DSGVO-konforme Videokonferenzen

In unserer September-Ausgabe haben wir in Aussicht gestellt, zu testen, ob sich Videokonferenzen datenschutzkonform abwickeln lassen.

Das Positive gleich vorweg: Es ist möglich, Live-Online-Meetings professionell mit großer Teilnehmerzahl abzuhalten und dabei die geltenden Datenschutzregeln einzuhalten. Der Artikel »Europa, wir haben ein Problem« (www.magazintraining.com/dsgvo) zeigt ganz genau auf, warum das mit Zoom, MS Teams, Adobe Connect, Cisco WebEx, Google Meet usw. so gut wie unmöglich ist. Nun wollten wir aber nicht nur darauf hinweisen, was alles nicht erlaubt ist, sondern auch Möglichkeiten aufzeigen, Online-Meetings legal und in hoher Qualität abzuhalten. Theoretisch geht das über Open-Source-Instrumente wie BigBlueButton  und Jitsi. Und praktisch? Genau das wollten wir testen.
Es war nicht das Ziel, einen objektiven Vergleichstest durchzuführen, der auf Basis von reproduzierbaren Parametern einen Testsieger ausweist. Vielmehr ging es uns darum, für Trainer und Seminarinstitute eine Möglichkeit zu finden, Sitzungen, Vorträge und Seminare/Trainings online abzuhalten – und zwar sicher, gesetzeskonform, benutzerfreundlich und ohne technische Probleme. Das ist gelungen.
Zunächst haben wir uns einen Überblick über den Markt und die angebotenen Tools verschafft. Als das Instrument der Wahl haben wir nach einigem Testen BigBlueButton (BBB) definiert, das ist die Open-Source-Lösung mit dem größten Funktionsumfang. Jitsi lässt sich zwar sehr gut für Online-Sitzungen unter Gleichberechtigten einsetzen, nicht aber für Vorträge, Webinare oder Trainings – denn dazu fehlen notwendige Einstellungsmöglichkeiten für Moderation und Administration.
BBB haben wir ausführlich getestet, bei verschiedenen Anbietern, auf verschiedenen Systemen, mit verschiedenen Geräten. Die Liste der Funktionen lässt kaum Wünsche offen:

 

  • Als Moderator kann man Teilnehmer stumm schalten, aus dem Meeting entfernen, ihnen unterschiedliche Rollen zuweisen, sie zu Moderatoren machen usw.
  • Es gibt einen gemeinsamen Gruppen-Chat und die Möglichkeit, mit einzelnen Teilnehmern »privat« Textnachrichten auszutauschen.
  • Neben einem Whiteboard gibt es auch »geteilte Notizen«. Das ist eine Art Textdatei, an der sich gemeinsam arbeiten und die sich dann auch speichern lässt. (Cooles Feature!)
  • Man kann besonders einfach und schnell Break-out-Räume anlegen, die Teilnehmer also in Kleingruppen arbeiten lassen.
  • Es können vorbereitete Präsentationen abgespielt werden.
  • Man kann den eigenen Bildschirm freigeben und dabei auswählen, ob man einen ganzen Bildschirm oder nur ein Fenster freigibt.
  • Externe Videos (z. B. Youtube) lassen sich abspielen.
  • Videokonferenzen können aufgezeichnet werden.
  • Die Umfrage-Funktion ist hervorragend integriert.
  • Die Teilnehmer (und auch die Moderatoren) brauchen keine Programme oder Apps zu installieren (solche gibt es gar nicht), der volle Funktionsumfang steht einfach in den gängigen (und aktuellen) Browsern zur Verfügung.
  • Man braucht sich als Teilnehmer nicht zu registrieren oder anzumelden. Link aufrufen – und schon ist man bei einer Videokonferenz dabei.

BBB ist also in puncto Funktionsumfang und Bedienbarkeit den meisten anderen Systemen überlegen. Es gibt in der Usability aber auch einige Nachteile:

  • Beim Einstieg in eine Videokonferenz kann man zwischen »mit Mikrofon« und »nur zuhören« wählen. Wer sich für »nur zuhören« entscheidet, muss – falls er sich später doch am Gespräch beteiligen will – einen Weg einschlagen, der alles andere als intuitiv ist.
  • Die Symbole für  »Daumen hoch«, »aufzeigen« usw. sind zu klein und unauffällig.

Der große Nachteil ist, dass die Installation nur von Profis mit BBB-Erfahrung vorgenommen werden kann. Eigentlich kann man es sich ja kostenlos herunterladen und dann selbst auf einen Server installieren. Aber das darf nicht irgendein Server sein, er muss unter Ubuntu 16.04 laufen und er muss beeindruckende Kapazitäten und eine ebensolche Internetanbindung haben. Wer hat schon Zugriff auf einen solchen Server? Das Selbst-Installieren fällt somit für Einzelpersonen sowie Klein- und Mittelbetriebe weg.
Man muss sich also einen Anbieter suchen. Wir haben den Markt sondiert und einige Angebote getestet. Unser Szenario: Online-Meetings mit bis zu 20 Teilnehmern, Online-Vorträge und -Trainings mit bis zu 50 Teilnehmern.

