Talente finden und halten

Der Arbeitsmarkt verändert sich nicht nur durch die Corona-Krise derzeit massiv. Niki Dürhammer über die Auswirkungen auf das Talent-Management im Interview.

Was sind derzeit die größten Herausforderungen beim Thema Talent-Management? Welche Trends erkennen Sie zur Zeit?

Aktuell sehen wir drei Entwicklungen, die einander verstärken und den Arbeitsmarkt sprichwörtlich anheizen. Erstens ist die lang beschworene Trendwende am Arbeitsmarkt jetzt da. Die Erwerbsbevölkerung wächst nicht mehr. Dem Arbeitsmarkt fehlen Arbeitskräfte. Zweitens brachte die aktuelle Krise einen einmaligen wirtschaftlichen Einschnitt mit sich. Jetzt hoffen alle auf einen ebenso einmaligen Boom und ein Ende der Krise. Doch so rasant, wie sich aktuell die Nachfrage entwickelt, kann sich das Angebot an geeigneten Talenten gar nicht entwickeln. Drittens sind Talente zurückhaltend, denn noch ist unklar, wie die Pandemie ausgeht und damit auch die Entwicklung ganzer Branchen und der Wirtschaft als solcher. Viele haben schlicht andere Prioritäten, als sich einen neuen Job zu suchen. Unternehmen stellen diese Entwicklungen vor große Herausforderungen, zumal in den kommenden Jahren auch immer mehr Babyboomer in Pension gehen. Wer diese Lücke an qualifizierten Nachwuchskräften nicht rechtzeitig schließt, muss mit empfindlichen Einbußen rechnen, denn es ist erwiesen, dass effektives Talent-Management in direktem Zusammenhang mit der finanziellen Performance eines Unternehmens steht.

Wie können diese Herausforderungen von Unternehmen und Führungskräften in Zukunft gelöst werden?

Menschenzentriertes und zeitgemäßes Employer Branding und Recruiting sind essenziell. Eine positive Entwicklung der Pandemie vorausgesetzt, werden sich die Menschen bald umso intensiver um eine neue Stelle bemühen. Denn in einer Zeit des Nachdenkens entstehen und verfestigen sich auch Wechselwünsche. So sagten in einer unserer Befragungen Ende letzten Jahres nicht umsonst 63 % der Befragten, sie beabsichtigten nicht, in drei Jahren noch für ihren aktuellen Arbeitgeber tätig zu sein. Unternehmen, die ihre Wunschkandidaten wirklich so umgarnen wie ihre Kunden und nicht als kostspielige Ressourcen verwalten, haben damit nicht nur aktuell entscheidende Vorteile, sondern sind auch für die Zukunft hervorragend aufgestellt.
Beim Talent-Management geht es aber nicht nur darum, die richtigen Leute einzustellen, sondern sie auch innerhalb des Unternehmens weiterzuentwickeln und ihnen die Chance zu geben, ihr volles Potenzial zu entfalten. Dafür braucht es entsprechend Lernangebote und ein Umfeld, in dem Engagement, Neugier und die Lust am Lernen gefördert werden.

Hat HR in Österreich die Kompetenzen, um ein funktionierendes Talent-Management in den Unternehmen aufzubauen? Oder sind es eher die Führungskräfte, die dafür verantwortlich sind?

Geschäftsmethoden und Führungspraxis haben sich in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt – nicht zuletzt vor dem Hintergrund eines Generationenwechsels und Nachwuchskräften, die sehr genau wissen, was sie wollen. Um diesem Wandel in der Arbeitswelt und den Bedürfnissen nachwachsender Generationen entgegenzukommen, sind HR und Führungsspitze definitiv gefordert. Sie müssen Hand in Hand zusammenarbeiten, um Talente anzuziehen, im Betrieb zu halten und weiterzuent­wickeln.
Statt rückwärtsgewandter Leistungsbeurteilungen braucht es agile Personalmanagement-Methoden. Dafür ist das Commitment von ganz oben notwendig, genauso wie fundiertes Know-how aus der Personalentwicklung, das entsprechende Maßnahmen ergreifen und umsetzen kann. Österreichische Betriebe sind hier gut aufgestellt, es gibt aber noch Luft nach oben: Vor allem im Bereich ­Employer Branding und Talent-Retention müssen sich Unternehmen immer wieder klarmachen, dass sie mit zahlreichen anderen Arbeitgebern in harter Konkurrenz um die besten Talente stehen.

Welche Kompetenzen brauchen gute Talent­manager?

Die richtigen Mitarbeiter sind das Herzstück eines Unternehmens. Um sie in einer immer komplexer werdenden Talente-Landschaft aufzuspüren und den Betrieb damit gut in die Zukunft zu führen, braucht es deshalb neben strategischen Kompetenzen auch menschliches Gespür, die Fähigkeit, vernetzt zu denken, und Innovationsfreude. Immer wichtiger wird auch die Fähigkeit, die besten Talente an Bord zu halten – immerhin können diese sich meist aussuchen, wo und wie sie arbeiten möchten. Es braucht deshalb offene Augen und Ohren, um frühzeitig Potenzial, aber auch Probleme zu identifizieren und den richtigen Talenten die richtigen Angebote zu machen.
Und nicht zuletzt ist es im Talent-Management auch essenziell, die eigene Strategie mit den jeweiligen Unternehmenszielen abzustimmen: In welche Richtung entwickelt sich die Firma, welche Kompetenzen braucht es dafür und inwiefern können diese intern ausgebildet werden? Richtig umgesetzt können Betriebe mit gutem Talent-Management nicht nur am Jobmarkt punkten, sondern sichern auch ihre Profitabilität und machen das gesamte Unternehmen fit für die Zukunft.

Welche neuen Tools und Instrumente gibt es ­dafür?

Wie andere Bereiche wird auch HR zunehmend digitaler. Vom digitalen Bewerbermanagement-Tool, das mittels KI Matches identifiziert, über eine App-basierte Onboarding-Begleitung, Performance-Management, Training und Coaching bis zu Mitarbeiterzufriedenheits-Befragungen in Echtzeit: In den letzten Monaten haben Cloud-Anwendungen und Tools an Bedeutung gewonnen, die die virtuelle Zusammenarbeit stärken und eine digitale Unternehmenskultur aufbauen.
Wichtig ist, dass die eingesetzten Systeme nicht nur userfreundlich, intuitiv und nachvollziehbar sind, sondern auch auf mehreren Geräten funktionieren und eine niedrige Lernkurve haben. Nur so können sie im Talent-Management effektiv und nachhaltig eingesetzt werden. Und: Auch wenn Potenzial mittlerweile auf Knopfdruck erkannt und gefördert werden kann, bleibt der menschliche Kontakt immer noch am wichtigsten. Dem Gegenüber in die Augen schauen und im gemeinsamen Gespräch ermitteln, welche Potenziale und Möglichkeiten es in der gemeinsamen Zusammenarbeit gibt – das ist im Talent-Management weiterhin die beste Strategie.

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© Philipp Lipiarski / www.goodlifecrew.at

Niki Dürhammer
ist Geschäftsführer von
StepStone Österreich.
www.stepstone.at