Der Top-Speaker des Jahres 2015 ist Hermann Scherer. Die Speakerkoryphäe hat unsere Redaktion mit Inhalten und Performance überzeugt.
Hermann Scherer ist wohl einer der bekanntesten Speaker im deutschsprachigen Raum. In seinen Vorträgen begeistert er regelmäßig die Zuhörer. Doch auch für andere Redner setzt er sich ein, bildet sie in der Scherer Academy zu Bühnenprofis aus und veranstaltet Redner-Castings. Trotz – oder vielleicht wegen – seines Erfolges ist er dennoch am Boden geblieben. Aufgrund seines Witzes, seiner Performance und seiner Inhalte ist sich die Redaktion des Magazins TRAiNiNG einig: Er ist unser »Top-Speaker 2015«.
Warum wurden Sie Speaker?
Weil ich einen großen Schuldenberg vor mir hatte und nach einem Beruf gesucht habe, der meine Passion für die Tätigkeit eines Trainers mit dem Kapitalstock in Verbindung bringt. Und natürlich auch, weil ich hoffte, die Welt ein klein wenig zu verändern, zumindest die Lebenswelt meiner Zuhörer. Und weil es eine Marktlücke gibt: In Deutschland, Österreich und der Schweiz teilen sich über 300 000 Trainer, Berater und Coaches den Markt. Mit individueller und intensiver Arbeit erzielen Berater laut BDU einen durchschnittlichen Tagessatz von 1.109,– €, Coaches laut Coachingreport 1.245,– € und Trainer 1.470,– €. Nur sehr wenige Redner oder Experten mit insgesamt weit über 100 000 Veranstaltungen pro Jahr erreichen einen meist weit über 4.000,– € liegenden »Stundensatz«. Vor vielen Jahren erlebte ich in einem Seminar einen Speaker, der in einer Stunde mehr Begeisterung entfachte und mehr Bücher verkaufte, als der Seminarleiter mit anstrengender Arbeit an einem Tag. Da wurde mir klar: Speaker zu sein ist ein aufregenderer und lukrativerer Job als der des Trainers.
Was haben Sie davor gemacht?
Ich war »Gemüsehändler«, zugegeben, ein größerer, hatte ein Handelsunternehmen mit 100 Mitarbeitern.
Was zeichnet einen guten Speaker aus?
Nun, es mag banal erscheinen, jedoch zeichnet sich ein guter Speaker durch gute Vorträge aus. Und ein guter Vortrag ist einer, der einerseits relevante Inhalte hat, die zum anderen überzeugend transportiert werden. Die Fähigkeit, Inhalte unterhaltsam zu präsentieren und zugleich nachhaltig beim Publikum zu verankern, wird gerne mit guter Performance bezeichnet.
Was sind die häufigsten Fehler von »jungen« Speakern am Beginn ihrer Karriere?
Sofern sie sich überhaupt auf etwas konzentrieren, ist dies meist der Inhalt, jedoch nicht die Performance. Häufig senden sie Botschaften, die zu sehr Mainstream sind, zu gewöhnlich, zu bekannt. Niemand will mehr die Plattitüden über mentale Einstellung und positives Denken hören. Bei vielen Aussagen weiß man schon am Anfang der Story, wie sie am Ende ausgehen wird. Viele Romantikfilme sind so gestrickt: große, meist verworrene Liebe, dann große Krise und am Ende eben Happy End. Deswegen schauen viele solche Filme auch am Sonntagabend an, weil man da entspannen und keine wirklichen Überraschungen erleben möchte. Viele verzichten auf den Tatort, damit sie beruhigter schlafen können. Aber Vorträge sind kein Romantik-Programm. Kindern erzählen wir Geschichten, damit sie einschlafen, Erwachsenen erzählen wir Geschichten, damit sie aufwachen. Und es gehört eine Menge dazu, solche Geschichten zu erzählen, die anders sind, die ungewöhnlich sind, die Menschen aus den Sesseln reißen, aus ihren Tagträumen zerren, ihnen ihre eigene Trägheit um die Ohren schlagen und sie zu einem anderen Leben auffordern. Das sind die Vorträge, bei denen Menschen aufschrecken, sich selbst wieder spüren und die ihnen Energie verleihen, Spuren zu hinterlassen. Sie merken: Es gibt ein Leben vor dem Tod. Dazu braucht es nicht unbedingt neue Themen, aber neue Brillen, durch die wir die Themen betrachten. Und es braucht Redner, die selbst etwas erlebt haben, die die Diversität des Lebens erfahren haben. Nur diese Redner können wirklich große Veränderungen bei ihren Zuhörern bewirken. Und dann kommt zu Inhalt und Performance noch die Vermarktung dazu. Die Formel lautet: Positionierung + Inhalt x Performance x Vermarktung.
