In einer aktuellen Studie wurde die Ungleichheit am Arbeitsplatz betreffend Führung untersucht. TRAiNiNG hat sich die Zahlen näher angesehen.
»Ein Vater fährt seinen Sohn zum Vorstellungsgespräch bei einem großen Softwareunternehmen. Als sie auf den Parkplatz fahren, klingelt das Telefon des Sohnes. Am Telefon ist der CEO des Unternehmens: ›Viel Glück, mein Sohn, du schaffst das.‹ Wie ist das möglich?« Corina Drucker (StepStone Österreich) leitet mit diesem Rätsel ein Thema ein, das aktuell an Brisanz gewonnen hat: Die Ungleichheit am Arbeitsplatz mit versteckten Assoziationen von Beruf, Funktion und Geschlecht. »Der CEO ist die Mutter des Jungen«, so Drucker, »doch daran denkt kaum jemand und zwar aufgrund unseres unbewussten gesellschaftlichen Vorurteils, dass Führungskräfte männlich sind.«
Leadership ist männlich
Ganz verkehrt ist dieser Gedanke ja auch nicht, denn Leadership ist in Österreich immer noch primär männlich. Von 2000 Befragten der aktuellen Female-Leadership-Studie von StepStone gaben 61 % im August dieses Jahres an, dass bei ihnen vor allem Männer das Unternehmen und die Teams führen. Nur 31 % der befragten Frauen haben Personalverantwortung. Nur 9 % der CEOs von Österreichs 200 Top-Unternehmen sind weiblich, und auch Führungskräfte im mittleren Management sind hauptsächlich männlich. Laut der Deloitte Leadership Survey 2021 habe die Pandemie diese Situation sogar noch verschärft. Demnach würde vor allem Männern von Entscheidern zugetraut, Unternehmen und Teams durch die Krise zu führen und Schlüsselpositionen daher verstärkt männlich besetzt. Fehleinschätzungen aufgrund subjektiver Wahrnehmungen, unbewusster Vorurteile, unstrukturierter Auswahlgespräche oder auch gezieltem Impression Management stehen den Studienautoren zufolge demnach immer noch auf der Tagesordnung.
Frauen stellen Frauen ein
Frauen arbeiten öfter für weibliche Vorgesetzte: 20 % der befragten Frauen geben an, überwiegend weibliche Führungskräfte zu haben, aber nur 7 % der Männer arbeiten für eine überwiegend weibliche Führungsriege. Umgekehrt stellen Männer auch eher Männer ein. »Nachdem Entscheider aber immer noch überwiegend männlich sind, kommen Frauen vielfach einfach nicht durch«, betont Corina Drucker.
Es braucht mehr Rolemodels
»Immer wieder lese und höre ich, dass Frauen ja gar keine Führungsposition wollen. In unserer Studie haben wir vor allem eines gesehen: Wenn eine Frau in dem Wissen aufwächst, dass Female Leadership möglich ist, wenn sie ein Rolemodel hat und die Überzeugung, dass Frauen genauso in der Lage sind, Teams zu führen, dann ist auch der Wunsch deutlich größer, das selbst im Laufe der eigenen Karriere zu tun«, so Drucker. Frauen sind so qualifiziert wie noch nie, legen Wert auf berufliche Entwicklung, finanzielle Unabhängigkeit und soziale Anerkennung und machen dennoch Rückschritte im Arbeitsleben und bei der Beschäftigung, wie auch aus dem aktuellen Women-in-Work-Index hervorgeht. Demnach machte Österreich heuer deutliche Rückschritte und belegt von 33 OECD-Ländern nur mehr Platz 25, was die Chancengleichheit am Arbeitsmarkt für Frauen betrifft. Corona hat sein Übriges beigetragen und Frauen wieder stärker in traditionelle Rollen gedrängt. Frauen fühlen sich stärker ausgebrannt und bräuchten mehr Flexibilität, um alles, etwa Kinderbetreuungspflichten mit ihrer Arbeit vereinbaren zu können. Im Grunde haben alle Geschlechter eine sehr ähnliche Vorstellung von Karriere: Selbstverwirklichung (55 %) und finanzielle Sicherheit (52 %) spielen hierbei die Hauptrolle. Tendenziell ist für Frauen die mit Karriere verbundene soziale Anerkennung aber wichtiger als für Männer.
