Der Alltag von Verkäufern hat sich durch die Corona-Krise und die entsprechenden Schutzmaßnahmen extrem verändert. Aus persönlicher Verkaufsberatung werden nun Online-Gespräche. Worauf es dabei zu achten gilt, lesen Sie in diesem Artikel.
Vorbei sind die Zeiten, als sich Kunde und Verkäufer im Kaffeehaus oder im Restaurant für ein beratendes Gespräch verabredet haben. Der Verkauf hat sich durch Corona grundlegend verändert. Es ist einerseits unverhältnismäßig schwieriger, besonders bei Neukunden, den persönlichen Kontakt und das Vertrauen über ein Online-Tool aufzubauen. Es bietet natürlich auf der anderen Seite zahlreiche Vorteile. Es ist leichter geworden, mit jenen Kunden, die zum Beispiel nicht in derselben Stadt wohnen, in Kontakt zu treten. Oder: Verkäufer können nun eine kurze Präsentation zeigen, da man ja ohnehin schon vor dem Computer sitzt. Dennoch muss auf einiges geachtet werden. TRAiNiNG hat sich bei Verkaufsexperten umgehört und zuerst gefragt, wie sich das Leben von Verkäufern durch die Krise verändert hat.
Ursula Autengruber (Geschäftsführung Autengruber Consulting): »Bei vielen meiner Kunden hat sich gezeigt, dass die Reisetätigkeit stark zurückgegangen ist, andererseits aber die Kundenkontakte und Aufträge zugenommen haben, wenn sie sich rasch und flexibel auf die neue Situation eingestellt haben. Nicht nur die Verkäufer sind im Home-Office leichter erreichbar, auch die Kunden. Kontakte erfolgen teils herkömmlich – per Handy, meist verstärkt aber via Online-Tools. So können sie oft in der gleichen Zeit mehr Kunden erreichen und akquirieren. Und Vertriebsteams, die über ganz Österreich oder Europa verstreut sind, ›wachsen zusammen‹.«
Christian Koller (Geschäftsführer EnGarde Training): »Viele Verkäufer wussten anfangs nicht, wie sie mit der veränderten Situation umgehen sollten und hatten regelrecht Angst vor der Distanz und dem informellen Kontakt sowie der Technik via MS Teams, Zoom, WebEx Cisco usw. Legionen von Verkäufern auf der ganzen Welt mussten plötzlich aus dem Home-Office heraus agieren. Viele Verkäufer sind im März 2020 neu eingestiegen und haben ihre Kunden nie physisch gesehen, konnten nur via Online oder bisweilen, je nach Weltgegend, nur per Telefon kommunizieren.«
Ralf Springer (VBC Partner) sieht vor allem die Chancen: »Der Fortschritt der Digitalisierung hat auch im Verkauf enorm an Fahrt aufgenommen. Viele Verkäufer wurden gezwungen, von hauptsächlich präsent durchgeführten Face-to-Face-Verkaufsterminen und Verhandlungen auf digitale Kundengespräche, Meetings, Neukundentermine oder Verhandlungen auszuweichen. Das Kundengespräch via Online-Tool bzw. über Videokonferenz erweitert die klassischen vertrieblichen Kommunikationswege. Basis für virtuelle Kundengespräche sind eine optimale technische Ausstattung, Know-how im Umgang mit den Online-Tools und dafür angepasste Kommunikationsfähigkeiten. Verkaufstermine via Online-Tool abzuwickeln, bringt eine Menge an Vorteilen mit sich. Die Erfahrung im letzten Jahr hat zum Beispiel gezeigt, dass es potenziellen Neukunden leichter fällt, dem Verkäufer einen Termin für ein Erstgespräch zu gewähren. Ein weiterer Vorteil ist, dass Verkäufer wesentlich mehr Kundentermine bzw. Gespräche pro Arbeitstag führen können.«
Peter Dziergas (Geschäftsführer Dale Carnegie): »Schon seit einigen Jahren beeinflusst die Digitalisierung den Vertriebsjob enorm. Dies wurde nun nochmals beschleunigt. Wir haben aber auch festgestellt, dass trotz aller Strapazen und Herausforderungen für Verkäufer deren Tätigkeit eine zentrale Säule für jedes Unternehmen darstellt. Auch dieser Aspekt zeigt sich nun sehr deutlich, da durch den fehlenden Kontakt zu Lieferanten das hohe Vertrauen ein Schlüssel zum Erfolg ist. Hier sind wir gefordert, auch virtuell die richtigen Lösungen und Ansätze zu finden und so die Kundenbindung zu stärken.«
Besonderheiten im Online-Verkauf
Die meisten Verkäufer gehen regelmäßig auf Seminare, um ihre Verkaufsskills zu schärfen, zu verbessern oder an die aktuelle Zeit anzupassen. Die meisten kennen die klassischen Phasen im Verkauf: Gesprächseröffnung, Bedarfsabfrage, Produktpräsentation, Abschlussphase. Dieses Schema beherrschen Verkäufer im Schlaf in- und auswendig. Gilt das online auch? Welche Besonderheiten gelten?
