Neu denken und nachhaltig gestalten

Wie das Standardtraining im digitalen Zeitalter ankommt, beschreibt Gastautor Peter Grabuschnig.

»Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung«, hat Heraklit bereits vor 2 500 Jahren behauptet. Wir leben in einer Zeit, in der sich die Märkte schneller ändern als je zuvor. Alles ist vernetzt. Die Navigation wird für Unternehmen durch Rezessionen und Globalisierung immer schwieriger, da viele Branchen nun auf Buzzwords wie Agilität und Digitalisierung setzen. Die passenden Modelle dafür haben bereits Einzug in die Seminarräume gefunden. Die Trainingsbranche selbst scheint jedoch nur langsam auf die neuen Gegebenheiten zu reagieren. Das »Standardtraining« ist vielerorts immer noch das Maß aller Dinge und wird weiterhin als Zugpferd verkauft. Trotz der Kombinierung mit E-Learning und Coaching unter dem Namen »Blended Learning« ruft der Nachfragemarkt vermehrt nach neuen, nachhaltigeren Formen des Lernens.

Trainings wie vor 30 Jahren

Schon bei dem Gedanken an ein Training empfinden viele Mitarbeiter Widerstand: »Nicht schon wieder ein Training.« »Das ist sowieso umsonst.« »Für das habe ich wirklich keine Zeit.« Die Hypothese dazu: Mitarbeiter denken so, weil es so ist! Was keinen echten Mehrwert bietet, will keiner haben. Dennoch investieren Unternehmen Tausende von Euro in das klassische zwei- bis dreitägige Seminarraum-Set-up zum Thema »Delegation« oder »Konfliktkommunikation«. Wagen wir gemeinsam einen Blick darauf, wie solche Trainings oft zustande kommen:
Führungskraft oder HR-Abteilung sehen den Bedarf, ihren Mitarbeitern konkrete Skills anzueignen oder aktuelle Probleme zu lösen. Z.B.: Ein Team hat einen Konflikt. Die einfachste Lösung ist ein Konfliktmanagement-Training oder vielleicht auch ein Teambuilding. Dieses Training wird dann bei einem Anbieter gebucht und in ein oder zwei Tagen durchgeführt. Training wird somit oft als Sofortmaßnahme oder »Pflaster« eingesetzt, das die blutende Wunde des Problems behandelt – allerdings nur kurzfristig. Dass solche Trainings inhaltlich meist für sich allein stehen und auch in keinen größeren Kontext eingebettet sind, ist stark zu hinterfragen. An diesem Beispiel lässt sich gut erkennen, dass der gedankliche Horizont eines Trainings im Bereich der Mitarbeiterentwicklung nach wie vor begrenzt ist. Unser Trainingssystem hat seit der Entstehung in den 70er-Jahren keine großartigen Veränderungen erfahren. Statt einer zielgerichteten Entwicklung neuer Methoden, arbeitet man mit althergebrachten Ansätzen, die oft nur neue Namen bekommen. Und obwohl das Wissen um Transfersicherung enorm ist, ist die Anwendungsquote verschwindend gering. Und ja, das ist generalisierend. Aber der wichtige Punkt dahinter ist, dass die Branche dringend den Sprung ins 21. Jahrhundert schaffen muss, um sich – gerade im Hinblick auf die digitale Disruption – zukunftssicher zu gestalten.

Mut für neue Denkrichtungen

Als Berater in der Führungskräfteentwicklung ist es mir ein Anliegen, neue Formate und Strategien für einen nachhaltigen Lernerfolg in Unternehmen zu entwickeln und zu testen. Dabei muss die Welt nicht immer neu erfunden werden. Durch mutige Kunden, kreative Ansätze und ein offenes Trial-and-Error kann es innerhalb von wenigen Monaten gelingen, die vorhandenen Trainingsmethoden aus den 90ern in die Moderne zu holen. Dabei sind vier Denkrichtungen zentral, die über den Anspruch der Wissens- oder Skillsvermittlung – Hauptfokus eines Standardtrainings – hinausgehen:
1. Networking: Selbst erarbeitete und kreative Maßnahmen in den Arbeitsalltag integrieren
In den meisten Unternehmen ist bereits sehr viel Wissen vorhanden. Führungskräfte und Mitarbeiter bringen viele Erfahrungen mit, die das Unternehmen als Ressource nutzen kann und sollte. Zur Umsetzung dessen haben wir ein spezielles Format von Großevent und Austauschplattform für Führungskräfte entwickelt. In einer Abwandlung des Bar-Camps können die Teilnehmenden an ihren eigenen Themen arbeiten, Best-Practice-Beispiele teilen und Situationen aus ihrem Alltag mit anderen Kollegen besprechen. Ein weiterer Benefit ist, dass die Organisation selbst einen Einblick in aktuell relevante Themen bekommt.

2. Reflexion: Regelmäßige Feedbackschleifen zur eigenen Person
Mit der Unterstützung einer Persönlichkeitsanalyse, um sich selbst und andere besser verstehen zu lernen, können die Teilnehmer ihre eigenen Entwicklungsfelder erfassen und Ansätze von Selbstführung definieren.