Unabhängig davon bin ich sicher, dass sich Vortragsinhalte, Buchinhalte und Botschaften vor allem aus Lebensinhalten speisen. Will heißen, wer nichts erlebt, der hat wenig zu sagen. Und damit ist nicht zwingend vorausgesetzt, dass man die ganze Welt bereist oder viele Unternehmen geführt haben muss. Eventuell reicht es, das Gehirn intensiv zu verwenden, um seine unheimlichen Kapazitäten zu nutzen.
Wie läuft die Scherer Academy ab?
Wir behandeln genau die genannten Punkte: Empowerment, Positionierung, Bühne, Vermarktung und noch vieles mehr. Wir bringen unsere Teilnehmer in die richtigen Netzwerke, stellen ihnen Redneragenturen, Buchverlage und Vermarktungspartner vor und geben auch die Geheimnisse weiter, die in der Regel keiner aussprechen würde. Zusätzlich gibt es in der Academy Programme, bei denen wir Weiterbildung und echte Erlebnisse auf Weltklasse-Niveau generieren. So waren wir im Mai 2015 bei Schauspiellehrern in New York, die zu den weltweit besten zählen: Bei Susan Batson und im Lee Strasberg Institute. Dazu kamen über 20 weitere, inspirierende Veranstaltungen im Big Apple. (Siehe Artikel ab Seite 12.) Als Redner haben wir manchmal die Aufgabe, unseren Zuhörern die große weite Welt zu zeigen. Meist gilt das natürlich im übertragenen Sinne: Wir blicken in Bezug auf unser Thema hinter den Vorhang und über den Tellerrand hinaus – und weiten so den Horizont. In der Academy ist das nicht anders: Wir nehmen unsere Teilnehmer mit in die Welt der Bühne, der Vorträge, der Wirkung, ja, und manchmal auch ganz wörtlich genommen in die große weite Welt. Es ist eben schon etwas anderes, die Hot-Spots von New York zu erleben statt einen Vortrag über positives Denken in der Volkshochschule zu hören. Unser Hauptthema ist jedoch Empowerment. Darum lautet der Kernsatz der Academy: »Zweifeln Sie niemals daran, dass eine Person oder kleine Gruppe von Menschen die Welt verändern kann – es ist das Einzige, was bisher funktioniert hat.« Es waren immer einzelne Menschen mit Empowerment, die die Welt umkrempelten. Winston Churchill hat den Engländern gezeigt, wer sie sind und wofür sie stehen. Nelson Mandela hat dies für Südafrika getan. Die Scherer Academy wurde gegründet für Menschen, die wirken wollen. Für Menschen, die Ideen, Strategien, Projekte haben, die Unternehmen bewegen und die damit als Wegbereiter und Inspiratoren positiven Einfluss auf Welt und Wirtschaft nehmen.
Sie haben mehrere Vorträge im Programm. Welchen halten Sie am liebsten? Und warum?
Den mit dem Titel »Glückskinder – Warum manche lebenslang Chancen suchen – und andere sie täglich nutzen.« Wir brauchen im Leben, neben Gesundheit und Liebe, nichts mehr als die Kraft, ein selbstbestimmtes, erfülltes Leben zu führen. Mein Vortrag soll einen bescheidenen Beitrag dazu leisten, dass dies möglichst viele Menschen schaffen.
Was machen Sie persönlich für Ihre Weiterbildung?
Lesen, reisen, schlafen, mit meinen Kindern spielen, eine Heerschar von Beratern bezahlen und Hunderte von Veranstaltungen besuchen, fast in dieser Reihenfolge. Ein Element meiner Weiterbildung ist das Schreiben von Büchern. Das mag nun ein wenig paradox erscheinen, doch glaube ich sehr wohl, dass die tiefe, systematische Auseinandersetzung mit einem Thema viele Fragen aufwirft, deren Beantwortung einem wichtige Erkenntnisse bescheren.
Zu welchen Rednern schauen Sie persönlich auf?
Zu keinem. Und das nicht deshalb, weil ich arrogant bin, sondern vielmehr, weil ich glaube, dass Vorbilder die Gefahr in sich bergen, seinen eigenen Weg zu verlieren.
Was ist das Schönste an Ihrem Beruf?
Der Flug zum Vortrag, der Applaus vor Ort, und die Gewissheit auf dem Rückflug, die Herzen der Teilnehmer erreicht und ihnen viele wertvolle Impulse gegeben zu haben.
Was ist Hermann Scherer privat für ein Mensch?
Ein ziemlich langweiliger Typ, aber genau diesen Ausgleich brauche ich wohl auch.
Danke für das Gespräch.