Seminare wirksamer gestalten

In Zeiten der weltweiten Epidemie steht Weiterbildung bei Unternehmen auf der Prioritätenliste nicht weit oben. Jedoch, es gibt ein Leben danach. Dann werden Unternehmen ganz besonders darauf achten müssen, welche Bildungsmaßnahmen messbare Ergebnisse liefern.

Das gute an jeder Krise ist die Chance, daraus zu lernen. Wir haben das schon nach den beiden letzten großen wirtschaftlich spürbaren Krisen in Österreich klar beobachten können. Seminare wurden kürzer – die Inhalte mehr hinterfragt. Manche Seminarthemen gibt es schlichtweg gar nicht mehr. Hier wurde von den Unternehmen erkannt, dass diese Maßnahmen beinahe sinnlos waren und nur Geld verbrannt hatten. Derzeit gehen einige davon aus, dass das Wirtschaftsleben und damit auch die Weiterbildungsbranche im Sommer 2020 wieder langsam anspringen wird. Aber wofür werden Unternehmen dann ihr Geld investieren? Sicher nur für wichtige Maßnahmen, die nachweislich einen ROI bringen.
Trainer sind deshalb heute mehr denn je gefordert, ihr Angebot so zu gestalten, dass die Teilnehmer das vermittelte Wissen auch nachhaltig verankern können und in der Praxis umsetzen. Denn derzeit sieht es leider noch ganz anders aus. Die Transferforschung zeigt, dass durchschnittlich von 6 Seminarteilnehmern nur ein einziger das Gelernte nachhaltig anwendet. 4 Teilnehmer probieren nach einem Seminar Neues aus, verwerfen es aber bald wieder. Ein Teilnehmer nimmt schlicht und einfach gar nichts mit. Viel zu oft noch werden Teilnehmer gegen ihren Willen in (teure) Seminare geschickt, die absolut keinen Nutzen zeigen, im Gegenteil, sogar demotivierend für die Mitarbeiter wirken können.
Zumindest in Zeiten vor der Corona-Krise haben Unternehmen das Thema ganz unterschiedlich gesehen.
Anna Langheiter (Expertin für Trainingsdesign) weiß, wie unterschiedlich Unternehmen denken: »Manche Auftraggeber wollen einfach nur, dass das Training stattfindet, die anderen möchten auch, dass das Gelernte und die gemachten Erfahrungen angewendet werden und wollen auch die positiven Auswirkungen auf das Unternehmen erkennen können.«

In Post-Corona-Zeiten wird sich diese Einstellung massiv verändern. Es besteht die große Chance, die Bildung zu modernisieren und Methoden und Inhalte, die vor Jahren aktuell waren, zu hinterfragen. Trainer und Unternehmen sind angehalten, die Lernenden bestmöglichst zu unterstützen und nicht einfach nur »2-Tage-Seminarraum« anzubieten. Dafür ist die Zeit schlicht und einfach vorbei. Für die nachhaltige Gestaltung eines Seminars sind mehrere Akteure verantwortlich: der Trainer, das auftraggebende Unternehmen und natürlich die Teilnehmer. In diesem Artikel schauen wir uns jeweils an, was diese drei Akteure zu einem wirkungsvolleren Training beitragen können.

Maßnahmen der Unternehmen

Unternehmen sollten das größte Interesse daran haben, dass eine Bildungsmaßnahme für die Organisation sinnvoll ist. Umso erstaunlicher ist das Phänomen, dass noch immer wahllos Seminare gebucht werden, ohne deren Nutzen zu hinterfragen. Seminare als Incentives war bis Ende der 90er-Jahre modern. Quasi um Mitarbeiter zu belohnen, durften sie auf ein Seminar gehen. In Zeiten knapper Ressourcen ist das anders.
Noch bevor ein Training eingekauft wird, muss hinterfragt werden, ob das überhaupt die richtige Maßnahme ist. Vielleicht sind Coaching, Mentoring oder eine andere Maßnahme zielführender als ein Seminar. Und wenn ein Seminar die gewünschte Maßnahme ist, stellen sich viele weitere Fragen. Welches Thema ist das richtige? Welcher Trainer? Was ist das ganz konkrete Ziel für das Unternehmen und was bedeutet das für die Ziele der Mitarbeiter und Seminarteilnehmer? Unternehmen müssen enger mit den Teilnehmern und mit dem Trainer kommunizieren. Ist das mühsamer als wahllos Trainer einzukaufen? Ja, klar! Ist es sinnvoller? Ja, klar! Und das raten Experten:

