Den Lockdown für Bildung nutzen

Viele Menschen wollen in Zeiten von Kurzarbeit, Home-Office und Lockdown ihre Zeit produktiv nutzen und etwas Neues lernen. Fremdsprachen lernen steht hier ganz oben auf der Wunschliste. TRAiNiNG hat mit zwei Sprachinstituten über diesen Trend gesprochen.

Der Lockdown bringt viele Neuerungen im Alltag und für viele Menschen vor allem eines: viel Zeit. Kurzarbeit, Home-Office und Ausgangsbeschränkungen führen oftmals dazu, dass man zwar weniger Geld, dafür aber mehr Zeit hat. Einige Menschen nutzen diese Zeit für Weiterbildung. Manches wird vom Unternehmen bezahlt, anderes privat. Einige Unternehmen nutzen dafür Förderungen, die in der betrieblich ruhigeren Zeit vom Bund oder den Ländern angeboten werden. Für Unternehmen bedeutet das kostengünstigere Weiterbildung für ihre Belegschaft. Die meisten Mitarbeiter sind über dieses Angebot dankbar und nutzen die Chance zur Weiterbildung gerne. Ein häufiges Thema, das derzeit trainiert wird, sind Fremdsprachen. Und zwar in allerlei denkbaren Varianten:

  • Präsent (Berufliche Seminare dürfen auch in der Präsenzvariante stattfinden, sofern alle rechtlichen Sicherheitsmaßnahmen eingehalten werden)
  • Online: im Face-to-Face Live-Unterricht
  • Online: als Gruppentraining
  • Online: asynchron mittels Videos, Quiz, LernA­pps etc.

Alle Varianten haben ihre Vor- und Nachteile, vor allem was die Themen Flexibilität, Preis und Qualität anbelangt. Welche Lernvariante für wen am besten geeignet ist, das ist natürlich  individuell. Selbst die extrem kostengünstigen oder teilweise sogar kostenlosen Sprachapps sind mitunter recht gut. Dennoch: Um als Manager sprachlich fit zu werden, ist ein persönliches Sprachtrainer unausweichlich, egal ob präsent oder virtuell. Nur so kann die Sprache gesprochen und somit wirklich nachhaltig gelernt werden.

TRAiNiNG hat bei Sprachinstituten nachgefragt, wie Mitarbeiter und Unternehmen den Lockdown bzw. die Lockdown-ähnlichen Phasen für die Sprachenweiterbildung nutzen können.
Wolfgang Reis (Geschäftsführer biz.talk): »Bis vor Beginn der Corona-Pandemie wurde von den meisten Unternehmen, aber auch den zu trainierenden Mitarbeitern, persönliches Training mit Präsenztraining gleichgesetzt. Natürlich gab es schon zuvor ein großes Angebot an Onlineschulungen im Sprachenbereich. Wer aber Wert auf Flexibilität und gezielte Förderung spezifischer Kompetenzen legte, holte sich Trainer ins Haus. Mit Beginn des ersten Lockdowns kam es folgerichtig zu einem großen Einbruch. Zwischenzeitlich jedoch haben Unternehmen gelernt, dass persönliches Training auch im Lockdown funktioniert und digitale Präsenz des Trainers absolut eine sinnvolle Alternative zu Präsenztrainings sind. Videokonferenzen in Kombination mit digitalen Trainingsplattformen sind völlig Corona-kompatibel und mit einem entsprechend didaktisch angepassten Konzept auch hoch effektiv.«

Elena Domaschkina (Director KERN CEF Competence Center East): »Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, sich in der aktuellen Zeit weiterzubilden. Unternehmen wünschen sich verstärkt Online-Trainingslösungen, die flexibel und kostensparend in den Berufsalltag am Arbeitsplatz oder im Home-Office integriert werden können. Virtuelle Trainingsprogramme sind hierfür eine gute Möglichkeit. So können beispielsweise via Selbstlernplattform oder über Sprachlern-Apps, die individuell angepasst werden, die Sprachkenntnisse selbstständig und flexibel von überall trainiert werden. Zudem bieten Lern-Apps die Möglichkeit, auch kurze Lerneinheiten in den Alltag einzubinden. Auch auf die persönliche Unterstützung durch Trainer muss nicht verzichtet werden – in virtuellen Klassenräumen kann jederzeit ›live‹ trainiert werden. Je nach Trainingsziel kann eine Kombination aus selbstständigem und trainerunterstütztem Lernen im Rahmen einer Blended-Learning-Lösung sinnvoll sein.«

