Hinfallen, aufstehen, Krone richten

Während etliche Branchen unter den Auswirkungen von Corona leiden und jammern, profitieren andere. Wichtig wie selten zuvor ist es nun, aktiv an Kunden heranzutreten. Worauf bei der Kaltakquise derzeit besonders zu achten ist, lesen Sie hier.

Aktuelle Zahlen, welchen Schaden die Corona-Krise der heimischen Wirtschaft zufügt, sprechen von einem Einbruch zwischen 5 % und 8 %. Handel und Dienstleistungen stellen im Bruttoinlandsprodukt eine wesentliche Komponente dar. Machen die Krise und vor allem das Leben danach den Verkauf noch schwieriger als vorher? Was hat sich verändert, was wird sich noch verändern? Natürlich war es für den klassischen Handel (abgesehen vom Lebensmittelhandel) schwierig bis unmöglich, während des Lock-downs zu verkaufen, da bekanntlich die Geschäfte geschlossen waren. Doch einige haben ihre Chance erkannt und schnell auf Online-Versand umgestellt. Besonders bei Buchhändlern war dieser Trend zu erkennen. Gewisse Branchen sind natürlich schwer betroffen, wie z. B. der Neuwagen-Markt oder auch die Weiterbildungsbranche.
Manche Firmen haben innerhalb weniger Tage ihr Produktportfolio erweitert und Artikel produziert, die derzeit besonders gefragt sind/waren, wie z. B. Plexiglasscheiben für Supermärkte oder Desinfektionsmittel. Das waren die wirtschaftlichen Gewinner der Corona-Krise. Auch in der Erwachsenenbildung gab es ein paar Gewinner. Diejenigen nämlich, die sich bereits vor der Krise gut auf digitale Produkte zur Vermittlung von Wissen spezialisiert hatten. Dass der Trend von Blended Learning jetzt massiv an Fahrt gewonnen hat, ist offensichtlich. Die Nachfrage z. B. nach Ausbildungen zum »digitalen Trainer« ist hoch. TRAiNiNG hat bei drei Verkaufsexperten nachgefragt, wie die Krise den Verkauf an sich verändert hat und noch verändern wird.
Niklas Tripolt (Geschäftsführer VBC): »Die Grundzüge des Verkaufens sind seit 1 000 Jahren gleich, daran hat auch dieses Virus nichts geändert. Verkaufen funktioniert dann gut, wenn der Kunde ein Problem hat und der Verkäufer dazu eine Lösung anbietet. Was sich verändert hat, ist der Kommunikationskanal. Alle Verkäufer konnten lediglich via Telefon oder noch besser via Videokonferenz Kundengespräche führen. Dass der Kanal Videokonferenz das klassische Telefon deutlich überbietet, ist klar. Wer bereits Erfahrung und damit Ablaufroutine für Videokonferenzgespräche gesammelt hat, erkennt, dass diese fast an die Qualität eines Face2Face-Gespräches herankommen, inkl. Beziehungsaufbau und Rapport. Voraussetzungen sind eine stabile Internetverbindung und eine eingeschaltete Kamera auf der Kundenseite. Darum kann man den Kunden jederzeit bitten. Der Verkäufer kann so unter anderem erkennen, wie sich die Körpersprache des Kunden entwickelt.«

Andreas Nabicht (Trainer und Verkaufsexperte): »Jene Unternehmen, die auch vor Corona ihre Sales-Teams als Wettbewerbsvorteil begriffen und ihre digitale Strategie verfeinert haben, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nach Corona erfolgreich sein. 2 Punkte sind aus meiner Sicht derzeit besonders wichtig:
1. Digitale Strategie: Predictive Profiling, Data Storytelling, Customer Experience Management (CEM) oder Guerilla Marketing im digitalen Zeitalter sind nur einige wichtige Stichworte, die für die Zukunft weit oben auf der Agenda stehen sollten. Das Virus beschleunigt die Zunahme bereits existierender digitaler Trends und auch die Digitalisierung der Neukundenakquise nimmt Fahrt auf. Wer es schafft, sich eine ungewöhnliche Aktion auszudenken, hat die Chance, dass sich diese dann viral im Internet verbreitet. Dafür sind manchmal nur wenige Zutaten nötig.
2. Der Kundenheld-Faktor: Gerade in wirtschaftlich turbulenten Zeiten sind fortschrittliche, gut ausgebildete und empathische Verkäufer gefragt wie nie. Verkäufer, die die Erkenntnisse der modernen Gehirnforschung in ihre tägliche Arbeit integrieren, werden erfolgreich sein. Die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, einfühlend zuzuhören und mit entsprechendem Know-how die passenden Lösungen anbieten zu können, unterscheidet einen austauschbaren Dienstleister von einem Geschäftspartner auf Augenhöhe. Stellen Sie sich vor, ein Wunschkunde trifft folgende Aussage: ›Mir ist sehr wichtig, dass ich mich darauf verlassen kann, dass Sie bei Fragen direkt erreichbar sind und ich auch nach der Implementierung von Ihnen …‹. Dieser Interessent ist noch unsicher, er will ein gutes Gefühl vermittelt bekommen. Er will die Sicherheit haben, dass sich der Verkäufer auch nach dem Kauf um ihn kümmert. Vertrauen und eine starke Kunden-Verbindung spielen eine wichtige Rolle! Deshalb meine Frage: Wie entwickeln Ihre Verkäufer in der Praxis nun eine starke Kunden-Verbindung?«