Peter Dziergas (Geschäftsführer Dale Carnegie): »Es ist wichtig, den Teilnehmern klar zu kommunizieren, was der Nutzen für sie selbst und das Unternehmen durch das kommende Training ist. Insbesondere wenn es auch darum geht, Werte und Kultur zu fördern. Während des Trainings ist ein Austausch über den Fortschritt mit allen einzelnen Teilnehmern wichtig. Es ist unabdingbar, Offenheit zu zeigen, dass das Erlernte durch die Teilnehmer auch in die zukünftige Arbeit eingebracht werden kann und darf. Dazu sind alle Beteiligten einzubeziehen, auch davon Betroffene anderer Abteilungen und deren Führungskräfte.«

Eva-Maria Kraus (Inhaberin und Trainerin NEWVIEW): »Co-Creation ist mehr denn je gefragt, um Transferwirksamkeit und die Umsetzung des Gelernten in Anwendung zu bringen. Vorab müssen das Ziel und die gewünschte Veränderung ganz klar ausgearbeitet und definiert werden. Auch muss mit dem Trainer klar definiert werden, wie die Änderungen im Nachhinein gemessen werden können. Bei meinen Kunden betone ich immer, dass es nur gemeinsam gelingen kann, Verhaltens- oder Mindset-Veränderungen zu erreichen. Somit funktioniert der Satz ›Der Trainer wird das schon richten‹ nicht mehr. Einbindung von HR und Führungskräften in den gesamten Ablauf sind von enormer Wichtigkeit. Hierbei gilt es sich zu überlegen, welche Maßnahmen vor, während und vor allem nach dem Seminar erfolgen werden. So kann gewährleistet werden, dass die Umsetzung zielführend ist. Bei Unternehmensprogrammen werden oft Working-out-loud-Circle ins Leben gerufen. So vernetzen sich die Teilnehmer des Lehrgangs weiter im Unternehmen mit verschiedenen Kollegen und Führungskräften. Am Arbeitsplatz zurück werden dann die mit den Führungskräften erarbeiteten Umsetzungsunterstützungen zur Anwendung gebracht. Hier lege ich Wert darauf, dass jede Führungskraft sich individuell überlegt, welche Unterstützung zielführend ist und auch zum jeweiligen Menschen passt.«

Innerhalb der Organisation müssen Rahmen geschaffen werden, die es den Seminarteilnehmern auch ermöglichen, ihr neu erlerntes Wissen anzuwenden bzw. auszuprobieren. Viele kennen den Satz: »Na geh, der Herr Müller ist komisch, der war wieder auf einem Seminar. Das dauert jetzt 2 Tage, dann ist er wieder normal.« Ist diese Stimmung im Unternehmen vorhanden, wird es schwer, Veränderungen umzusetzen. Erst wenn die Führungskraft und auch die Kollegen den Sinn für eine Veränderung erkannt haben, kann diese passieren. Es muss Möglichkeiten geben, um das Neue anzuwenden, um es bildhaft darzustellen. Schicken Sie Mitarbeiter auf eine Schulung von MS Office 2020, wäre es sinnvoll, wenn diese Software auch im Unternehmen verwendet wird. Es gibt hierfür auch Ausnahmen. Piloten und Taucher werden für alle möglichen Notfälle trainiert, die hoffentlich nie passieren. Das klingt in diesem Beispiel banal und für jeden verständlich. Doch oft ist genau das nicht der Fall. Was wir nicht anwenden (können), vergessen wir. Eine Schulung zum Thema »Präsentieren« ergibt dann besonders Sinn, wenn wichtige Präsentationen anstehen, und nicht, um für den Fall der Fälle, dass man eine Präsentation irgendwann einmal halten muss, gerüstet zu sein. Wir fassen also zusammen: Der Teilnehmer muss bereits vor dem Seminar den Sinn verstehen, warum diese Maßnahme gesetzt wird.
Andrea Khom (Geschäftsführerin ANKH.AT) nennt dafür einige Fragen, die sich Unternehmen vor jeder Bildungsmaßnahme stellen sollten: »Schon beim Grund für ein Training entscheidet es sich, wie motiviert die Mitarbeiter der Trainings-Maßnahme gegenüber eingestellt sind. Hierbei stellen sich vor einem Training zahlreiche Fragen für das Unternehmen: Ist das Training eine ›Strafe‹, weil es Beschwerden gab oder etwas nicht gut genug läuft? Passen die Ziele nicht? Oder soll der Trainer eine ›ungeliebte Führungsaufgabe‹ im Training übernehmen? Wie werden die Mitarbeiter zum Training eingeladen? Welche Vorinformationen haben sie? Welche Ziele werden zwischen Führungskraft und Mitarbeiter vereinbart? Zeigt die Führungskraft Interesse an den Inhalten des Trainings? Wird nachgefragt? Wird nach dem Training ein Transfer-Gespräch oder Zielvereinbarungsgespräch geführt? Gibt es vielleicht sogar eine kurze Präsentation des Gelernten – mit den persönlichen Learnings und Zielen des Mitarbeiters? Werden auch Zeit, Raum und Rahmen für das Lernen und Umsetzen zur Verfügung gestellt? Studien zufolge hängt der Umsetzungserfolg bei firmeninternen Trainings zu mehr als der Hälfte von der Unterstützung der Führungskraft ab.«

