Am 11. April fand im Wiener Metro Kino das erste Österreichische Speaker-Casting statt. Es tat richtig gut, dabei zu sein. Ein Bericht von Gernot Winter
Gleich vorweg: Ja, das Magazin TRAiNiNG war gemeinsam mit der PotentialAG und der Hermann Scherer Academy Veranstalter des »Speaker Slam«. Um trotzdem halbwegs objektiv von diesem Event berichten zu können, haben wir die Rollen strikt getrennt: Christoph Wirl eröffnete die Veranstaltung gemeinsam mit Martina Kapral und Hermann Scherer und saß in der Jury; ich war Teil des Publikums und schreibe diesen Bericht – und somit über meinen ganz persönlichen Eindruck.
Für die Teilnehmer ging es um 4 verschiedene Auszeichnungen: Verlags-Award, Agentur-Award, Publikumspreis und den als »Gesamtpreis« bezeichneten Hauptpreis, der eine Reihe wertvoller Sachleistungen mit sich bringt. Aus vielen guten und sehr guten Rednern stachen meiner Meinung nach zwei besonders hervor. Einer von ihnen räumte zwei Auszeichnungen ab und der andere ging leer aus. Aber der Reihe nach.
Um 16.30 Uhr betritt der erste von 23 Rednern vor ausverkauftem Saal die Bühne und hat – wie alle anderen nach ihm auch – genau 10 Minuten Zeit, Publikum und Jury zu überzeugen. Was wir in den folgenden 5 Stunden erleben dürfen, ist ein Feuerwerk der Vielfalt: Profis und Amateure, Spannendes, Interessantes und Verblüffendes, Inhalte, die nachdenklich machen und solche, die lustig sind.
Gleich zu Beginn versetzt uns Lucca mit (Zauber-)Tricks in Staunen und spricht dann darüber, wie wichtig das Staunen für uns ist. Am Schluss geht ihm allerdings für einen Trick und vor allem für dessen Erklärung etwas die Zeit aus, schade. Gerne hätte ich ihn länger als 10 Minuten gesehen.
Beim Redner nach ihm hingegen sehne ich mich ab der Hälfte der Zeit nach dem Ende. Denn was souverän, sympathisch und gut als Vortrag über Mitarbeiterbindung beginnt, entwickelt sich immer mehr zur Eigenwerbung und ist am Schluss nichts anderes als ein plumpes Verkaufen von der Bühne herab. Das mag woanders funktionieren, hier aber sicher nicht.
Mit den Worten »Ich bin eigentlich gar kein Speaker« betritt Thomas Andreas Beck als Nächster die Bühne. Er vermittelt seine Botschaft, indem er zur Gitarre greift und eines seiner Lieder singt. Das ist zwar im Rahmen eines Rednerwettbewerbs ein seltsamer Ansatz, aber es funktioniert. Denn seine Message ist Menschlichkeit und der Text ist wirklich gut – und singen kann er auch. Im Anschluss an das Lied wird es noch besser: Er spricht spontan, bringt das Publikum zum Lachen und zum Nachdenken.
Der sechste und letzte Redner vor der ersten Pause ist Gregor Fauma. Unter Ausstoßen von »Uh-uh«-Lauten springt er von der Bühne in den Publikumsbereich, dort ein bisschen umher und dann wieder auf die Bühne, dabei wild gestikulierend. Schließlich verstummt er langsam und nach einer Pause sagt er: »Und dann hat der Mensch die Sprache erfunden.« Nach diesem starken Einstieg gibt er aus der Evolutionsbiologie abgeleitete Tipps fürs Präsentieren, darunter so Highlights wie: »Wer den Mund hält, investiert in seine Glaubwürdigkeit.« Der Vortrag ist lustig und interessant und bringt auch inhaltlich einen Mehrwert fürs Publikum. Gregor Fauma wird dafür mit dem Verlags-Award ausgezeichnet.
Etwa eine Stunde später betritt Markus Kroner die Bühne und zieht sofort das Publikum in seinen Bann. Es ist für ihn – wie für manche andere Teilnehmer – der erste Auftritt als Speaker. Dieser Kerl ist ein Naturtalent – ach was sage ich – eine Naturgewalt! Diese Dramatik, die Körpersprache, dieser Witz! Er bringt das Publikum immer wieder zum Lachen, aber seine Botschaft ist eine ernste: Lebe so, dass andere etwas davon haben, dass es dich gibt. Da gehört das Anhäufen von Geld eher nicht dazu. Dass uns Geld so wichtig ist, verursacht viele Probleme – unter anderem, dass wir nicht glücklich sind, obwohl wir jeden Grund hätten, glücklich zu sein. Der lauteste und längste Applaus des Abends und »Zugabe«-Rufe begleiten ihn auf seinem Weg von der Bühne. Schade, dass er keine Auszeichnung erhalten hat. Beim Publikumsvoting erreicht er den (inoffiziellen) zweiten Platz.