Tatsächlich spricht vieles dafür, derzeit eine neue Sprache zu erlernen. Sprachenlernen hält das Hirn fit, bietet eine sinnvolle Beschäftigung und hat am Arbeitsmarkt einen hohen Wert. Forscher haben herausgefunden, dass das Erlernen von neuen Sprachen einer der besten Wege ist, um Erkrankungen wie Demenz in Schach zu halten. Personen, die mehr als eine Sprache aktiv verwenden, zeigen erkennbare Alzheimer-Symptome im Durchschnitt erst rund fünf Jahre später als Menschen, die nur eine Sprache verwenden. Natürlich sind Fremdsprachenkenntnisse immer von Vorteil, wenn wir wieder Urlaubsreisen antreten können. Sprachen lernen ist außerdem eine Aktivität, der man sehr gut von zu Hause aus nachgehen kann – das Online-Angebot der renommierten Institute ist enorm. Vieles, wie z. B. Vokabel lernen, geht alleine und mit wenig technischem Aufwand über Lern-Apps. Gerade für Personen, die Sprachen momentan mehr zum Spaß und zum Zeitvertreib lernen, bieten sich auch etwas »ausgefallenere« Sprachen an.

Weiterbildungsbudget

Fragt man HR-Abteilungen in Österreich derzeit über ihren Lernbedarf, hört man Unterschiedliches. Es reicht von »Wir haben alle nicht gesetzlich notwendigen Weiterbildungen gestoppt«, bis hin zu »Jetzt erst recht, um für ›die Zeit danach‹ bestens aufgestellt zu sein«. Bei näherer Betrachtung sind beide Meinungen nachvollziehbar. Wenn kein Geld da ist, fällt es schwer, in Weiterbildung zu investieren, andererseits sichern nur gut ausgebildete Mitarbeiter das Business von morgen.

Elena Domaschkina: »Abhängig vom Unternehmen und der individuellen wirtschaftlichen Situation wird sich das Weiterbildungsbudget der Unternehmen in 2021 verändern. Es gibt einige Branchen, die trotz Corona eine positive Entwicklung verzeichnen, und andere, die unter der Pandemie stark gelitten haben. Viele Unternehmen geben ihren Mitarbeitern die Option auf Home-Office und möchten ihnen gerade in dieser schwierigen Phase die Möglichkeit geben, sich weiterzuentwickeln und neue Kompetenzen anzueignen. Trotzdem werden sicherlich einige Weiterbildungen wegfallen, gleichzeitig wird aber auch die Nachfrage nach Trainingsangeboten im digitalen Bereich steigen.«

Wolfgang Reis: »Wir rechnen nicht mit einer Explosion der Weiterbildungsbudgets im Jahr 2021. Nicht allgemein und nicht speziell für Sprachtrainings. Dafür sind die Unternehmen zu sehr mit anderen Themen beschäftigt. Weiterbildung hat die Eigenschaft, dass sie kurzfristig vergleichsweise niedrige Kosten und mittel- und langfristig sehr hohen Nutzen bringt. Das predigen wir stets, weil wir auch davon überzeugt sind. Dennoch werden Trainingsprogramme evaluiert und oft zeitlich nach hinten gestellt. Da sind Kosten natürlich ein Grund dafür, aber häufiger auch organisatorische Gründe. So kommt es vor, dass Personen, die Trainings organisieren sollten, in Kurzarbeit sind. Auch der Staat denkt wohl, dass Weiterbildung gerade jetzt wichtig ist, um nach der Krise wieder durchstarten zu können. Wir hätten uns aber bei den staatlichen Fördermaßnahmen durchaus noch stärkere Akzente erwartet, beispielsweise eine echte Verknüpfung der Kurzarbeit an Weiterbildung im Betrieb.«