Anna Langheiter gibt Unternehmen konkrete Tipps, was sie für den Transfererfolg beitragen können: »Die Führungskraft ist die wichtigste Person, um dem Lernenden bei der Umsetzung zu unterstützen. Dieses Wissen sollte mehr in Unternehmen ankommen. Eine hilfreiche Maßnahme ist eine visuelle Darstellung, in der die ›Learner Journey‹ (also die Gesamtdarstellung einer Trainingsmaßnahme) aufgezeigt wird. Das umfasst den zeitlichen Ablauf, die einzelnen Bausteine und die Beteiligten im Lernprozess. Der zeitliche Ablauf umfasst dabei nicht nur die Seminarzeiten, sondern auch die Lern- und Umsetzungszeiten, die immer benötigt, aber selten zur Verfügung gestellt werden. Die Beteiligten im Lernprozess umfassen in der Minimalvariante den Teilnehmer und die Führungskraft. Und alle sind sich ihrer Rolle bewusst und machen somit die Seminare wirksamer.«

Maßnahmen der Trainer

Der Trainer ist ein Kernakteur, er steht zwischen dem Unternehmen und den Teilnehmern. Er wird vom Unternehmen dafür bezahlt, die angegebenen Ziele zu erreichen. Diese Ziele sind von Unternehmen zu Unternehmen natürlich unterschiedlich, und ein Standardtraining wird häufig nicht von Erfolg gekrönt sein. In den letzten Jahren zeigte sich schon eine gewisse Professionalisierung der Branche. Immer öfters lehnten Trainer gewisse Maßnahmen ab, wenn sie ihnen wirkungslos erschienen. Und das ist auch gut so. Seminare verkaufen, auch wenn im Vorhinein klar ist, dass sie sinnlos sind, schadet jedem. Und auch Trainer müssen ehrlich zugeben, wenn sie den Auftrag nicht erfüllen können, bzw. sie eine andere Maßnahme oder einen anderen Trainer dafür als geeigneter betrachten. Genau das ist ja der große Vorteil externer Trainer. Man kann hier wirklich genau den Experten zu einem Thema einkaufen. Das schöne am Trainer-Beruf ist, Dinge zu verändern, Menschen und Organisationen weiterzubringen und erfolgreicher zu machen. Das gelingt aber nur dann, wenn ein Seminarkonzept exakt durchdacht und am aktuellen Stand der Unternehmensthemen ist. Lange Vorstellungsrunden in einem Eintages-Seminar, wie es sie immer noch gibt, oder endlos lange Feedbackrunden zum Seminarende kosten nur wertvolle Zeit. Was also könnten Trainer konkret (anders) machen, um Seminare noch erfolgreicher zu machen?

