Das letzte Jahr brachte für Trainer viel Neues. Hier lesen Sie Erfahrungen und Learnings aus hybriden Trainings.
Seit über einem Jahr setze ich intensiv auf Online-Seminare. Damals habe ich einer bestehenden Trainingsgruppe die Frage gestellt: »Wollen wir den zweiten Teil der Ausbildung verschieben oder wagen wir ein Online-Experiment?«
Einer der viele Bausteine des Online-Experimentierens waren die hybriden Trainings, die ich in diesem Jahr durchgeführt habe. Dabei ist jeweils die Frage, ob man sich als Trainer im Trainingsraum befindet oder online arbeitet und wie viele Teilnehmer im Raum und wie viele online zugeschaltet sind.
Trainer online/
Teilnehmer teilweise vor Ort
Der erste Versuch
Ich arbeite von zu Hause, kenne mich technisch gut aus, die Unterlagen sind vorbereitet und es läuft fast alles wie geplant: Nur die Interaktionen dauern viel länger. Denn was nicht besprochen war und worüber wir in diesen Zeiten noch nicht nachgedacht hatten: Alle Teilnehmer im Trainingsraum benötigen einen eigenen Computer. Warum? Weil ich interaktiv arbeite und bei der Aufforderung, alle mögen etwas in den Chat schreiben, nicht warten will, bis ein Teilnehmer im Trainingsraum für alle anderen in den Chat schreibt. Und da sprechen wir noch gar nicht von der gemeinsamen Verwendung von Whiteboard und Breakout-Rooms.
Die Verbesserung
Gleiches Setting, nur haben diesmal alle Teilnehmer einen eigenen Computer, das Training läuft ausgezeichnet. Sicher auch, weil das Unternehmen einen technisch wunderbar ausgestatteten Raum hat, die internen Trainer mit der Technik vertraut sind und ein Techniker im Notfall greifbar ist. Ein bisschen »tricky« ist es für Trainer, wenn sich die Teilnehmer im Raum glänzend unterhalten, denn man kann ihnen nur schwer Einhalt gebieten. Das ist im Trainingsraum leichter.
Trainer vor Ort/
Teilnehmer teilweise vor Ort
Die Corona-Zeichen stehen ungünstig, die Gruppe eines offenen Trainings ist unentschlossen und man einigt sich auf eine hybride Durchführung, bei der 10 Teilnehmer im Raum sind und 2 online (ab jetzt Hybridis genannt) zugeschaltet werden.
Meine persönlichen Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, denn mir ist noch nicht klar, was diese Art des hybriden Arbeitens besonders macht. Ich werfe mein Netzwerk an und bekomme viele gute Tipps, die ich hier in die drei Bereiche Technik – Tool – Methode einteile.
Technik
Drei Kameras bereitstellen: eine für den Trainer in Großaufnahme, eine für das Flipchart/die Pinnwand, und eine Kamera ist auf die anderen Teilnehmer im Raum gerichtet. So können auch die Hybridis die Stimmung in der Gruppe mitbekommen. Zusätzlich ist eine mobile Kamera hilfreich, um Details einer Übung oder einer Aufstellung gut sichtbar zu machen.
Der Laptop steht vor dem Trainer, damit man die Hybridis jederzeit im Blick hat.
Über den Beamer werden die Hybridis in Groß gezeigt und sie sind Teil der Gruppe, weil die Leinwand dementsprechend platziert ist.
Es braucht ein schnurloses Mikrofon, damit man sich als Trainer im Raum bewegen kann und dann ein bisschen Tontechnik, damit die Meldungen der Teilnehmer auch bis ins Home-Office dringen. Als Lautsprecher dient die JBL Box, die noch schnell den Weg in den Koffer gefunden hat.
Eine nette Idee wäre es gewesen, für alle Hybridis jeweils einen Stuhl bereitzustellen, auf dem die Teilnehmer via Tablet sichtbarer Teil der Gruppe sind.
Tool
Zoom ist das Tool der Wahl, da sich alle damit auskennen und es stabil läuft.
Eine Cloudlösung für den Dateiaustausch und eine WhatsApp-Gruppe stehen schon seit dem ersten Teil des Trainings zur Verfügung.
Methode
Ich war von Kollegen gewarnt: Online trainieren bedeutet, zwei getrennte Trainings vorzubereiten (einmal das Präsenztraining, einmal das Onlinetraining) und diese dann zu verknüpfen. Allein mir fehlte (leider) der Glaube.
