Seit wann üben Sie Ihren Beruf aus, und wie kam es zu der Entscheidung?
Das erste Mal stand ich 1998 vor Teilnehmern. Ich wurde von Wien nach Tirol geschickt, weil ich dort die Sprache verstehe. Das Trainingskonzept, das von meinem Kollegen vorgegeben war, war furchtbar. Ich rettete mich durch den Tag, konzipierte noch ohne jegliche Trainerausbildung über Nacht und habe die nächsten beiden Tage so gut es ging überlebt. Zurück im Team teilte ich den Kollegen mit, dass mir das mit dem Training richtig Spaß macht und dass ich das nächste Training designen werde. So bin ich »hineingerutscht«, habe im Konzern übersetzt und angepasst und neben Qualitätsmanagement auch Change-Management und Moderationstechnik trainiert. Als Trainer1 habe ich mich 2005 selbstständig gemacht. Der Fokus auf Trainingsdesign kam 2015 und der Einstieg ins Blended Learning schon 2016.
Was sind Ihre größten Erfolge?
Das Design eines vierwöchigen Trainings und der weltweite Roll-out inklusive der Schulung der zukünftigen Trainer.
Das Buch »Trainingsdesign« zu schreiben und somit Trainingsdesign im Markt zu positionieren.
Meine Trainingsdesign-Weiterbildung, in der ich mein Wissen weitergeben kann und die mich immer wieder fordert, am neuesten Stand zu sein.
Der europäische Trainingspreis in Gold für ebendiese Weiterbildung.
Mein Deep Dive in die Onlinewelt und die Möglichkeit, den Kunden jetzt alle drei Welten (Präsenz, Online und Blended) entspannt anbieten zu können.
An welche skurrilen Erlebnisse aus den letzten 20 Jahren werden Sie sich ewig erinnern?
Einmal fand ein Training in einem wunderbaren Hotel in Deutschland statt. Ich bin im Trainingsraum, der ein Stück von der Rezeption entfernt ist und bereite mich fürs Seminar vor. Da kommt eine Teilnehmende vorbei und sagt: Anna, du solltest lieber an die Rezeption kommen. Eine andere Teilnehmende liefert sich gerade ein Schreiduell mit der Hotelchef1. Tja, ich wollte immer schon eine kleine Mediation vor Trainingsbeginn einschieben.
Gerne erinnere ich mich auch an ein fünftägiges Training. Die Vorstellungsrunde war durchgeführt und die Agenda besprochen. Ein Teilnehmer greift mich sehr laut, direkt und durchdringend an und sagt: »Anna, ich habe es dir gesagt. Du hast keine Ahnung. Wirklich, du hast überhaupt keine Ahnung von dem Thema.«
Die nächsten Minuten und Stunden habe ich alle Möglichkeiten probiert, wie ich mit dem Teilnehmer umgehe. Ich war mit meinem Latein am ersten Tag echt am Ende und war froh, mit der Co-Trainer am Abend ein gutes Glas schweren Rotweins zu trinken. Oder zwei …
Und so sehr mich der verbale Angriff überrascht und aus dem Konzept gebracht hatte, so sehr war ich vom Ende überrascht: »Anna, das war großartig. Wenn du jemals irgendetwas brauchst, ruf mich an!« Er hat Wort gehalten.
Berührend war für mich besonders eine Situation während eines Trainings in Südafrika, wo die Trainingsgruppen zu je einem Drittel aus Weißen, Schwarzen und Asiaten bestanden, zumindest in dem Unternehmen, für das ich tätig war. Ich war schon öfter in Südafrika und habe erlebt, wie ungleich die Behandlung ist. Wir trainierten 2 x 3 Tage. In der Feedbackrunde am Ende sagte eine schwarze Teilnehmende: »Die Tage in diesem Training war das erste Mal in meinem Leben, dass ich wirklich vollkommen gleichbehandelt wurde. Danke dafür!«
Von welchen Menschen fühlen Sie sich inspiriert?
Mich inspirieren Menschen, die ihre Leidenschaft leben. Die sich tief in eine Materie reinarbeiten und dann die Fähigkeit besitzen, dieses Wissen weiterzugeben. Deren Augen leuchten, wenn sie von ihrem Thema erzählen und mich mit der Freude anstecken können. Die Themen sind dabei egal. In Gesprächen habe ich gelernt, dass Grabsteinhersteller in Wahrheit Künstler sind, welches Know-how im Design von Schaufensterauslagen steckt und dass Schraubtechnik eine mir noch unbekannte Materie und gleichzeitig extrem faszinierend ist.
Wie verbringen Sie die Zeit vor und nach einem Seminar?
Wenn es das erste Mal mit einem neuen Thema ist oder bei sehr großen Gruppen, bin ich angespannt und aufgeregt. Dann prüfe ich nochmals die Unterlagen und checke, ob ich die ersten, und für mich so wichtigen Sätze, noch weiß. Bei bekannten Themen bereite ich gemütlich den Raum vor, denke den Ablauf durch und höre dabei am liebsten Leonard Cohen. Nach einem Präsenzseminar räume ich gerne in Ruhe den Raum auf, ordne alles gleich so ein, dass alles für das nächste Mal bereit ist, schreibe mir Verbesserungen für die nächsten Gruppen auf und fahre nach Hause. Nach dem Online-Seminar sitze ich wenige Minuten später mit dem Kaffee auf der Terrasse. Und genieße es, am Abend in Wien noch etwas unternehmen zu können.
Haben es aus Ihrer Sicht Frauen als Trainer schwerer als Männer?
Das kann ich so generell nicht beurteilen. Das einzige Mal, wo mich das Frauen- bzw. Mutterthema getroffen hat, war ein Training in Deutschland. Nach meiner Vorstellung (Mutter zweier Buben, damals 4 und 6 Jahre alt) kam ein Teilnehmer und fragte: Und wer betreut die Kinder jetzt gerade? Das hat mich erschüttert, weil das Weltbild eines erziehenden Vaters nicht im Blick war. Abgesehen davon werden Väter selten bis nie gefragt, wie sie denn das mit ihren Kindern machen würden, wenn sie tage- oder wochenweise nicht zu Hause sind.
Was macht Sie privat und beruflich glücklich?
Ich reise sehr gerne und genieße das Alleinsein, das Im-Hier-und-Jetzt-Sein und jeden Augenblick, Entscheidungen nur für mich nach meinem Gespür treffen zu können. Beim Wandern kann ich mich leerlaufen, denn nach intensiven Arbeitswochen und -monaten brauche ich Zeit, um den Kopf wirklich leer zu bekommen. Berufliches Glück erfahre ich bei interessanten Projekten und das sind derzeit Blended Learning und digitale Lernstrecken. Und das Feedback von Teilnehmern, die sich Monate oder Jahre nach dem Training melden und mir erzählen, was das Training nachhaltig bewirkt hat. Und durch Covid intensiviert das Bedürfnis nach der Ressource »Wir« mit intensiven Gesprächen und Herz-zu-Herz Begegnungen.