Peter Dziergas: »Ein laufender Austausch mit Personalabteilung und Führungskraft, mit Feinfühligkeit und Einfühlsamkeit, trägt dazu bei, die Reaktionen der einzelnen Teilnehmer auf das Training aufzunehmen. Es ist während des Seminars immer ein Praxisbezug herzustellen und mittels verschiedener Maßnahmen zu motivieren, dass die Teilnehmer diesen auch umsetzen. Nach dem Training bietet sich ein Follow-up oder eine Sustainment-Session an, um den Trainingserfolg sicherzustellen und, wenn nötig, nachzuschärfen. Danach erfolgen weitere Zielsetzungen mit den Teilnehmern.«

Andrea Khom: »Laut einer aktuellen Studie der TU Wien hat Wissen aktuell eine Halbwertzeit von 2 bis 3 Jahren. Heute geht es nicht mehr darum, Wissen zu vermitteln, sondern Können und Umsetzung zu trainieren. Die Nachhaltigkeit des Trainings beginnt schon lange vor dem Training. Auch Trainer müssen sich daher vor der Maßnahme einige Fragen stellen:

  • Werden die Führungskräfte mit an Bord geholt?
  • Werden die Mitarbeiter vorab informiert?
  • Stellt sich der Trainer kurz vor dem Training vor, um schon eine Beziehung aufzubauen?
  • Wie aktuell ist der didaktische Methodenkoffer des Trainers?
  • Wenn digitale Lernmethoden integriert werden (Blended Learning), wie gut strukturiert und aufgebaut ist das Konzept? Inwieweit ist das Blended Learning interaktiv und möglichst hürdenfrei, ist es mobilfähig und ortsunabhängig nutzbar?
  • Wie werden die Teilnehmer nach dem Training in ihrer Lern- und Umsetzungsphase unterstützt? Hier sprechen wir nicht nur von Fotoprotokollen, sondern einer längerfristigen Begleitung durch diverse didaktische Maßnahmen.«

Dass sich Trainer und Personalentwickler intensiver mit »Trainingsdesign« beschäftigen, das ist relativ neu. Es gibt dazu ein paar wirklich gute Bücher, empfohlen seien in diesem Zusammenhang: »Trainingsdesign« von Anna Langheiter und »Was Trainings wirklich wirksam macht« von Ina Weinbauer-Heidel. Anna Langheiter definiert den Begriff in ihrem Buch wie folgt: »Trainingsdesign ist der Prozess, prägnante Lernerfahrungen zu gestalten, die den Lernenden befähigen, das gewünschte Ziel zu erreichen.«
Ein Training heißt so, weil es eines ist! Der Vergleich zum Sport ist hier auch immer passend. Jeder Fitnessstudio-Besucher wird sein Jahresabo sofort kündigen, wenn er nach einem stundenlangen Vortrag über die Geräte wieder nach Hause geschickt wird. Er ist dort, um zu trainieren. Er will konkret anpacken und seinen Körper verbessern. Bei Wirtschaftstrainings geht es darum, das Verhalten zu trainieren und in irgendetwas besser zu werden, bzw. bestehende Sichtweisen in Frage zu stellen. Also muss konkret gearbeitet werden. Alles andere ist ein Vortrag! Je mehr Inhalte die Teilnehmer selbstständig erarbeiten, umso höher ist der Lernerfolg. Kurze Wissensinputs des Trainers mit anschließenden langen Übungssequenzen haben sich bei vielen Seminaren als wirkungsvoll herausgestellt. Der Trainer ist nicht mehr der Allwissende, sondern ein Lernbegleiter. In jedem Kochkurs kochen die Teilnehmer an einem Gericht. Das verankert die Schritte viel besser im Gehirn, als einfach nur dem Kochlehrer zuzusehen. Noch niemand hat gelernt, eine Zwiebel zu schneiden, ohne eine Zwiebel zu schneiden.

Eva-Maria Kraus gibt Tipps, was Trainer konkret machen können: »Trainer sollten sich in der Konzeption immer das Ziel des Trainings vor Augen halten. Ist dieses wirklich klar und konkret definiert, dann können Trainer immer wieder überprüfen: Ist der Inhalt zielführend, sind die Übung, das Erleben einer Methode oder die Simulation gut gewählt, um den Inhalt erlebbar zu machen? Wie erfolgt die Verknüpfung von Übung, Inhalt zum praktischen Arbeitsalltag? Wie kann der Trainer die Teilnehmer einladen, den Transfer für sich persönlich zu gestalten? Vor dem Training nehme ich bereits mit den Teilnehmern Kontakt auf. Sie bekommen vorbereitende kleine Aufgaben. Meist dienen diese zum Kennenlernen und um die Erwartung vorab zu klären. Während des Seminars wird durch aktives Üben, Ausarbeitungen und – wenn geht – klare Schritte in die Praxis bereits das Erlernte in Anwendung gebracht. Für die Teilnehmer sind sogenannte Transferbücher ein wertvolles Tool. Hier sind alle Inhalte zum Nachlesen enthalten, ebenso werden die Übungen durch persönliche Reflexionen im Buch festgehalten. Nach dem Seminar könnte den Teilnehmern eine eigens entwickelte Transferkampagne in der Umsetzung helfen. In kleinen Nuggets und Videos wird an das Erlernte erinnert. Klar ist dies alles mehr Arbeit als nur in den Seminarraum zu kommen und das Seminar zu halten, aber ich sehe, welche Wirkung genau hiermit erreicht werden kann. Und auch die Kunden verstehen durch die klare Absprache im Vorfeld, dass es ein Sonderbudget für Transfermaßnahmen geben sollte.«