Online Sprachtrainings

Über die »neue« Didaktik, die besonders bei Live-Online-Trainings bzw. Webinaren zur Anwendung kommen sollte, wurde in den letzten Monaten viel publiziert. Trainer, die sich einen Wettbewerbsvorteil sichern wollten, nahmen an Weiterbildungen zum Online-Trainer teil und informierten sich laufend über neue Tools am Markt. Auch in dieser Ausgabe lesen Sie ab Seite 14 über die Didaktik im Distance Learning.
Früher in der Schule wurde vor allem für kurzfristige Erfolge gestrebert, um bei einer Schularbeit oder einem Test positiv abzuschneiden. So auch bei Fremdsprachen. Den Schülern war es relativ egal, das Gelernte nachhaltig zu verankern, zu gering war der erkennbare Nutzen. Prüfungen und Tests haben für unser Hirn vor allem eines verursacht: Stress! Und dass Stress für Lernerfolg nicht förderlich ist, wissen wir schon länger. Umso förderlicher ist die aktuelle Situation. Denn Zeit ist momentan vorhanden und viele sind froh über eine sinnvolle Beschäftigung. Freude, Ruhe und Interesse sind optimale Voraussetzungen, um gerade jetzt eine neue Sprache zu lernen. Wenn das Trainer dann auch noch motivierend ist, steht dem Erfolg nichts mehr im Weg.

Welche Kompetenzen brauchen Sprachentrainer in Zukunft, um das Wissen bestmöglich über die verschiedenen Kanäle zu trainieren?

Elena Domaschkina: »Generell sind die entsprechenden Online-Lerntechnologien mittlerweile sehr ausgereift. Es gibt virtuelle Whiteboards, welche die Trainer ›beschreiben‹ können, sie können Dokumente mit den Teilnehmern teilen, Videos zeigen, Hörproben einspielen und vieles mehr. Die vielfältigen methodischen Ansätze der Lernplattformen erfordern daher eine fortlaufende Kompetenzentwicklung. Die Anforderungen an die Sprachentrainer haben sich dahingehend verändert, dass sie sich neben ihren fachlichen Kenntnissen zum einen mit der Lernplattform auskennen und zum anderen über die nötige technische Hardware – wie z. B. ein Headset und eine Webcam – verfügen müssen. Demzufolge müssen die Sprachentrainer in Zukunft vermehrt technisches Know-how mitbringen.«

Wolfgang Reis: »Es reicht für erfolgreiche Trainer auf keinen Fall, einfach so weiterzumachen wie bisher und statt ins Auto in ›Zoom‹ oder ›Teams‹ einzusteigen. Dass ein Trainer sich mit unterschiedlichen Conference-Tools auskennen muss und Lehrmaterialien professionell in digitaler Form anbieten muss, ist Basis. Interessante Aufbereitung der Unterlagen und motivatorischer Unterricht sind sowieso immer wichtig, in der digitalen Welt jedoch teils herausfordernder als in der analogen. Stichwort »didaktisch wertvoller On-Screen-Content«. Die Kür ist dann, sich vor dem Bildschirm richtig in Szene zu setzen. Da geht es um Dinge wie den richtigen Abstand zum Bildschirm, die korrekte Beleuchtung, Gestik etc. Auf den ersten Blick Kleinigkeiten, die aber vielleicht die Spreu vom Weizen trennen.«
Was beim Online-Sprachentraining noch ausgeprägter vorhanden sein muss, ist der Wille und die Motivation, die Sprache zu erlernen. Dafür müssen die Trainer sorgen, indem sie die Vorteile klar kommunizieren. Damit die Teilnehmer bei Live-Online-Trainings voll aufmerksam bleiben, bedarf es guter Trainer, die sich mit der Didaktik genauestens beschäftigt haben.

