Am 27. Jänner fand der erste HR-Circle des Jahres, in Kooperation mit dem CSR-Circle, online via Zoom statt. Rund 150 HR-Manager und CSR-Verantwortliche waren dabei, um dem spannenden Vortrag von Dr. Bardia Monshi zum Thema „Pandemie, Psyche und Problemlösungen – Lessons learned aus dem Coronajahr für Mensch & Organisation“ zu folgen.
Die Veranstaltung moderierte gekonnt Bettina Kerschbaumer, rund 90 Minuten lauschten die Teilnehmer aufmerksam den hochinteressanten Ausführungen.
Der aus den Medien bekannte Experte erläutert zu Beginn, dass jedes Menschenleben zwischen „Überleben, Leben und Erleben“ driftet. Das gilt selbstverständlich auch für Mensch und Organisation während der Pandemie. Darauf aufbauend geht er auf Lernerfahrungen auf persönlicher, zwischenmenschlicher und organisationaler Ebene ein.
Lessons Learned auf persönlicher Ebene:
#LL1:
Er startet mit einer grundlegenden Erkenntnis: „Die Vorbereitung auf die Zukunft fand immer vorher statt“, eine Binsenweisheit wie Monshi selbst sagt. Und weiter: „Wir wissen vielleicht nicht was kommen wird, aber wir wissen, dass ETWAS kommen wird“. Darauf können wir uns auf individueller, zwischenmenschlicher und organisationaler Ebene ja vorbereiten. Für das persönliche Leben ermuntert Monshi die Teilnehmer sich mit der eigenen Endlichkeit zu beschäftigen, die eine Pandemie einem ja täglich nahelegt. Wer die eigene Endlichkeit bewusst ins Leben integrieren kann, wird Achtsamkeit und Lebendigkeit ernten.
#LL 2:
Das Negative am Positiven und das Positive am Negativen. Selbstwachstum erfolgt entweder über positive oder negative Emotionen. Im Falle von positiven Emotionen erfährt der Mensch, dass er so bleiben kann wie er ist. Es kommt also zur Selbststärkung. Dabei verändert man sich aber nicht, sondern wird in der bestehenden Persönlichkeit bestärkt.
Über negative Emotionen erhält der Mensch die Rückmeldung, dass er mit seinem aktuellen Denken und Handeln die Welt nicht ausreichend bewältigen kann. Erst dadurch wird es notwendig Denk- & Handlungsschemen zu erweitern. Es kommt also nur durch negative Erfahrungen zur fundamentalen Selbstentwicklung: „Wir müssen uns neu entwickeln, um eine Krise zu bewältigen“.
#LL 3:
Wie umgehen mit „No End in Sight“? Monshi bringt als Vorbild die Lebensgeschichte eines Mannes, der Opfer einer Geiselnahme über 2 Jahre war. Dieser Mann machte die Erfahrung, dass er zu sehr enttäuscht wurde, wenn er sich Hoffnungen machte, dass er bis Ostern, Sommer oder bis Weihnachten freikommen würde. Daher beschloss er, dass er absolut entschlossen und sicher bleiben wollte, dass er irgendwann wieder frei sein würde. Aber keinesfalls wollte er in die gedankliche Falle tappen, seine Hoffnung an einen bestimmten Zeitpunkt zu binden. Er konzentrierte sich einfach auf die Bewältigung eines Tages nach dem anderen, bis er sein ersehntes Ziel erreicht hat.
#LL 4:
Wir alle erleben eine steigende Anforderung an Selbstführung! „Niemand hat mehr keine Verantwortung!“, spielt Monshi mit doppelter Verneinung. Selbstführung ist in Zeiten von Remote-Work eine richtig große Aufgabe geworden, wird künftig sicher eine immer größere werden und wir alle haben erfahren, wo unsere persönlichen Grenzen liegen.
#LL 5:
Ernst wird die Selbstführungsaufgabe, wenn wir Gefahr laufen uns selbst auszubeuten.
Monshi empfiehlt dafür, dass der Mensch seine Lebensenergien mit 3 Türen und 3 Wachen beschützen lernt. An der ersten Tür steht ein Zirkusdirektor, der zu jedem beruflichen Problem ruft: „Hereinspaziert, Hereinspaziert!“ Für andere da zu sein und Verantwortung zu übernehmen ist schließlich ein echter Karrierefaktor! Auch ein großes Zirkuszelt ist aber irgendwann voll und wenn die eigenen Ressourcen ausgefüllt sind brauchen wir einen Bodyguard. Monshi beobachtet gerne Bodyguards vor Luxusläden wie Chanel, für die er einmal als Berater tätig war. Diese Bodyguards sind nämlich äußerst kompetent darin, sehr exklusive Klientel darauf freundlich hinzuweisen, dass sie leider warten müssten, wenn das Verkaufspersonal belegt ist. Sie sind der perfekte Gatekeeper und befolgen das Prinzip: One in, one out! Das brauchen wir auch, wenn wir einer Vielzahl von Aufgaben gegenüberstehen. Wir müssen mit KundInnen und Führungskräften aushandeln lernen, wann was bewältigbar ist. Die dritte Tür bewacht unsere tiefsten Lebensenergien, die wir nur für jene Menschen und Dinge geben, für die wir bereit sind zu sterben. Diese Tresortür bewacht ein Drache, der auch der neoliberalen Forderung nach unendlichem Wachstum nötigenfalls vehement entgegentritt. Schließlich stehen dieser Forderung nach unendlichem Wachstum Menschen mit endlichen Ressourcen gegenüber, die beschützt werden müssen.