Der Erstkontakt

Erstkontakte mit potenziellen Neukunden haben sich schon vor der Corona-Krise meistens per Telefon angebahnt. Wenn man sich grundsätzlich einig war, traf man sich im Anschluss persönlich, um Details zu besprechen und den »Deal« zu fixieren. Heute weicht das Telefon oftmals einem Video-Call mit dem großen Vorteil, den Kunden auch zu sehen, statt nur zu hören. Doch dabei sollten einige Dinge berücksichtigt werden: Der Kunde sieht beispielsweise nicht nur die Person, sondern auch den Hintergrund – darauf sollte man unbedingt achten. Ebenso auf die Bekleidung. Die Internetverbindung muss perfekt funktionieren, denn ein Verkäufer, der diese Technik, mit der man jetzt gerade verstärkt arbeitet, nicht beherrscht, wirkt mehr als unprofessionell. Unsere befragten Experten haben dazu noch einige wichtige Tipps:

Andreas Nabicht: »Ob das Telefonat oder der Video-Call erfolgreich wird, entscheidet sich nicht während des Gespräches oder gar am Ende. Es entscheidet sich bereits vor dem Gespräch. Eine exzellente Recherche über den Wunschkunden gibt Sicherheit, weil der Verkäufer weiß, welche Herausforderungen und Ziele der Kunde haben könnte. In den ersten 100 Millisekunden scannt das Kundengehirn Sie unterbewusst und entscheidet, ob es Sie als vertrauenswürdigen, ehrlichen, smarten, authentischen etc. Gesprächspartner klassifiziert, oder ob Sie fürs Erste durchgefallen sind. Innerhalb von nur rund 90 Sekunden manifestiert sich der erste Eindruck. So lange haben Sie Zeit, um sich mit dem Kundengehirn anzufreunden. Diese einfache und flexible Struktur kann beim Gespräch unterstützen:

  • Begrüßung und Vorstellung: In welchem Auftrag rufen Sie an?
  • Kennt Sie der Gesprächspartner? Wenn ja, welche Verbindung besteht?
  • Warum rufen Sie an?
  • Ein Impuls: z. B. eine Problembeschreibung, eine offene oder Denk-Frage.
  • Die Begründung der Frage.«

Auch Michaela Kellner (Geschäftsführung ANKH.AT und Expertin für Verkauf) ist ein Fan von Leitfäden und hat damit schon einige Erfahrung: »Ein Leitfaden oder Telefonskript kann gerade bei den ersten Gesprächen oder ungeübten Personen hilfreich sein. Das Wichtigste beim Schreiben eines Leitfaden: Schreiben Sie so, wie Sie sprechen – und auf gar keinen Fall im schönsten Aufsatz-Stil!«

Richtige Fragen stellen

Eine passende Frage zum richtigen Zeitpunkt kann in jeder Form der Kommunikation Wunder wirken. Ganz besonders werden diese Fähigkeiten bei Verkaufsgesprächen gefordert. Besonders beim Erstkontakt zeigen ernst gemeinte Fragen das Interesse am Kunden. Und nebenbei erhalten Verkäufer so wichtige Antworten darüber, wie der Kunde tickt. Doch wahllos Fragen stellen, kann auch kontraproduktiv sein und das Gegenüber nerven.