Kurz danach hat Max Mayerhofer seinen großen Aufritt, der ihm sowohl den Publikums- als auch den Gesamtpreis bringen wird. Hier haben wir es mit einer ganz anderen Art Vorstellung zu tun. Es ist weniger ein Vortrag, als ein Comedy-Act. Aber was für ein Act! Minutiös geplant, perfekt präsentiert und jedes kleinste Detail mit Sorgfalt ausgestaltet, inklusive Kunstfigur und verschachtelten Perspektiven. Ich will mir zwar Notizen machen, aber ich komme nicht dazu – zu fordernd ist sein gewaltiger Wortwitz. Er ist der beste Redner dieser Veranstaltung, ein wahrer Jongleur mit Worten, schöner Aussprache und starkem Ausdruck. Sein Thema ist dieser Vortrag selbst: 600 Sekunden, also die 10 Minuten, um die sich bei dieser Veranstaltung alles dreht. Dabei stellt er unter Beweis, dass er sich jeden Themas annehmen und daraus einen hervorragenden Vortrag gestalten kann. Am Ende zählt er punktgenau »598, 599, 600«, verbeugt sich und lässt das Publikum fasziniert und beeindruckt zurück.
Die undankbare Aufgabe, unmittelbar nach Max Mayerhofer aufzutreten, fällt Christine Neumeister-Böck zu. Ihr scheint es aber gar nicht darum zu gehen, besonders zu glänzen oder diesen Bewerb zu gewinnen, sondern darum, ihre Botschaft zu verbreiten. Das Thema »Mütter und Beruf« ist ihr ein großes Anliegen und das merkt man auch. So wie sie nützt auch manch anderer Teilnehmer diesen Event, um ein bestimmtes Thema unter die Leute zu bringen. Es ist sehr schön, dass diese Veranstaltung auch dafür Raum gibt. Das garantiert inhaltliche Vielfalt und eine Themenliste, die man in dieser Zusammensetzung sonst wohl nirgends geboten bekommt.
Rednerin Nummer 15 ist Janis Rollin. Sie spricht über Fremdbestimmtheit und Freiheit – und das auf unkonventionelle Art und Weise: Sie sitzt in ihren Hotpants auf einem Sessel in der Mitte der Bühne und redet einfach mit uns. Dabei hat sie eine irre Präsenz. Bei keinem anderen Redner ist das Publikum so leise, an manchen Stellen stehen vielen Zuhörern die Tränen in den Augen. Sie berichtet von ihrem Leben und den Gegensätzen darin: ihrer 180m2-Luxuswohnung und ihrer Obdachlosigkeit, ihrer Tätigkeit als Konzernchefin und ihrem Notstandshilfebezug, ihren First-Class-Malediven-Reisen und davon, wie sie von öffentlichen Toiletten das Klopapier klauen musste. Man merkt: Die Dame hat etwas zu erzählen und man hört ihr gerne zu.
Luise Maria Sommer beginnt ihren Auftritt mit einer beeindruckenden Gedächtnis-Demonstration. Während ich mir nicht einmal gemerkt habe, wie viele Stellen die vom Publikum generierte Zahl hat (jedenfalls mehr als 30), merkt sie sich die Zahl selbst! In Folge stellt sie eine Möglichkeit vor, die eigene Merk-leistung zu steigern. Mit Aussagen wie »Du googlest schon, aber ich merke es mir noch« bringt sie das Publikum auch zum Lachen. Darüber hinaus ist ihr Vortrag motivierend und lehrreich. Das alles wird von der Jury honoriert, sie wird mit dem Agentur-Award ausgezeichnet.
Der letzte Redner – es ist mittlerweile deutlich nach 21.00 Uhr und wir sind immer noch im Zeitplan – ist Christoph Wydy. Seine Botschaft: Suche nach den Antworten auf die wichtigen Fragen nicht im Außen, sondern in dir selbst. Das ist ein sehr schöner Schlusspunkt.
Fazit
Die 5 Stunden vergehen wie im Flug, die Stimmung ist hervorragend. Das hier hat nichts mit den Casting-Shows aus dem Fernsehen gemein. Hier wird niemand schlechtgemacht oder bloßgestellt. Es geht auch nicht um die Jury, es geht um die Redner und das Publikum. Es sind 5 Stunden des Miteinanders. Die Kandidaten unterstützen einander, dem anderen wünscht man das Beste für den Auftritt, ein Konkurrenzdenken gibt es nicht. Auch das Publikum unterstützt und verzeiht Fehler. Die Jury hält sich angenehm im Hintergrund, erst ganz zum Schluss betritt sie die Bühne, verkündet das Ergebnis und verleiht die Preise. An diesem Abend gibt es nur Gewinner: das Publikum, alle Teilnehmer, die sich der Herausforderung gestellt haben und die Veranstalter, die bereits eine Neuauflage im nächsten Jahr beschlossen haben.