Anna Langheiter rät ebenfalls immer dazu, das konkrete Ziel nicht aus den Augen zu verlieren: »Das Trainingsdesign und die Durchführung des Trainings wird auf die tatsächliche Anwendung im Unternehmen ausgerichtet. Nicht das erfolgreiche Training, sondern die erfolgreiche Anwendung im Unternehmensalltag steht im Vordergrund. Dies kann z. B. durch Arbeiten an Lernprojekten im Training und deren Umsetzung und Präsentation im Unternehmen geschehen.«
Um auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten als Trainer erfolgreich zu sein, muss ein Umdenken stattfinden. Denn tatsächlich werden Trainer und Berater in Zukunft dringend gebraucht. Die Isolierung durch das Corona-Virus zwingt die meisten Weiterbildner endlich, sich ganz konkret mit E-Learning-Varianten auseinanderzusetzen. Viel zu spät, aber besser jetzt als nie. Sie zwingt Trainer weiters dazu, in der auftragsfreien Zeit sich mit ihren Themen und ihrem Seminardesign zu beschäftigen. Jetzt ist Zeit zum Konzipieren, zum Hinterfragen, zum neu machen – zum besser machen!

Maßnahmen der Teilnehmer

Sie wissen bestimmt, wie motiviert Sie sind, wenn Sie wirklich etwas Neues lernen wollen, oder? Sei es ein neues Hobby, einen neuen Sport oder auch eine berufliche Fertigkeit. In Grillseminaren, die privat bezahlt werden und auf eigenen Wunsch gebucht werden, gibt es keinen Teilnehmer, der nicht wirklich lernen will. Niemand besucht MOOCs (meist kostenlose Online-Schulungen), der das nicht wirklich will.
Im Business-Alltag sieht das naturgemäß etwas anders aus. Die Teilnehmer werden häufig von ihrer Führungskraft oder von HR auf Seminare geschickt. Und hier beginnt schon die Misere. Sinnvoller wäre es, ihnen gewisse Themen schmackhaft zu machen, und sie selbst entscheiden zu lassen, ob sie daran teilnehmen oder nicht.

Peter Dziergas: »Idealerweise zeigen die Teilnehmer hohe Bereitschaft, Lernwilligkeit, Entscheidungsfreudigkeit und bringen sich aktiv in das Programm ein. Hilfreich ist es, Projekte im eigenen Arbeitsumfeld heranzuziehen. Also, weg von der ›Kursteilnahme‹, zu einem offenen Mindset für die persönliche Weiterentwicklung. Die Teilnehmer können durch die Transformation eigene Ideen entwickeln, um die persönliche Performance zu steigern. Wichtig ist ein ehrliches Feedback an die Führungskraft oder Personalabteilung, welche neuen Vorgangsweisen oder Veränderungen sich durch das Training erzielen lassen.«

Jedes Seminar bringt ja nicht nur das Unternehmen weiter, sondern auch die Teilnehmer persönlich. Es ist ein Geschenk vom Unternehmen an die Mitarbeiter zur persönlichen Weiterbildung. Leider kommt es aber häufig nicht so an. Wir allen kennen ungeliebte Geschenke. Der wichtigste Schritt ist also zuerst einmal, dass die Teilnehmer Ja zum anstehenden Seminar sagen. Das schaffen Unternehmen unter anderem durch eine ganz klare und offene Kommunikation über die Ziele, Erwartungen und Lerninhalte der Seminare im Vorhinein. Wenn Mitarbeiter außerdem aus mehreren Seminaren eines auswählen können, stärkt das deren Motivation. Auch die bisherige Erfahrung mit Seminaren hat natürlich einen Einfluss auf die zukünftige Erwartungshaltung der Teilnehmer. Sprechen Sie eventuell auch offen darüber, dass Sie vielleicht in der Vergangenheit Fehler gemacht haben und falsche Bildungsmaßnahmen eingekauft haben. Das fördert das Vertrauen und ändert möglicherweise die Einstellung zu kommenden Seminaren.