Michaela Kellner: »Wir alle haben sicher irgendwann einmal gelernt, dass wir offene Fragen stellen sollen, um Informationen zu erhalten. Die meisten von uns haben die Erfahrung gemacht, dass dies nicht immer zum Ziel führt. Das liegt am ›Google-Effekt‹ der offenen Fragen. Meist sind die Fragen zu allgemein und zu offen formuliert, es gibt zu viele Antwortmöglichkeiten und unsere Gesprächspartner entscheiden sich für die einfachste, schnellste oder ihnen am nächsten liegende. Diese ist meist wenig zielführend und bringt uns nicht weiter. Wenn wir eine Suche in Google konkretisieren wollen, verfeinern wir die Eingabe. Dies sollten wir genauso auch bei der offenen Fragestellung beherzigen:
Statt: ›Welche Trainings planen Sie für Ihre Mitarbeiter?‹
Besser: ›Welche Trainings planen Sie für Ihre Mitarbeiter im Verkauf?‹ ›Welche Trainings planen Sie für Ihre Mitarbeiter, die neu ins Unternehmen kommen?‹
Der Verkäufer soll sich unbedingt auf Einwände vorbereiten, denn sie kommen sicher. Je besser er sich klar wird, welche Einwände kommen könnten, desto souveräner und eloquenter können diese behandelt und argumentiert werden. Ein gewiefter Verkäufer kann den einen oder anderen sogar vorwegnehmen und selbst ansprechen – idealerweise in Form einer Frage. Und ganz wichtig: Zum Abschluss kommen. Eines kann man sich nämlich sicher sein – ohne diesen Anruf hätte es vermutlich ein ›Nein‹ dieses Kunden gegeben, mit dem Anruf hat man zumindest eine Chance auf ein ›Ja‹. Deshalb kann der Verkäufer dabei nur gewinnen, wenn er tatsächlich anruft und am Ende des Gesprächs nach dem Abschluss fragt. Ein einfaches: ›Wie verbleiben wir?‹ kann hier schon hilfreich sein.«

Akquise neuer Kunden

Wie im Einleitungstext zu diesem Artikel schon dargestellt, befinden wir uns in wirtschaftlich schweren Zeiten. Zugegeben, das liest man seit vielen Jahren, es wirkt fast so, als kämen wir von einer Krise in die nächste.
Ergibt es daher nun noch mehr Sinn, als Verkäufer verstärkt aktiv in die Kaltakquise zu gehen? In vielen Gruppen auf Facebook, seien dies Einpersonenunternehmen oder Klein- und Mittelbetriebe, wird gejammert, als stehe das Ende der Welt bevor. So unfair seien die Härtefallfonds-Regeln, so fatal die Maßnahmen der Regierung. Und manchmal fragt man sich: Wo ist der Unternehmergeist geblieben? Ist es nicht die Kernkompetenz von erfolgreichen Unternehmern, schnell auf gegebene Umstände, die man nicht ändern kann, zu reagieren? Getreu dem Motto »Hinfallen, aufstehen, Krone richten, weitergehen« heißt es jetzt für viele Unternehmer bzw. Verkäufer: Hin zum Telefon und verkaufen! Denn das Leben geht weiter, wie jetzt schon wieder gut erkennbar ist. Kunden, die vorher ihre Dienstleistungen gerne konsumiert haben, werden das auch in Zukunft tun, vielleicht angepasst, leicht modifiziert. Doch der Bedarf ist da. Und wenn nicht: Dann muss man nach neuen Kunden suchen und anrufen. Wie wichtig ist es also auch in Post-Corona-Zeiten, aktive Telefonakquise zu betreiben?

Niklas Tripolt: »Sehr wichtig, denn dafür werden wir Verkäufer schließlich bezahlt. Die Wirtschaft kracht gerade zusammen. Wer also jetzt Umsätze halten oder ausbauen will, braucht zwei Dinge, neben der Basis eines ordentlichen Produkts oder einer ordentlichen Dienstleitung: 1. Frequenz, Frequenz, Frequenz, denn Kontakte bringen Kontrakte. Jetzt gilt es, die Anzahl der Kundengespräche deutlich zu erhöhen und 2. die Dialogqualität zu optimieren. Denn schlecht gemachte Verkaufsgespräche werden den Erfolg nicht duplizieren. Viele Kunden sind in diesen Wochen in ihr Home-Office verbannt, oder sogar in Kurzarbeit. Manche haben zuhause Kids, die sich mit Home-Schooling rumschlagen und manchmal genau dann etwas benötigen, wenn Papa oder Mama gerade in einer Videokonferenz sind. Was man braucht, ist Feingefühl, gutes Hinhören, Verständnis und ehrliches Interesse an den Sorgen der Kunden. NLP-Geschulte würden sagen ›Pacing‹ aufbauen, und dafür braucht es Geduld und Zeit. Das ist die Basis für ›Leading‹, nämlich – an der richtigen Stelle – seinen Kunden zu anderen Gedanken zu verhelfen. Gedanken, die positiv besetzt sind, Gedanken, die mehr Chancen als Probleme auslösen. Und im schlimmsten Fall wurde eben kein neues Geschäft ausgelöst oder es ist eben kein Verkauf gelungen, dann war es ein ›Kuschel-Gespräch‹ mit aller Wertschätzung. Dies wird dem Kunden in Erinnerung bleiben.«

