Neues Wissen und neue Verhaltensweisen in virtuellen Lehr- und Lernsettings zu vermitteln, wurde in den letzten Jahren zur Königsdisziplin für Lehrende und Trainer.
War die E-Learning-Begeisterung von Seminar- und Trainingsteilnehmern zu Beginn der Corona-Krise sehr hoch, so wurde spätestens im zweiten Lockdown die sogenannte Webinar-Müdigkeit erkennbar, auch »Concentration Fatigue« genannt.
Grundvoraussetzung für den Wissenserwerb, gleich ob im virtuellen oder realen Lernraum, ist der eigene innere Antrieb bzw. die intrinsische Motivation der Teilnehmer. Im Hinblick auf die extrinsische Motivation bieten neben Zeugnissen und Zertifikaten besonders didaktische Konzepte, virtuelle Kommunikation und die Kompetenzen der Lehrenden und Trainer Potenzial für motivationale Veränderungen.
Dittler nannte bereits Anfang der 2000er-Jahre drei wichtige Erkenntnisse: E-Learning braucht ein fundiertes didaktisches Konzept, E-Learning braucht Diskurs sowie tutorielle Betreuung und E-Learning stellt neue Anforderungen an Präsenz-Lehrende.
Lehr- und Trainingsmethoden im E-Learning
Gemäß Gierke et al. stehen im E-Learning drei grundlegende Lehr- und Lernmethoden zur Verfügung:
1. Gelenktes Lernen: Diese lehrendenzentrierte Lernstrategie wird auch »Learning by Telling« bezeichnet. Sie dient dem Vermitteln von Grundwissen durch Lehrende. Alle Informationen werden durch Vortrag, Demonstration oder mittels Frage-Antwort-Dialog zur Verfügung gestellt. Die Rolle der Vortragenden ist sehr aktiv und bestimmend, die Rolle der Lernenden hingegen passiv und entgegennehmend.
2. Selbst gesteuertes Lernen: Die lernendenzentrierte Ausrichtung ist geprägt von Lernen durch eigenes Tun. Die Informationen werden durch Problemstellungen und bereitgestellte Materialien von Lernenden selbstständiger erarbeitet. Die Rolle der Lehrenden ist daher eine bereitstellende, begleitende, initiierende und motivierende. Die Rolle der Lernenden ist aktiv und gestaltend. Für Lernende steht nicht mehr das Lernmaterial im Zentrum des Lernprozesses, sondern zusätzlich die Kommunikation mit Vortragenden.
3. Gruppenlernen: Im Mittelpunkt dieser Methode steht ein teamzentriertes Handeln. Lernen erfolgt durch Interaktion der Gruppenmitglieder, Reflexion und Diskussion. Lehrende sollten anregen, reflektieren, moderieren und begleiten. Die Rolle der Lernenden ist aktiv und reflektierend.
Selbst gesteuertes Lernen und Gruppenlernen sind somit Methoden, die die Motivation von Lernenden in virtuellen Settings begünstigen können. Was es dafür braucht, ist ein erweitertes Kompetenzspektrum der Lehrenden. Gemäß Döring umfassten die ursprünglichen Kompetenzen von Präsenztrainern die inhaltliche Kompetenz, die Kommunikationskompetenz und die didaktische Kompetenz. Dieses Modell hat sich nun ausgeweitet. Zusätzlich wesentlich ist zum einen die virtuelle Medienkompetenz: Lehrende und Trainer werden meist zu Ansprechpersonen bei technischen Problemen, müssen die eingesetzten Lernplattformen, Kommunikations- und Kooperationstools beherrschen. Zum anderen braucht es in verstärktem Maße eine Moderationskompetenz: Neben der Steuerung von Gruppenprozessen geht es dabei auch um die Motivation und Einbindung von Gruppenmitgliedern, die sich weniger oder gar nicht an den Aktivitäten der Lerngruppe beteiligen. Lehrende und Trainer auf diese veränderten Bedingungen und methodischen Besonderheiten allumfassend vorzubereiten, war angesichts der schnell eintretenden Online-Umstellung zu Beginn des ersten Lockdowns in den meisten Fällen nicht erreichbar. Schnell wurde aber Erfahrungswissen aufgebaut und seitens der Verantwortlichen an unterschiedlichen Stellschrauben gedreht.
Erfolgsfaktoren von digitalen Lern- und Trainingsräumen
Rückblickend lassen sich – basierend auf einer Fokusgruppe zum vorliegenden Thema – drei zentrale Faktoren identifizieren, die die Motivation selbstgesteuerten Lernens und Gruppenlernens in virtuellen Räumen positiv beeinflussen:
1. Größtmögliche Transparenz und Support für alle: Nichts demotiviert mehr als Unklarheiten in Bezug auf Ablauf, Arbeitsaufträge und Zuständigkeiten. Jedem Teilnehmer muss zu jeder Zeit ganz klar sein, was in welcher virtuellen Lehr- und Trainingseinheit wie passiert. Hierfür sollte von Beginn weg der jeweilige Ablauf bzw. die Dramaturgie inkl. Bewertungsmodus offengelegt werden. Bei der Planung und Vorbereitung der Lernarrangements ist jedenfalls darauf zu achten, dass kleinere, überschaubare Lernschritte gesetzt (Stichwort: Micro-Learning) und Verantwortliche für Technik und Support definiert werden. Je nach Setting empfiehlt es sich hier auch, eine Notfallnummer für technische Belange einzurichten.
2. Von der Tool-Vielfalt zur Tool-Achtsamkeit: Tools wie z. B. Zoom, MS Teams, Mentimeter wollen zu klar definierten und kommunizierten Lehr- und Trainingszielen (Stichwort: Sense-Making) passen. Viele Kollegen aus Lehre und Training haben die Erfahrung gemacht, hierbei auf einen bunten Mix aus unterschiedlichen Tools zu verzichten und stattdessen einige wenige Tools zielführend einzusetzen. Das lenkt die Aufmerksamkeit der Teilnehmer u. a. mehr auf die zu vermittelnden Inhalte als auf technische Spielereien. Darüber hinaus entwickeln auch die Lernenden durch die Anwendung ganz nebenbei eine grundlegende Medienkompetenz. Dies wird als besonders motivationsfördernd erachtet.
3. Reflexion auf individueller und kollektiver Ebene: Dass die Reflexion des eigenen Lernfortschrittes motiviert, ist nicht neu. In virtuellen Lernwelten sollte demnach keinesfalls darauf vergessen werden, parallel entsprechende Möglichkeiten für jedes einzelne Teilnehmer (individuelle Ebene) sowie für die gesamte Gruppe (kollektive Ebene) zu installieren. Reflexion auf individueller Ebene kann beispielsweise durch (virtuelle) Lerntagebücher oder Reflexionsberichte ermöglicht werden. Auf kollektiver Ebene eignen sich Methoden wie z. B. Gruppendiskussionen, ein moderierter Erfahrungsaustausch oder Reflecting Teams. Auch das Trainer-Team sollte einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch über Methodik und Tools vornehmen. Dabei können innovative neue Lernarrangements entstehen.
Es ist nicht auszuschließen, dass Motivation in einer intrinsisch hoch motivierten Gruppe von alleine entstehen kann. In virtuellen Lerngruppen zählt dieser Fall jedoch eher zur Ausnahme. Daher lohnt es sich jedenfalls, an der einen oder anderen »Motivations-Schraube« zu drehen.