Fremdensprachenkenntnisse bei Online-Meetings

Bei internationalen Konzernen werden die meisten (Online-)Meetings auf Englisch abgehalten, bzw. in der jeweiligen Konzernsprache. In der Kommunikation mit internationalen Kunden wird immer häufiger die Sprache der Kunden gesprochen. Daher sind Fremdsprachenkenntnisse hoch im Kurs. Gerade bei Online-Meetings, wo das »Reden mit Händen und Füßen« noch schwieriger ist, als bei einem persönlichen Treffen, ist es wichtig, Kenntnisse der Sprache zu haben. Als Vorbereitung zu einem Meeting in einer Fremdsprache empfiehlt es sich, die wichtigsten fachspezifischen Vokabeln nochmals zu wiederholen. Handelt es sich z. B. um ein Recruiting-Gespräch in einer Fremdsprache, sind Wörter wie »Arbeitszeit«, »Zeugnisse«, »Kollektivvertrag« und viele weitere Fachbegriffe zu kennen.

Wolfgang Reis: »Fremdsprachenkenntnisse sind bei virtuellen Meetings noch wichtiger als bei physischen Treffen. Ein großer Teil der nonverbalen Kommunikation fällt weg, umso wichtiger ist die verbale. Die Aussprache sollte sehr deutlich sein, da es zu Übertragungsschwierigkeiten kommen kann und die Feedbackschleifen weniger gut funktionieren. Es ist wichtig, dass präzise und fokussiert kommuniziert wird, da die Aufmerksamkeitsspanne geringer ist. Somit sind das Verwenden korrekter Begriffe und Vokabeln und ein flüssiges, selbstbewusstes Sprechen ganz entscheidend dafür, ob der Informationsinhalt beim Gegenüber auch ankommt. Fehler werden online weniger verziehen als in Präsenz.«

Elena Domaschkina: »In vielen Firmen gehören Meetings mit Teilnehmern aus verschiedenen Sprachräumen mittlerweile zum Alltag. Deshalb sind Sprachkenntnisse von hoher Bedeutung. Bei Online-Meetings ist die Situation etwas anders als direkt vor Ort, da man vor dem Bildschirm sitzt und das Gegenüber nur per Video sieht. Daher sind die Anforderungen hier noch einmal höher. Damit die Besprechung zu den gewünschten Ergebnissen führt, muss es jedem Teilnehmer möglich sein, den Inhalten vollständig zu folgen und sich auch aktiv einzubringen. Teilnehmer können sich Abhilfe verschaffen, indem sie eine akribische Vorbereitung vornehmen. Eine klar definierte und strukturierte Agenda hilft allen dabei, sich auf das Meeting vorzubereiten und auch mögliche Szenarien und Diskussionen, die entstehen können, besser vorzubereiten. Dadurch können die Teilnehmer sicherstellen, dass sie die notwendigen Redewendungen, das Vokabular und die Fachbegriffe beherrschen.«

Fazit
Nur weil wir derzeit weniger reisen, heißt das noch lange nicht, dass Fremdsprachen weniger wichtig sind. Ganz im Gegenteil. In Online-Meetings sind sie noch wichtiger als bei echten Treffen, da viele nonverbale Signale wegfallen, bzw. geringer ausfallen. Um eine Sprache zu erlernen, gab es schon in der Vergangenheit tolle Online-Möglichkeiten. Diese Variante ist dank Corona nun nochmals stark verbessert und das Angebot ausgebaut worden. Sprachinstitute bieten digitale Trainings mit Trainer an, in denen individuell auf die Teilnehmer und deren Themen eingegangen wird. Der Bund und die Länder bieten im Lockdown und während der Kurzarbeit Förderungen für betriebliche Weiterbildung an. Wer heute an morgen denkt, wird in Post-Corona-Zeiten einen gewaltigen Wettbewerbsvorteil haben.

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Dieser Text nutzt für die sprachliche Gleichbehandlung aller Menschen geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen auf Basis des generischen Neutrums (siehe www.generisches-neutrum.com).