Chance in der Krise
»Frauen haben aus unterschiedlichen Gründen nicht dieselben Möglichkeiten zur Teilhabe, gleichzeitig befinden wir uns aber in der Situation, dass mehr als 60 % der Unternehmen beklagen, wichtige Schlüsselpositionen nicht besetzen zu können«, so Drucker. Sie sieht in diesem aktuellen Jobboom eine Chance, denn: »Unternehmen haben einen Arbeitskräftebedarf, der aktuell nur sehr schwer zu decken ist. Möglicherweise ist jetzt die Zeit, wo nicht aufgrund von sozialer Gerechtigkeit, sondern aufgrund wirtschaftlicher Notwendigkeit darauf fokussiert wird, Frauen besser zu integrieren.«
Seit Langem ist bekannt, dass vielfältige Teams im Unternehmen aus unterschiedlichen Perspektiven bessere Lösungen entwickeln und langfristig die Performance steigern. Je diverser das Führungsteam, desto diverser werden auch die Teams und diese sind erfolgreicher als homogene Gruppen, denn sie treffen bessere, klügere Entscheidungen. Sie agieren darüber hinaus auch wirtschaftlich erfolgreicher – das ergab eine internationale Studie der Unternehmensberatung McKinsey.
Zudem verschaffen sich vielfältige Unternehmen, die das auch gut nach außen kommunizieren, im Wettbewerb um die besten Mitarbeiter eine optimale Startposition: Diversity erhöht laut der aktuellen Universum-Studie »Die attraktivsten Arbeitgeber Österreichs« unter 12 000 Studierenden ihre Attraktivität als Arbeitgeber und stärken damit die eigene Arbeitgebermarke. Dank Vielfalt und Gleichstellung erschließt sich Unternehmen demnach eine breitere Zielgruppe für offene Positionen.
Recruiting Female Talents
Untersuchungen haben Folgendes gezeigt: Wenn Frauen eine Stellenanzeige mit männlichen Stereotypen lesen, können sie das Gefühl bekommen, dass sie nicht der Beschreibung entsprechen. Diese unsichtbare Barriere kann Frauen davon abhalten, sich zu bewerben. Das Recruiting weiblicher Fachkräfte beginne demnach bei der Ansprache, dem Wording und dem bewussten Vermeiden des »Genderbias« in der Sprache der Stellenausschreibungen, so Drucker. »Bei StepStone fokussieren wir aktuell auf diesen Genderbias und werden in Kürze auch den Genderbias-Decoder in Österreich anbieten, der dabei hilft, Stellenanzeigen auf sprachliche Kodierungen zu scannen.«
Damit alleine sei es zwar noch nicht getan, doch werde der Talente-Pool dadurch im Idealfall diverser und breiter, so Drucker. »Es kann hilfreich sein, die Auswahl der Kandidaten zu systematisieren oder etwa auch ein Team aus unterschiedlichen Menschen zusammenzustellen, um die eigenen Vorurteile etwas abzuschwächen«, so Drucker. Aber natürlich brauche es auch mehr flexible Arbeitszeitmodelle, wie etwa geteilte Führungspositionen, die dem großen Bedarf an Teilzeitstellen unter weiblichen Dienstnehmern besser gerecht würden.
Aber nicht nur unter Frauen, auch männliche Kandidaten legen Wert auf flexible Arbeitszeiten und wollen zunehmend in Teilzeit arbeiten. Die Pandemie hat für viele den Fokus verändert. In der Female-Leadership-Befragung gaben 35 % an, jetzt mehr auf ihre Gesundheit, ihre Freizeit und Work-Life-Balance zu fokussieren als vor der Krise.
Geht Führen in Teilzeit?
Die Challenge dabei: »Vielfalt ist komplizierter als der 40-Stunden-All-in-Vertrag auf Lebenszeit mit Anwesenheit im Büro von morgens bis abends. Vielfalt bedeutet, sich andere Formen der Leistungskontrolle zu überlegen, andere Formen der Kommunikation und auch neue Möglichkeiten des Know-how-Transfers«, fasst Drucker es zusammen. Ob Führen in Teilzeit gehe, darin sei man sich in Österreich noch nicht einig. Unter den Befragten der Studie sagten 61 % der Frauen, dass Führen in Teilzeit möglich ist, hingegen sind nur 48 % der Männer dieser Ansicht. Aber immerhin: Ca. die Hälfte sind überzeugt, dass eine Teilzeitstelle kein Hindernis für eine Führungsposition ist.