Bei aller Anforderung sollte aber kein Mensch vergessen, dass auch dazu gehört sich bei Zeiten einfach helfen zu lassen.
Lessons Learned auf zwischenmenschlicher Ebene:
#LL 6:
Wenn um uns herum die Welt zusammenbricht, suchen wir alle nach Sicherheit. Diese finden wir am ehesten im Mitmenschen! Der soziale Faktor wird zum echten Überlebensfaktor. Alleingelassen sind wir reaktiv, gemeinsam werden wir kreativ.
#LL 7:
„Führungskräfte von morgen sind Liebende“, zitiert Monshi den Neurowissenschaftler Gerald Hüther. Aber warum? Weil die Liebe Raum und Zeit durchdringt und genau das benötigen wir in Zeiten von Lockdowns. Das aufrichtige Interesse am Mitmenschen berührt uns und überwindet die Grenzen, die uns der Remote-Work-Modus auferlegt. Die Vorbereitung dafür, fand eben in der Vergangenheit statt. Führungskräfte, die das zustande brachten, hatten es auch in dieser Zeit leichter.
Lessons Learned auf organisationaler Ebene:
#LL 8:
Unternehmerische Resilienz beruht auf Vielfalt in der Wertschöpfung. Ein Konzern, der viele verschiedene Geschäftsmodelle aufgebaut hat, ist weniger krisenanfällig. Die Vielfalt der Wertschöpfung geht aber immer auf Kosten der Effizienz, im Sinne einer hochgradigen Spezialisierung. Dasselbe gilt auch für Redundanzen in der Personalbesetzung. Einen einzigen Experten zu haben ist sicherlich effizient, Resilienz entsteht aber erst durch Redundanz. Es ist daher eine besondere Aufgabe die Balance zwischen unternehmerischer Effizienz und Resilienz zu finden und im Blick zu behalten.
#LL 9:
Die Krise als „Idiotie-Killer“ in Organisationen. Der altgriechischen Wortherkunft entsprechend bezeichnet „Idiot“ einen Menschen, der sich nur um das Private kümmert und sich nicht an der Außenwelt beteiligt. Organisationen waren durch die Krise gezwungen, sich mit der Bewältigung der externen Anforderungen auseinanderzusetzen. Die „organisierte Idiotie“, also der übertriebene Blick nach innen, auf das „Unternehmenstheater“ wurde verunmöglicht und manchen Unternehmen hat das gut getan.
#LL 10:
Organisierte Wirksamkeit! Der Fokus wurde durch die Krise wieder auf Problemlösungen und die echte Wertschöpfung gerichtet. Wertschöpfung entsteht, wenn ein Unternehmen ein Problem für den Kunden lösen oder erleichtern kann und dieser dafür bereit ist zu bezahlen. Dieser Wertschöpfungsfokus ermöglichte die wirksame Organisationsanpassung und -entwicklung ohne überzogenen sozialromantischen Ansprüchen.
#LL 11:
„Wenn die Steuerung versagt, braucht es Führung!“ Um komplizierte Probleme zu lösen ist Wissen erforderlich. Dieses Wissen führt zu Macht und in weitere Folge zur Bildung von Hierarchien. So funktioniert Steuerung in Unternehmen. Das ist besonders dann sinnvoll, wenn Klarheit darüber herrscht, welche Aufgaben wie zu lösen sind und welche Fehler vermieden werden müssen, z.B. in der Notfallmedizin. Bei komplexen Problemen jedoch sieht es anders aus, weil Komplexität bedeutet, dass wir mit Überraschungen rechnen müssen. Das wiederum bedeutet, dass man nicht wissen kann, wie man es richtig macht, sonst gäbe es ja keine Überraschung. Im Falle von komplexen Problemen hilft also Steuerung durch Wissensträger nicht mehr. Dann brauchen wir Ideen von Könnern! Man folgt dann am besten den Menschen, die eine gute Idee hervorbringen. „Wahre Führung braucht also keine Macht“, so Monshi, denn Machtanwendung bedeutet ja schon Steuerung.
#LL 12:
Monshi schließt mit der aus seiner Sicht wichtigsten Lesson Learned, die uns die Pandemie aufgezeigt hat. Er zeigt dafür einen wunderschönen Kurzfilm über einen Vogelschwarm, der wunderbar am Abendhimmel in diversen Formationen tanzt. Die Erkenntnis lautet in spannender Vieldeutigkeit: WIR SIND ALL-EIN-S
Nach diesen Ausführungen bleibt auch noch Zeit, um die zahlreichen Fragen der Teilnehmer zu beantworten. Ein unterhaltsamer und informativer Vortrag, der für viele Aha-Momente der Zuhörer gesorgt hat und noch lange nachklingen wird.