Ralf Springer weiß über die Relevanz der technischen Ausstattung Bescheid: »Die gute Nachricht ist, dass bestehende Erfolgsfaktoren, die es im Face-to-Face-Verkauf zu beachten gilt, ihre Gültigkeit beibehalten. Gleichzeitig gibt es im Online-Gespräch einige Besonderheiten zu beachten. Die wichtigsten ›Stellhebel‹ für das erfolgreiche Abhalten von Video-Kundengesprächen sind zum ersten ein perfektes Setting, konkret ein geeigneter, aufgeräumter und gut beleuchteter Arbeitsplatz. Zusätzlich spielt die technische Ausstattung eine wichtige Rolle. Dabei ist eine gute und stabile Internetverbindung besonders wichtig. Falls es nötig ist, macht es Sinn, sämtliche nicht benötigte Anwendungen und Internetaktivitäten im Hintergrund zu beenden, um Bandbreite zu sparen. Damit garantieren wir unseren Kunden störungsfreie Gespräche und klare Bilder. Eine gute Audioqualität erreicht man durch den Einsatz eines Headsets mit integriertem Mikrofon. Eine Notebook-Kamera ist grundsätzlich ausreichend. Befindet sich die Notebook-Kamera im unteren Bildschirmbereich, empfehle ich den Einsatz einer externen Kamera. In Verbindung mit einem zweiten oder dritten Bildschirm wird das Arbeiten und Konferieren via Online-Tool noch professioneller.«
Christian Koller: »Empfehlenswert ist es, schon im Vorhinein mit eventuell auftretenden ›Hoppalas‹, wie einem Computerabsturz, entspannt umzugehen. Eine klare Gesprächsstruktur, Tempo drosseln, mehr zusammenfassen und öfters hinterfragen, sind die wichtigsten rhetorischen Punkte bei Online-Gesprächen. Die Kamera unbedingt eingeschalten lassen, um persönliche Beziehung aufrecht zu erhalten, Mimik, Gestik, Körpersprache und Sonstiges zu erkennen. Mehrere kurze Termine einplanen, statt eines längeren Gesprächs, um Schritt für Schritt vorzugehen und sich intern abstimmen zu können. Reisezeit und -aufwand wird ohnehin gespart. Bei Teamverhandlungen Abstimmungssignale vereinbaren.«
Peter Dziergas: »Die virtuelle Gesprächssituation ist mit Sicherheit deutlich fordernder als ein persönliches Gespräch. Ich kann nicht erkennen, ob mein Gesprächspartner gerade aufmerksam zuhört, E-Mails checkt oder ein Video nebenbei ansieht. Insbesondere bei einer größeren Anzahl von Ansprechpartnern wird es zunehmend schwierig, wenn wir – selbst bei aktivierter Webcam – nicht alle Personen gleichzeitig sehen. Dadurch fehlt dem Verkäufer das direkte Feedback auf Ideen und Lösungsvorschläge. Diesen Schwierigkeiten kann man direkt gegensteuern, indem man regelmäßig in kürzeren Abständen um eine passende Interaktion bittet. Das kann eine Zustimmung zu gerade gesagtem Inhalt, oder direkt eine kurze Diskussion sein. Dadurch behalten wir die Aufmerksamkeit und können beispielsweise während einer Präsentation zwischendurch Feedback einholen, die Eindrücke der Ansprechpartner beleuchten und wiederum darauf eingehen.«
Ein weiterer Punkt, der häufig vergessen wird, ist das professionelle Auftreten. Auch wenn Verkäufer im Home-Office vermutlich nicht im klassischen Business-Outfit sitzen, gilt es, bei Online-Meetings ein entsprechendes Auftreten zu haben. Ein Anzug ist vielleicht übertrieben, aber ein Hemd bzw. eine Bluse sollten es schon sein. Und denken Sie daran: Ihr Gegenüber sieht mehr als nur Ihr Gesicht.