3. Team-Development: Die Potenziale der einzelnen kennen und die Dynamik nutzen
Hier geht es darum, ein Gefühl für Teamdynamiken zu bekommen. Ziel ist es, aus den Unterschieden im Team Potenziale zu bilden, um im besten Fall ein High Performance Team zu werden. Hierbei wird mit einer Persönlichkeitsanalyse und dem daraus resultierenden Team-Report gearbeitet. Sich gegenseitig kennenzulernen, zu verstehen und die Stärken der Einzelnen zu kombinieren, führt zu einer besseren Zusammenarbeit auf allen Ebenen.

4. Wissensvermittlung: Technologisch erprobte Tools nutzen, um Wissen besser streuen und steuern zu können
Um Wissen zugänglich zu machen und Barrieren abzubauen, die beim Zugang zu Training in vielen Firmen, auf Grund von Kostenstrukturen, entstehen, kann man Wissensimpulse im Format von 90-minütigen, interaktiven ­Online-Masterclasses einsetzen. Eine Weiterentwicklung des Webinars mit der Möglichkeit, eine Vielzahl von Personen zu erreichen. Diese können aufgezeichnet und auch zum späteren Ansehen zur Verfügung gestellt werden.

Doch selbst, wenn Führungskräften all diese Möglichkeiten zum Vernetzen, Reflektieren, Teamentwickeln und Aneignen von neuem Wissen zur Verfügung gestellt werden, heißt das noch nicht, dass sich ein bleibender Erfolg einstellt. Es ist die unverzichtbare Vorarbeit.  Um nachhaltigen Lerntransfer zu ermöglichen, braucht es um einiges mehr.

Führungskraft als Schlüsselfigur

Um Wissenstransfer zu ermöglichen, braucht es die Einsatzbereitschaft aller Beteiligten – allen voran der Führungskraft! Deshalb sollten Trainingsinitiativen in keinem Fall nur mit HR-Abteilungen geplant werden, es braucht eine strategische und operative Einbettung der Vorhaben. Bereits im Vorfeld gehören sowohl die direkte Führungskraft als auch die Teilnehmer miteinbezogen. Im Zuge dessen werden Lernziele erstellt und klar und messbar definiert. Transferfragen, wie »Was soll sich konkret am Verhalten der Mitarbeiter verändern?«, können hier Hilfestellung bieten. Wir kennen alle die Begrifflichkeit »die Führungskraft als Coach«. Hier spreche ich aber von »der Führungskraft als Trainer«. Führungskräfte sind in der Transferphase nämlich dafür verantwortlich, die Umsetzung des Gelernten einzufordern. Wenn sie keine Verantwortung für die Entwicklung ihrer Mitarbeiter übernehmen, werden sie auch nicht das gewünschte Ergebnis erzielen.

Gemeinsam denken

Nachhaltigkeit kann nur dann erreicht werden, wenn wir inklusiv denken und alle wichtigen, am Lernerfolg beteiligten Personen, miteinbeziehen. Sobald wir eine Person außen vorlassen, ist der Erfolg bereits gefährdet. Um zu erfahren, was die Teilnehmenden brauchen, müssen wir allerdings auch mutig sein. Mutig, die richtigen Fragen zu stellen! Statt eines Happy-Sheets, ist es an der Zeit, konkret nach der Umsetzung zu fragen: »Was werde ich von dem Gelernten umsetzen?«, »Wie kann ich dieses Tool in meinem Alltag einsetzen?« oder »Wie wird sich mein Verhalten durch das Gelernte verändern?« Wir müssen beginnen, Training vermehrt im Zusammenhang mit Personalentwicklung und Karriereplanung zu denken. Nur so können wir Transfer sicherstellen, die Retention erhöhen und den Mitarbeitern durch Trainings einen Mehrwert bieten.

 

Tipps für das nachhaltige Design von Trainingsinitiativen:

1.    Bedarfsanalyse gemeinsam mit Stakeholder, Führungskraft und Teilnehmer

  • in Interviewform, Briefing und/oder Fragebogen-Format
  • konkrete und realistische Lern- und Entwicklungsziele definieren

2.    Module und Formate, die aufeinander aufbauen und inhaltlich miteinander verlinkt sind
3.    Transfermaßnahmen zwischen den Trainings

  • Aufgaben, die erfüllt werden sollen
  • Individuelle Coachingeinheiten
  • Training on the Job
  • Reflexion des Gelernten
  • Peergruppen
  • Konkrete Maßnahmen mit Aktionsplänen erarbeiten und in den Arbeitsalltag einbauen

4.    Vernetzungs- und Reflexionsräume schaffen
5.    Evaluierung durch transferorientierte Fragebögen
6.    Verhaltensveränderung durch einen begleitenden Prozess herbeiführen – »im Tun liegt die Kraft«

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Peter

Gastautor
Peter Grabuschnig, Senior L&D Consultant bei MDI.
www.mdi-training.com