welche Entwicklungen und Trends gibt es im Vergleich zu früher?
Auch wenn Veränderungen im Bewerbungs- bzw. Recruitingprozess an der Tagesordnung stehen, so ist eines unverändert: Für Bewerber eröffnet sich mit dem Blick auf den potenziellen Arbeitsmarkt ein Dschungel an Arbeitgebern, Jobs, Möglichkeiten. Und gleichsam wird die Wahrnehmung immer selektiver: selbst gesetzte Filter und durch Algorithmen gesteuerte Werbung lassen Bewerber wiederum eine reduzierte Anzahl an potenziellen Arbeitgebern im Mindset haben. Waren es vor 10 Jahren noch 8 bis 10 Arbeitgeber, an die Studierende als potenzielle Arbeitgeber gedacht haben, sind es heute nur noch 4 bis 6.
Welche Benefits haben Unternehmen durch eine Teilnahme an einem Karriere-Event?
Hier liegen zwei klar auf der Hand: Zum einen sichtbar werden – sich aus dem Bewerbungsdschungel abzuheben – und zum anderen persönlich Antworten auf Fragen geben. Bei einer Karrieremesse ist es wie bei einer Online-Jobbörse: Alle Angebote befinden sich auf einem Platz. Stellen Sie sich einmal vor, jeder Bewerber müsste jedes einzelne Unternehmen aufsuchen – bei einer In-house- oder On-Campus-Karriereveranstaltung. Oder anders gefragt: Bei der wievielten Karrierewebsite würde ein Student die Suche nach dem idealen Job beenden?
Worum geht es in der Regel: um Recruiting oder Branding?
Als Veranstalter einer Karrieremesse geht es uns vor allem darum, persönliche Kontakte zu ermöglichen. Wie weit dieses Kennenlernen geht, ist offen. Im besten Fall kommt es natürlich zum Recruiting und nicht nur zum Employer Branding. Der Recruitingprozess von heute verlangt jedoch – leider – mehr Schritte. Und das wird von den Besuchern oft als hinderlich empfunden. Der Zwischenschritt über ein Bewerberportal wird meist als Bruch in der Kontaktaufnahme gesehen. Hier kann man durch eine gute »Candidate Journey« sowohl im Recruiting als auch im Employer Branding punkten.
Mit welchen Erwartungen kommen die Besucher?
Mit den verschiedensten! Wer aktuell auf Jobsuche ist, nutzt ein Karriereevent, um konkrete Gespräche zu führen – das sind bei unserer Karrieremesse rund 30 % der Besucher. Ein anderes Drittel nutzt Karriere-Events, um sich über aktuelle Entwicklungen und neue Arbeitgeber zu informieren sowie mit bestehenden Kontakten wieder in Verbindung zu treten. Wieder ein anderes Drittel folgt unserem Rat und kommt bereits sehr früh im Studium auf die Messe. Einfach, um schon frühzeitig Kontakte aufzubauen und die Weichen im Studium für den richtigen Job zu stellen.
Wie kann ein Unternehmen das Beste aus dem Karriere-Event herausholen?
In dem es sich auf genau diese drei Zielgruppen vorbereitet. Für die Jobsuchenden kann man eine Jobwall mit den ausgedruckten (ja ausgedruckten!) Jobs am Messestand vorbereiten. Für alle anderen gilt es, offene, positive Mitarbeiter an den Stand zu holen, die gerne mit jungen Menschen interagieren und das Unternehmen und die Recruitingprozesse gut kennen. Die eigenen Mitarbeiter sind einmal mehr die Erfolgsfaktoren und: Mitarbeiter werben Mitarbeiter.
Welche No-Gos gibt es?
Der Verweis auf die Karriere-Website, auch wenn’s gut gemeint ist, ist für Bewerber ein No-Go. Denn diese finden sie auch ohne Empfehlung. Und dann sind es noch Kleinigkeiten: Mitarbeiter, die sich am Messestand miteinander unterhalten, statt auf die Besucher zuzugehen oder die keine Informationen über die Bewerbungswege haben. Der Schlüssel für den Erfolg sind, wie gesagt, die Mitarbeiter. Wir wissen, wie viel Personaleinsatz so eine Messe mit sich bringt, aber die richtige Besetzung des Messe-Teams ist essenziell.
Abschließend: Welche Tipps haben Sie für einen gelungenen Event?
Stellen Sie sich bei der Vorbereitung der Teilnahme genau die oben angesprochenen Fragen und überlegen Sie konsequent, wie Sie Ihre Ziele erreichen. Und versetzen Sie sich genau in die Rolle der Bewerber und gleichen Sie die Erreichung von deren Zielen mit den eigenen Zielen gut ab!