Corona hat das Personalwesen ordentlich durcheinander gewirbelt. Welche Konsequenzen das auf den Arbeitsmarkt und die Gehälter hatte, lesen Sie hier.
Im Frühjahr 2020 herrschte im 1. Lockdown noch allgemeine Wirtschaftskrise, und die meisten Mitarbeiter waren froh, überhaupt einen sicheren Job zu haben. Im Jahr 2021 ist für einige Mitarbeitergruppen eine regelrechte Goldgräberstimmung ausgebrochen. Während Hotels, Gastronomie, Events und Kultur von einem Lockdown zum nächsten zitterten und immer noch ums wirtschaftliche Überleben kämpfen, erzielen Mitarbeiter in anderen Branchen Gehaltssteigerungen in bisher ungeahnten Höhen. Besonders auffällig sind die exorbitant hohen Gehaltsvorstellungen von Kandidaten, die sich seit Anfang 2021 am Arbeitsmarkt bewegen. Die Gehaltswünsche entfernen sich immer weiter von den tatsächlich bezahlten Gehältern. Mittlerweile liegen die Ziele rund 30 bis 50 % über den aktuellen Gehaltsbandbreiten.
Den Fachkräftemangel gab es schon lange vor Corona, vor allem in technischen Berufen. Die freizügige Geldmarktpolitik der Zentralbanken, um die Corona-Krise zu bewältigen, hat gewaltige Summen in den Wirtschaftskreislauf gebracht, von denen all jene profitieren, deren Fähigkeiten am Markt nachgefragt sind. Viele Branchen hatten mit einer Delle beim ersten Lockdown im März 2020 zu kämpfen, die einen leichten, aber nicht bedrohlichen Rückgang des Jahresergebnisses bewirkten. 2021 starteten sie mit viel frischem Geld voll durch und trafen auf einen Arbeitsmarkt, der in vielen Bereichen völlig leer gefegt ist.
Die Gewinner des Jahres 2021
Zu den Einkommensgewinnern konnten Sie zählen, wenn Sie einer der folgenden Berufsgruppen angehören:
- Techniker, gleichgültig ob mit abgeschlossener Lehrausbildung, HTL oder Akademiker
- IT-Experten, ob Softwareentwickler, Scrum Master oder IT-Architekt. Wer noch dazu Experte in einem Hype-Thema, wie IT Security oder Künstliche Intelligenz arbeitet, konnte sein Gehalt zusätzlich steigern.
- Finanzen, vor allem Controller, Buchhalter oder Personalverrechner
- Verkauf und Beratung, vor allem im B2B-(Firmenkunden-)Geschäft.
Personalabteilungen unter Druck
Die Corona-Jahre waren für Personalabteilungen besonders herausfordernd. Einerseits traten zum Tagesgeschäft zusätzliche aufwändige Tätigkeiten hinzu, wie etwa die Abrechnungen der Kurzarbeit oder Änderungen des Steuerrechts, die teilweise rückwirkend galten. Außerdem waren viele Personalabteilungen als Corona-Beauftragte im Unternehmen mit der Ausarbeitung und Umsetzung von Hygienekonzepten beschäftigt. Viele Personalabteilungen berichteten, dass sich angesichts der Belastungen mit neuen Aufgaben und der Entgrenzung der Arbeitszeit im Home-Office mit stundenlangen kräfteraubenden Videokonferenzen viele HR-Mitarbeiter ausgebrannt fühlten.
Gleichzeitig mussten sie aussichtslose Situationen beim Recruiting erleben. Manche Mitarbeiter der Personalabteilung fühlten sich an die Lage auf den Baustellen erinnert: Wer angesichts der Lockdowns ein Haus baute, musste genau wie die HR-Abteilungen feststellen, dass weder Handwerker noch Baumaterialien am Markt verfügbar waren, gleichgültig zu welchem Preis.
Hier ein paar typische Wortmeldungen aus den Personalabteilungen:
- »Wir lächeln nur noch milde, wenn uns ein 30-jähriger Kandidat seine Gehaltsvorstellung nennt. Letztes Jahr noch haben wir für diese Stelle ein Gehalt von 50.000,– € als hoch bewertet. Heute nennen uns 80 % der Kandidaten 70.000,– €, der Rest will 100.000,– € verdienen.«
- »Wir haben aufgehört, Inserate zu schalten. Es meldet sich ja doch niemand zu einem Betrag, den wir bereit sind zu zahlen, um nicht unser bestehendes Gehaltssystem komplett über den Haufen zu werfen.«
- »Neulich hatten wir einen Kandidaten, der ohne Matura und weniger als 10 Berufsjahren weit mehr als 30 % als seine erfahrenen Kollegen verdienen wollte. Wir sind dennoch am Überlegen, ob wir ihn einstellen sollen. Er war schließlich der einzige Kandidat im letzten Jahr, der sich auf unsere Annonce gemeldet hat.«
- »Den neuen Job haben wir wahlweise für 30 oder 35 oder 38,5 Wochenstunden ausgeschrieben. Niemand wollte Vollzeit bei uns arbeiten. Teilzeit, auch zu entsprechend weniger Gehalt, war allen Interessenten völlig ausreichend.«
Neue Strategien des Recruitings
Unternehmen wählen unterschiedliche Strategien, um mit dem neuen, verschärften Fachkräftemangel umzugehen:
- Manche Firmen suchen gar keine Mitarbeiter mehr, sondern lasten nur noch das bestehende Team aus, z. B. Handwerker, Unternehmensberater.