Herausforderungen
Der Trainingsraum in ausreichender Corona-Abstands-Größe wird aufgebaut. Ein technisch versiertes Teilnehmer benötigt täglich mindestens eine Stunde, um den Raum technisch vorzubereiten.
Technik
Wer Teilnehmer aus den beiden Welten mischt und diese wiederum in Break-out-Räume schickt, sollte auch echte Räume zur Verfügung haben. Denn so kann man den akustischen Nebengeräuschen aus dem Weg gehen.
Am Beginn des Tages und in den Pausen wird die Technik justiert. Das technisch versierte Teilnehmer ist gleich das »Kamerakind« und prüft laufend, ob alle alles im Blick haben.
Tool
Zoom zu verwenden hat sich als wunderbar erwiesen, denn die Teilnehmer sind damit vertraut. Die Hybridis können durch »pinnen« zwischen den Perspektiven wechseln und brauchen keine Regie.
Bei der Verwendung der Break-out-Räume ist darauf zu achten, dass alle Hybridis Co-Host-Rechte haben und technisch fit sind. Man kann die Hybridis auch bewusst »gestalterische« Aufgaben machen lassen (z. B. Miroboard).
Miroboard wurde von einem Hybridi benutzt, um die Information mitzuschreiben und später auch in Gruppenübungen verwendet.
Die generelle Verwendung des Miroboards hatte ich mir im Vorfeld überlegt und abgelehnt. Denn wenn sich dann auch im Trainingsraum alle über das Miroboard austauschen und möglicherweise sogar ich über das Miroboard arbeite: wozu dann ein hybrides Training, wenn alle mit ihren Laptops im Trainingsraum sitzen?
Den Chat noch zu beobachten, gelingt mir definitiv nicht. Ich bitte jemanden aus dem Kreis der Teilnehmer, mich zu informieren, wenn sich im Chat etwas tun sollte.
Methode
Bei der Methode kommt die größte Herausforderung. Ich möchte gerne die Methoden anwenden, die ich normalerweise in meinen Präsenzsettings verwende. Und bald schon stoße ich an die Grenzen: Wie kommt ein live gezeichnetes Flipchart möglichst schnell zu den Hybridis? Wie mache ich das mit den Arbeitsanleitungen? Vorher verschriftlichen und auf dem Laufwerk zur Verfügung stellen oder am Flipchart zur Verfügung stellen und dann fotografieren und in die Cloud stellen?
Im Vorfeld wurde mir geraten, die Präsenz-Teilnehmer mit den Hybridis zu mischen. Welche technischen Hilfsmittel (Handy und Tablet) benötigen wir dazu? Wie viel technisches Know-how benötigen die Teilnehmer? Wer schreibt wie mit? Wie werden die Ergebnisse vergemeinschaftet und wie kommt das alles in ein Fotoprotokoll?
Fühlen sich die Hybridis noch eingebunden? Bei dieser Gruppe ist es einfach, denn sie haben sich schon im dreitägigen Präsenztraining kennengelernt. Dennoch bedarf es hoher Aufmerksamkeit seitens des Trainers, damit die Präsenzteilnehmer nicht viel mehr Raum bekommen.
Das Eingebundensein betrifft im Besonderen die Pausen. Mit Tablet und Handy kann man gemeinsam mittagessen und auch einen Spaziergang machen. Gibt man den Teilnehmern dann noch ein Trainingsthema mit, kommen Erholung und Wiederholung zusammen.
Fazit
Es braucht eine technische Ressource im Raum, auch wenn die Trainer gut im Online-Training sind. Denn Kamera, Beamer und sonstige Einstellungen bedürfen der laufenden Betreuung.
Man sollte seinem Netzwerk vertrauen, wenn die Meldung kommt: Online trainieren bedeutet, zwei getrennte Trainings vorzubereiten (einmal das Präsenztraining, einmal das Onlinetraining) und diese dann zu verknüpfen.
Auch mit technischer Hilfe ist hybrides Training in der zweiten Variante extrem anstrengend. Man muss sowohl den Trainingsraum als auch die Onlinewelt im Auge haben, denn beide haben die Aufmerksamkeit des Trainers verdient.
Für mich bleibt die Frage: Warum hybrid, wenn reines Online-Training technisch und methodisch-didaktisch so viel einfacher ist?