Ursula Autengruber: »Online-Gespräche ermöglichen nur einen eingeschränkten Blick auf die Gesprächspartner. Trotzdem ist es wichtig, die Körpersprache einzusetzen, um eine Information oder Argumente zu unterstreichen. Wichtig dafür ist, dass ich nicht nur mein Gesicht zeige, sondern auch meinen Oberkörper, ähnlich wie Nachrichtensprecher. Jetzt kann ich auch meine Hände nützen. Aber Achtung, die Bewegungen müssen ein wenig langsamer sein und kommen Sie dabei der Kamera nicht zu nahe, sonst wirken die Hände sehr groß und damit ›bedrohlich‹. Auch Mimik und Stimme sind wichtig, versuchen Sie laut und deutlich zu sprechen und auch hier gilt: Vielleicht ein bisschen langsamer als sonst – und vor allem: Machen sie Pausen! Kurze Sätze sind leichter zu verstehen. Übersetzen Sie Ihre Worte in Bilder (›das bedeutet für Sie …‹) und nützen Sie Trilogien (1., 2., 3.), hier können Sie auch wieder Ihre Hände/Finger einsetzen. Nützen Sie die technischen Möglichkeiten des Online-Tools, um Ihre Verkaufsunterlagen/Präsentationen zu teilen. Damit kann Ihr Gesprächspartner gut mitlesen und Sie haben die volle Aufmerksamkeit. Manche Online-Tools bieten auch die Möglichkeit eines White-Boards, entwickeln Sie damit mit Ihren Kunden interaktiv gemeinsame Ideen. Und vergessen Sie nicht, Ihre Kunden immer wieder ins Gespräch einzubeziehen – ein Monolog wird nicht sinnvoll sein.«
Der Gesprächseinstieg
Bei jedem Verkaufsgespräch ist es wichtig, als Verkäufer gut vorbereitet zu sein: Wer ist mein Gegenüber? Welche Entscheidungsmacht haben meiner Gesprächspartner? Was könnten sie benötigen? Wie viel Budget könnten sie zur Verfügung haben? Diese und weitere Fragen helfen, im Gespräch sicher zu agieren.
Die erste Phase im Verkaufsgespräch ist das persönliche Kennenlernen, der Smalltalk. Innerhalb weniger Sekunden entscheidet das Gegenüber, ob es Sie mag oder nicht. Und die meisten Kunden kaufen lieber von Menschen, die sie mögen. Eine erfolgreiche Eröffnung ist schon der halbe Abschluss.