Andrea Khom: »Teilnehmer sollten sich zuallererst ihrer Einstellung gegenüber dem Seminar bewusst werden. Es gibt auch für sie einige Fragen, die zielführend sind:

  • Wie ist meine Einstellung gegenüber dem Training?
  • Stört es meinen Tagesablauf oder freue ich mich über die Möglichkeit, Neues zu lernen und zu erleben?
  • Wie kann ich mich selbst motivieren?
  • Beteilige ich mich im Training oder lasse ich mich berieseln und arbeite nebenbei meine E-Mails oder Social-Media-Chats ab?
  • Mache ich mir Notizen und unterstütze so schon mein Gehirn dabei, besser zu lernen und Maßnahmen zu setzen und Gewohnheiten zu ändern?
  • Suche ich nach dem Training aktiv ein Gespräch mit meiner Führungskraft und erzähle von den Erlebnissen – denn auch dies stärkt das Umsetzen.
  • Setze ich mir aktiv Lernziele? Habe ich diese auch schriftlich formuliert? Wie erinnere ich mich selbst daran?
  • Bin ich mir bewusst, welchen Nutzen mir die gelernten Themen und Inhalte bringen werden?«

Eva-Maria Kraus: »Je konkreter die Teilnehmer schon im Vorfeld wissen, was sie erwartet, desto besser. Der Zielhafen sollte für den Teilnehmer klar sein. Ich besteige ungern ein Schiff, wenn ich nicht weiß, wohin es fährt. Wenn möglich wird mit der Umsetzung einer Aufgabe oder Anwendung bereits im Seminar begonnen. So fällt es meist leichter, es nach dem Seminar weiterzuführen. Auch die Arbeit, welche konkreten Schritte nach dem Seminar getätigt werden sollen, wird noch im Seminar ausgearbeitet. Am Ende des Tages gibt es hierfür ausreichend Zeit, um dies zu planen und in klare Umsetzungsschritte zu bringen. Auch – wie bei den Führungskräften – vernetze ich die Teilnehmer untereinander. Sie haben eine bestimmte Kalenderwoche, in der sie den Rest der Gruppe über ihre Fortschritte, Herausforderungen und vielleicht auch Hänger informieren. So bleibt nicht nur einer aus der Gruppe dran, sondern auch die anderen werden immer wieder daran erinnert, an der Umsetzung dran zu bleiben. Auch die aufmunternden Worte aus der Gruppe helfen oft, wieder aufzustehen und es nochmalig zu versuchen.«

Trainingsdesign

Es ist natürlich sinnvoll, das Training und die Ziele genau abzustimmen. Trainer, Unternehmen und Teilnehmer sollten alle ihre Erwartungen kommunizieren, damit der Trainer genau weiß, wie das Seminar designt und konzipiert werden sollte, um den größten Nutzen zu bringen. Trainer und Unternehmen können gemeinsam daran arbeiten, eine Lernumgebung zu schaffen, die effizientes Lernen ermöglicht. Nur in Absprache kann dem Trainer klar werden, welche Vorerfahrungen die Teilnehmer mitbringen, in einem Standardseminar wird das nicht berücksichtigt werden. Wenn der Auftrag und die Voraussetzungen klar sind, kann der Trainer mit seiner Arbeit beginnen. Bereits im Vorfeld sollten auch die Maßnahmen diskutiert werden, um den Erfolg danach zu messen. Der Prozess für den Trainer sieht also zusammengefasst folgender Maßen aus: Trainingsbedarf und Ziele klar herausarbeiten – Training durchführen – Transfermaßnahmen setzen – Erfolg evaluieren und eventuelle Folgemaßnahmen besprechen.

