Die Covid-19-Krise verändert auch den Umgang zwischen den Menschen. Der Verhaltensforscher Gregor Fauma beleuchtet 2 Aspekte davon in diesem Artikel näher.
Das Leben im Rahmen der Covid-19-Restriktionen birgt für einen Verhaltensforscher ein paar neue Aspekte, die er tagtäglich beobachten kann. Besonders interessant sind zwei Phänomene: Der Umgang mit dem Mund-Nasen-Schutz in der Öffentlichkeit und die Art und Weise, wie wir in Web-Konferenzen miteinander kommunizieren.
1. Die Maske im öffentlichen Raum
Mit der Maske im Gesicht verdecken wir zwei Drittel unseres Gesichts. Damit fehlen auch wesentliche Aspekte der mimischen Kommunikation. Das Spiel der Mundwinkel, die Rolle der Oberlippe, die Botschaften des Nasenrückens – alles perdu! Es fehlen uns demnach ganz wichtige Aspekte, um die nonverbalen, meist unbewusst gesendeten Botschaften unserer Mitmenschen dechiffrieren zu können. Eine angemessene Reaktion auf das Wahrgenommene ist nun schwierig. Wir wissen einfach zu wenig über den Status unseres Gegenübers. Da wir selbst ja auch maskiert sind, fallen unsere nonverbalen Antworten auf die Signale entsprechend schwach bis undeutbar aus. Die Kommunikation kommt so fast zum Erliegen. Wären da nicht die Augen samt den Augenbrauen. Die Augen nehmen ja nicht nur wahr, sondern senden auch Signale. Der Blickkontakt gilt in der Forschung als das intensivste Signal. Starrer Blick ist meist dominant bis bedrohlich (abhängig vom Kontext), der Abbruch von Blickkontakt ist ein deutliches Zeichen einer Submission, einer Unterordnung. In Wahrheit müssten wir alle einander intensiv anstarren, um wenigstens ein paar Informationen zu erhaschen – doch das ist emotional zu »anstrengend«. Aber Evolution sei Dank haben wir ja noch das Rückgrat. Unsere Wirbelsäule wird embryonal schon sehr früh angelegt, ebenso die Steuerung der dazugehörenden Spinalnerven – und somit sind die Signale der Wirbelsäule, die Pose, die wir einnehmen, nahezu unverfälschbar und damit kaum manipulativ einsetzbar. Dies gilt, solange wir im Bereich der unbewussten Kommunikation bleiben, also im ganz normalen Alltag – zum Beispiel im Supermarkt vor den Regalen oder beim Anstellen an der Kassa. Wir brauchen keine Mimik, um Aggression oder Niedergeschlagenheit beim Gegenüber zu erkennen. Die Mimik bestätigt dies nur noch. Und so sind wir in der Lage, potenzielle Gefahrenherde (aggressive Mitmenschen) zu dechiffrieren und entsprechend zu reagieren.
2. Die Web-Konferenz
Digitale Kommunikation, von Monitor zu Monitor, macht eine evolutionsbiologisch funktionierende Kommunikation nicht gerade einfach. Es fehlt der echte Blickkontakt. Wenn man nicht auf die richtige Einstellung der Kamera achtet – und das tut niemand, scheint ’s –, reden die Menschen aneinander vorbei. Doch wie kann man Blickkontakt faken? Dazu muss man die Webcam vor die Augen des eingeblendeten Kommunikationspartners bringen. Oder man verschiebt das Skype/Zoom/Teams-Fenster so, dass die Augen auf Webcam-Höhe sind. Blickt man dann in die Kamera, so empfindet sich das »Gegenüber« als angeschaut. Ein zweiter, großer Monitor, ist hier sehr hilfreich. Weiters wichtig ist der Winkel, in dem man in die Kamera blickt. Kaum jemand kümmert sich darum, dabei wäre es so wichtig. Blickt man nämlich von oben nach unten, wie es die meisten Notebook-bedingt machen, so entsteht für das »Gegenüber« ein Betrachtungswinkel, den man eher von der Reiterposition beim Sex kennt. Und will man vom Gesprächspartner gerade »geritten« werden …?
Aber auch der Hintergrund kommuniziert massiv – und hier tappen viele in die Inszenierungsfalle, wie wir es von so genannten PowerPoint-Spezialisten kennen: Alles was geht, wird ausprobiert – bis zur Erschöpfung der Betrachter. Hier die Standardfrage von Präsentationstrainern: »Soll Ihre Botschaft, Sie selbst, oder Ihr Hintergrund in Erinnerung bleiben?« – und mit der Beantwortung dieser Frage kann man sich dann an die Inszenierung seiner Botschaften und/oder seiner selbst machen. Weniger ist hier wie üblich mehr.