Peter Dziergas: »Unabhängig vom Stadium im Prozess, also der Position im Sales Cycle, ist es entscheidend, einen persönlichen Bezug herzustellen. Das erreichen wir, in dem wir auf aktuelle Medienberichte zum Unternehmen, Posts der Person auf Social Media oder Ähnliches referenzieren. Wenn es ein Follow-up-Gespräch ist, eignet es sich auch besonders gut, auf ein persönliches Thema der Kontaktperson aus den Vorgesprächen einzugehen. Das schafft einen angenehmen Einstieg in ein Gespräch und stärkt die Verbindung zum Gesprächspartner. Dieser Zugang ist keine Besonderheit für Online-Verkaufsdialoge, aber die Beziehung und das Vertrauen sind virtuell noch essenzieller, um die Ansprechpersonen gut abholen zu können.«
Ursula Autengruber: »Auch für Online-Verkaufsgespräche gelten bestimmte Regeln. Fallen Sie nicht gleich mit der Tür ins Haus, nehmen Sie sich Zeit für ein wenig Smalltalk. Der Einstieg in das eigentliche Thema gelingt dann leichter. Fragen Sie nach, wie Ihr Kunde die letzte Woche verbracht hat, oder wie das Home-Schooling klappt, damit signalisieren Sie nicht nur Interesse an der Person, sondern können sich auch ›warmlaufen‹. Auch die Frage ›Womit beschäftigen Sie sich derzeit?‹ kann der Start eines interessanten Gesprächs werden. Vielleicht können Sie Ihrem Kunden vorab auch etwas schicken (Infomaterial, aber auch Gruß zum Valentinstag, Schokolade, Buchtipp etc.), damit haben sie gleich einen passenden Einstieg. Wichtig wie bei jedem Gespräch ist auch, vorab schon zu klären, wie lange das Gespräch dauern wird.«
Christian Koller: »Nach dem Smalltalk macht es Sinn, ›Regeln‹ zu definieren, wie man miteinander kommunizieren will, z. B. ob die Kamera eingeschaltet ist, Handzeichen, Chat etc. (je nach Teilnehmeranzahl). Idealerweise moderiert in einem Gespräch mit mehreren Teilnehmern auch eine Person, die von allen akzeptiert wird. Die Agenda und die besprochenen Punkte live teilen, damit alle das Gleiche sehen und hören und dazu eine Einigung erzielt wird.«
Ralf Springer: »Idealerweise sind Verkäufer bereits 5 Minuten vor Beginn im Meeting, diese Zeit kann genutzt werden, um das eigene Lächeln und die freundliche Mimik noch einmal zu überprüfen. Besonders wichtig ist eine proaktive und freundliche Begrüßung. Oftmals erlebe ich, dass Verkäufer warten, bis die Kunden das Gespräch beginnen. Diese Sekunden des Wartens sind unglaublich unangenehm für die Kunden. Idealerweise starten Sie nach einer sympathischen, persönlichen Begrüßung mit dem Beziehungsaufbau und einem kurzen Technikcheck. Falls Ihr Kunde seine Kamera deaktiviert hat, bitten Sie darum, die Kamera einzuschalten. Sie können dadurch wesentlich besser interagieren und auch gekonnt Mimik und Gestik einsetzen.«
Häufige Fehler
Christian Koller: »Zwei häufige Fehler sind, zu schnell in ›medias res‹ zu kommen und ein Meeting nach dem anderen anzusetzen, ohne Zeitpuffer. Diese Unart ist seit Corona und Online-Meetings noch schlimmer als davor. Die Frage stellt sich einmal mehr, wann arbeiten die Menschen wirklich, wenn sie den ganzen Tag in Online-Meetings sind?«
Ralf Springer: »Extrem störend für unsere Kunden sind Unterbrechungen und lästige Störgeräusche. Die Mikros sind oft so empfindlich, dass schon ein Papierrascheln unangenehm laut übertragen wird. Das Smartphone sollte ebenfalls auf lautlos gestellt werden, denn dem Gesprächspartner gilt nun die volle Aufmerksamkeit und Konzentration. Wenn Verkäufer während der Dialogphasen vergessen, die Bildschirmteilung aufzuheben, kann das vom Kunden wie ein Verstecken hinter der Bildschirmpräsentation wahrgenommen werden. Laut einer Studie sitzen 11 % der Teilnehmer bei Videokonferenzen ohne Hose am Schreibtisch. Das mag bequem sein, aber für Profiverkäufer im Home-Office dennoch nicht empfehlenswert. Denn die Kleidung und das Selbstverständnis als Verkäufer stehen auch in Online-Verhandlungen in Wechselwirkung.«
Fazit
Ein Online-Verkaufsgespräch folgt alten Regeln, erfordert aber neues Wissen. Die Technik zu beherrschen ist unabdingbar, die klassischen Phasen im Verkauf zu kennen genauso. Es ist schwieriger geworden, Vertrauen aufzubauen, Vertrauen ist aber das Um und Auf eines erfolgreichen Verkaufsgesprächs. Planen Sie genügend Zeit in und zwischen zwei Gesprächen ein. Außerdem ist es sinnvoll, Verkaufsgespräche mit einem Kunden häufiger, dafür kürzer anzusetzen. Mit ein wenig Übung birgt diese neue Art des Verkaufs große Chancen.