Tipps für die Kaltakquise

Kaltakquise ist für viele Verkäufer die Königsdisziplin. Manche wollen es gar nicht, andere können es gar nicht erwarten, Montag früh wieder Listen durchzutelefonieren.
Es gibt viele Kleinigkeiten, die einen großen Unterschied im Outcome machen. Dabei ist auch die rechtliche Seite relevant, wie Michaela Kellner weiß: »Grundsätzlich ist die Kaltakquise neuer Kunden über Anrufe, E-Mails und Faxe im B2B-Bereich nicht erlaubt. Allerdings formuliert das Gesetz einen Ermessensspielraum: Könnten Geschäftskunden ›mutmaßlich‹ an Ihrem Angebot interessiert sein, dürfen wir diese ohne vorherige Einwilligung kontaktieren – allerdings nur telefonisch, nicht per E-Mail.
Das mutmaßliche Interesse im B2B ist meist dann gegeben, wenn ein ›zwingend sachlicher Zusammenhang‹ zwischen Produkt/Dienstleistung und dem kontaktierten Unternehmen besteht. Es kommt immer auf die Definition ›neuer Kunde‹ an. Am einfachsten, gewinnbringendsten und auch rechtlich am sichersten ist es, bestehende Kunden oder ›schlafende‹ Kunden wieder zu akquirieren. Gerade im HR oder Aus- und Weiterbildungsbereich gibt es viel Personalwechsel – und diese Personen sind dann letztendlich ›neue Kunden‹, das Unternehmen als solches jedoch nicht. Bei neuen Gesprächspartnern ist es nach wie vor am einfachsten, mit dem Aufhänger ›Wir haben mit Ihrem Unternehmen vor einiger Zeit schon zum Thema X zusammengearbeitet‹ ins Gespräch zu kommen. Aber auch bei bestehenden Gesprächspartnern kann ein guter Anrufgrund auch immer das Thema sein: ›Es hat sich bei uns und sicher auch bei Ihnen vieles verändert.‹ Und da fällt uns allen sicher im Moment genug an Gesprächsstoff ein – Stichwort Digitalisierung von Trainings, in welcher Form auch immer.«

Niklas Tripolt: »Verkäufer, die ihr Handwerk beherrschen, profilieren sich vor allem jetzt. Nie ist der Wettbewerb so klein, weil inaktiv, in Kurzarbeit, gekündigt oder demotiviert. Das wirkungsvollste Instrument ist Stamm- und Schlummerkunden zu aktivieren, sie anzurufen und telefonisch Termine für eine Videokonferenz zu vereinbaren. Das zweitbeste ist kluges Inbound-Marketing zu betreiben. Es braucht einen Mix an Marketingmaßnahmen und eine ordentliche Positionierung am Markt. Suchmaschinenmarketing, Website-Optimierung, Bewegtbilder im eigenen Youtube-Kanal, wertige Social-Media-Posts, Ads, Webinare, saubere Landingpages sind nur einige Schlagwörter, die in das Thema Inbound-Marketing einzahlen und – wenn gut gemacht – zu Kundenanfragen und damit zu warmen oder sogar heißen Leads führen. Gibt es diese, dann gilt es, diese Anfragen in Aufträge zu konvertieren. Es braucht also wieder einen Call oder ein anderes Instru­ment, um einen Termin zu vereinbaren. Wie ein online gestellter Kalender, in dem sich der Kunde seinen Wunschtermin gleich eintragen kann. Das Gespräch wird via Videokonferenz abgewickelt und muss gekonnt gemacht sein.«

Fazit
Unternehmerisch denken heißt, auch in turbulenten Zeiten die Chancen zu sehen und zu nutzen. Gerade jetzt können manche Manager und Verkäufer ihr Können wirklich beweisen. Greifen Sie zum Telefon, sprechen Sie mit Kunden und nutzen Sie die ruhige Zeit dafür, Ihre Verkaufsaktivitäten zu überdenken, zu perfektionieren und hochzuschrauben.

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