- Neue Mitarbeiter werden zu deutlich höheren Gehältern eingestellt, erhalten aber besonders schwierige Aufgaben, die die zusätzlichen Kosten rechtfertigen, z. B. Vertriebsmitarbeiter, die in den kommenden Monaten alle Bestandskunden von einer Preissteigerung von 50 (!) % überzeugen müssen.
- Unternehmen definieren für jede Position im Unternehmen drei Einkommensbereiche (grün, gelb, rot): Im grünen Bereich sind alle Gehälter erlaubt. Im gelben Bereich kann sich das Unternehmen mit dem neuen Mitarbeiter einigen, aber nur unter gewissen Umständen. Ab der Grenze zum roten Bereich ist keine Einigung mehr möglich.
- Firmen locken neue Mitarbeiter mit Themen an, die nicht das Gehalt betreffen, z. B. Home-Office, flexible Arbeitszeiten, Dienstwagen, Freizeit, spannende Arbeitsaufgaben, gutes Betriebsklima.
- Die Minderzahl der Unternehmen geht auf den Gehaltswunsch der Kandidaten ein. Viele wissen: Wer nur für Geld kommt, der geht auch wieder für Geld.
Besonders den jüngeren Mitarbeitern sind andere Faktoren wichtiger als das Gehalt, vor allem Freizeit, Flexibilität, Aufstiegschancen im Unternehmen, sinnvolle Tätigkeiten und ein gutes Klima im Team. Am Ende des Tages ist jedoch die Macht in der Verhandlung klar verteilt: Wer Alternativen hat und sich nicht einigen muss, hat die besseren Karten.
Die junge Generation
Auch die Einstiegsgehälter stiegen spürbar an, vor allem für technische und wirtschaftliche Berufe. Gleichzeitig spielt das Thema Arbeitszeit für junge Mitarbeiter eine große und immer bedeutsamere Rolle. Viele Unternehmen berichten, dass Jobs in Vollzeit gar nicht mehr besetzt werden können. Ein freier Freitag und Flexibilität von Arbeitszeit und Arbeitsort sind das Motto vieler junger Jobsuchenden. »Überstunden sind Freizeitraub«, heißt es vielerorts. Die Arbeitseinstellung der neuen Generation unterscheidet sich grundlegend von der Generation X, die sich noch mit großem zeitlichen Einsatz besonders zu Karrierebeginn ein erfolgreiches Berufsleben aufgebaut hat. »Einmal gut geerbt oder einmal gut geheiratet erspart mir ein ganzes Leben voll harter Arbeit«, denken viele junge Berufsstarter der Generation Y.
Zu den wichtigsten Fringe-Benefits zählen mittlerweile die immateriellen Rahmenbedingungen des Jobs, vor allem flexible Arbeitszeiten, Home-Office oder Sabbaticals. Nicht nur Unternehmen ringen um Home-Office-Regelungen, die möglichst alle Mitarbeiter zufriedenstellen sollen. Auch Unis und Fachhochschulen haben Schwierigkeiten, die Studenten nach der Pandemie zurück in die Hörsäle zu holen. Das Distance Learning war schließlich für viele Studenten genauso komfortabel wie das Home-Office für die Angestellten.
Ausblick auf 2022
Aus Sicht des Personalmanagements sind der Fachkräftemangel, die anstehenden Pensionierungen der Baby Boomer, die geringere Leistungsbereitschaft der jungen Generation und der starke Anstieg der Personalkosten die drängendsten Themen. Erleichterung scheint kurzfristig nicht in Sicht. Die Fachkräfte aus Zentral- und Osteuropa sind bereits erfolgreich in Österreich integriert. Weitere Ressourcen aus diesen Ländern gibt es nicht.
Jene Mitarbeiter, die qualifiziert und leistungsbereit sind, können sich Jobs und Gehalt in gewissem Rahmen aussuchen. Für den Herbst werden Abschlüsse der Kollektivverträge im Bereich zwischen 7 und 8 % erwartet. Die gesundheitlichen Risiken der Pandemie scheinen nach Omikron überwunden. Die wirtschaftlichen Auswirkungen werden wohl noch längere Zeit spürbar sein, vor allem bei der wichtigsten Ressource vieler Unternehmen: ihren Mitarbeitern.