Unter den Anbietern, die BBB-Server kostenlos zur Verfügung stellen, stechen unserer Ansicht nach zwei hervor:
BigBlueButton.org: Das ist die Website der Entwickler, sie stellen neben viel Infomaterial auch Serverspace zur Verfügung. Man kann das dort also gleich testen. Zu mehr reicht das Angebot aber nicht. Erstens sind die Funktionen aufgrund des großen Andrangs eingeschränkt und zweitens sind die Server zum Teil in Nordamerika (Kanada), was eine DSGVO-konforme Nutzung ausschließt.
senfcall.de: Dieses Gratis-Angebot ist beeindruckend. Ohne jede Anmeldung oder Registrierung kann man mit wenigen Klicks eine Videokonferenz eröffnen und andere dazu einladen. Anonym und DSGVO-konform. Es stehen auch fast alle Funktionen zur Verfügung (externe Videos lassen sich aber z. B. nicht abspielen). Auch die zur Verfügung gestellte Serverkapazität/Bandbreite scheint ausreichend. Natürlich hat diese (anonyme) Form der Nutzung einige Nachteile. Wenn man eine Konferenz beendet, sind alle Einstellungen, hochgeladenen Präsentationen usw. weg. Zum Testen von BBB können wir senfcall.de aber voll empfehlen.

Unter den Anbietern, die BBB-Server gegen Entgelt zur Verfügung stellen, haben wir mittels Internetrecherche zwei identifiziert, bei denen wir schließlich jeweils ein Paket gebucht haben. fairkom.eu haben wir ausgewählt, weil es ein österreichischer Anbieter ist, vor allem aber, weil uns die Geschichte und die Einstellung dahinter beeindrucken: »Unsere Gemeinwohlorientierung belohnt keine Shareholder, sondern Menschen, die mit Open-Source-Werkzeugen sinnstiftende Aktivitäten setzen«, steht auf der Website zu lesen. rackspeed.de haben wir ausgewählt, weil die Serverdaten vielversprechend sind, die Preise sind recht hoch, das Preis-Leistungs-Verhältnis aber sehr gut. Beide bieten kostenlose Testphasen an.
fairkom.eu: Die angebotenen »fairmeeting pro«-Pakete (erhältlich in small, medium und large) beinhalten sowohl Jitsi als auch BBB. Man kann je nach Konferenzart die richtige Software auswählen, hat also zwei Apps in einem Paket. Wir haben uns für »large« um 414,– € exkl. MwSt. pro Halbjahr (also 69,– € pro Monat) entschieden, weil das für bis zu 60 Teilnehmer ausgerichtet ist. Zunächst waren wir etwas enttäuscht, weil die BBB-Instanz nicht mit iPhones funktioniert hat. Das hat der Support aber in wenigen Tage lösen können. Es blieben immer wieder kleine, technische Schwierigkeiten, die Verbindungsqualität war nicht immer gut, manche Funktionen sind nicht aktiviert, das ganze System reagiert empfindlich auf nicht voll unterstützte Browser. Wer einen österreichischen Anbieter mit Open-Source-Ausrichtung will, ist bei fairkom.eu sicher richtig, wir haben keinen besseren gefunden. An ein Erlebnis, wie man es von Zoom kennt, kommt diese Lösung in unseren Tests aber nicht heran. Noch nicht. Nach Redaktionsschluss, Ende November 2020 werden die BBB-Pro-Nutzer (also jene, die dafür bezahlen) von den Gratis-Nutzern getrennt, die Kapazitäten für die Pro-Pakete werden sich dadurch erhöhen.
rackspeed.de: Dieses Unternehmen aus Düsseldorf ist auf die Bereitstellung von Servern für unterschiedliche Einsatzzwecke spezialisiert, BBB ist nur eines von vielen Angeboten. Wir haben das Paket »BBB-Server XL« um 1.890,– € exkl. MwSt. für ein Jahr erworben (das sind 157,50 € im Monat). Es umfasst einen eigens für uns eingerichteten BBB-Server, der auf 300 Teilnehmer, davon 50 mit gleichzeitig aktiver Webcam, ausgerichtet ist. Die angebotenen Pakete beginnen bei »small« (25 Teilnehmer, 5 aktive Webcams) und gehen bis zu »XXXL« für 600 Teilnehmer mit 100 aktiven Webcams. Von Anfang an hat hier alles wie am Schnürchen geklappt. Wir sind mehr als angetan von der Performance: Sitzungen, Besprechungen, Unterrichtseinheiten mit bis zu 36 Personen – wir haben das Paket nicht nur ausführlich getestet, sondern auch schon mehrfach erfolgreich zum Einsatz gebracht. Einrichtung und Bedienung sind wirklich einfach, die Funktionsvielfalt erfreulich. Man kann die BBB-Instanz über eine eigene, frei wählbare Domain betreiben, auch das haben wir in Anspruch genommen. Der für den DSGVO-konformen Einsatz notwendige Auftragsverarbeitungsvertrag war innerhalb weniger Stunden unterschrieben und gültig.

Fazit: Unser Testziel haben wir also erreicht: Videokonferenzen aller Art in guter Qualität mit einer Vielfalt an Funktionen sind auch datenschutzkonform möglich. Im kleinen Rahmen kostenlos, für Trainer oder Institute gibt es entsprechende Server-Pakete am Markt.

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Wir stellen die dafür  eingerichtete Domain onlinekonferenz.at  zur Verfügung. Bitte per E-Mail anmelden:
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