Wie die Zeit des Lernens genau aussehen kann, erzählt Andrea Khom: »Die Trainingslandschaft ist in großer Veränderung. Die Digitalisierung hält immer mehr im klassischen Weiterbildungsbereich Einzug. Jüngere Teilnehmer sind es gewohnt, digital, selbstbestimmt und ortsungebunden zu lernen. Ältere Teilnehmer können von neuen Trainings-Designs profitieren, denn die wenigen Präsenzstunden sind vor allem dem TUN gewidmet. Theoretische Inhalte werden in Blended-Learning-Konzepten vor, während und nach den Präsenzeinheiten angeboten. Das Lernen wird nicht kürzer werden, sondern in kleineren Lerneinheiten über einen längeren Zeitraum geschehen. Lernen findet nicht mehr ausschließlich im Seminarraum statt, sondern während der Arbeitszeit. Für das Lernen müssen die Rahmenbedingungen zur Verfügung gestellt werden. Das sind einerseits Zeit und Raum (ruhige Lernumgebung bzw. Lernstunden) und auch das technische Equipment (PC, Lautsprecher, Webcam, Bandbreite, Firewall). Alle im Unternehmen müssen umdenken – das Online-Lernen ist keine Freizeit, sondern Teil der Arbeitszeit.«

Peter Dziergas: »Die Teilnehmer sollen möglichst interaktiv an eigenen Themen arbeiten und sich mit anderen Teilnehmern darüber austauschen können. Das Gemeinsame ist der angestrebte Erfolg. Der Konferenzraum bietet hierzu ein geschütztes Umfeld. Der Trainer soll hier ein Lernermöglicher sein und neue Erfahrungen aus dem Business einbringen. Es ist wichtig, dass die Programme auf die Ziele des Unternehmens abgestimmt sind. Dazu muss klar definiert werden, welche Ziele angestrebt werden und woran die Ergebnisse bewertet werden. Kosten für die Mitarbeiterentwicklung sind Investitionen in die Stärkung des Unternehmens!«

Eva-Maria Kraus benutzt eine bildhafte Metapher für das Trainingsdesign: »Ich mag die Metapher der Reise. Im Vorfeld muss der Zielhafen ganz klar sein. Wo soll die Reise hingehen? Wen braucht es alles im Boot? Gibt es Gegenwind? Wie begegne ich diesem, damit die Reise erfolgreich sein kann? Welche Reiseutensilien, Karten und Materialien sind notwendig? Das Reisebüro informiert uns auch über den Reiseablauf. Dies gilt auch für die Vorab-Kommunikation im Seminarkontext. Auf der Reise muss ich dann wissen, welche Zwischenstationen ich ansteuern soll, und dabei muss ich stets das Ziel vor Augen haben. Erlebnis, Abenteuer, leichte Überforderung und Erfolge sind wichtig, um weiterreisen zu wollen und zu können. Neugier auf den nächsten Hafen am Weg ist wichtig, um Lernen zu ermöglichen. Dies erfolgt durch zielführende, erlebnisorientierte Methoden, die theoretische Inhalte transportieren und erlebbar machen. So benötigt es weniger meinen Vortrag über etwas, weil die Teilnehmer es selbst spüren und dadurch nachhaltiges Lernen wirklich möglich wird. Und klar am Ende: Die Ankunft im Hafen. Ein Innehalten vor dem Einlaufen in den Hafen: Was nehme ich mit? Was kann ich in der Realität anwenden? Wo benötige ich Unterstützung? Und wo kann ich gleich loslegen? Und nach dem Seminar sollte immer die Frage beantwortet werden: Wie bleibe ich mit meiner Reisegruppe in positivem Kontakt und wen brauchen sie jetzt ›zuhause‹, um möglichst viel von der Reise und den Eindrücken, Impulsen und dem neuen Wissen in die Wirklichkeit zu integrieren.«

Fazit
Für das nachhaltige Gestalten von Seminaren sind alle involvierten Akteure verantwortlich: das Unternehmen, die Teilnehmer und der Trainer. Jeder kann einen Beitrag dazu leisten, dass der Lernerfolg und damit die angestrebte Veränderung vergrößert werden. Im Vorfeld müssen ganz konkrete Ziele definiert werden, das Seminar muss gut durchdacht und gestaltet sein, der Transferprozess, der bereits im Vorfeld mit der Führungskraft besprochen sein sollte, muss auch tatsächlich stattfinden, und eine Evaluierung am Ende rundet den Gesamtprozess erfolgreich ab. Dann steht dem »Lernen neu« absolut nichts mehr im Wege.

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