Die TRAiNiNG-Redaktion wählt Tatjana Lackner zur Trainerin des Jahres 2014. Die Rhetoriktrainerin überzeugt unter anderem durch ihre direkte Art, Feedback zu geben.
Warum sind Sie Trainerin geworden?
Mit 18 Jahren lebte ich bereits von Nachhilfe in Deutsch und Englisch. Inhalte gut und vor allem verständlich zu strukturieren, aber auch griffig zu formulieren, fiel mir immer leicht. Beim ORF wurden mir vom Sprecherbüro deshalb wohl auch junge Kollegen geschickt, mit denen ich an ihrer Aussprache arbeiten sollte. Irgendwann wollte ich das nicht mehr kostenfrei in meiner Freizeit tun. Als Unternehmerkind war ich stets überzeugt von der Devise: Die Tüchtige ist selbstständig!
Was haben Sie alles davor gemacht?
Gleich nach der Matura 1988 hab ich mich mit meiner Gesangsstimme beschäftigt: täglich viele Stunden geübt, Unterricht genommen und Opern besucht. Ich bin aber auch gelernte Buchhändlerin mit Lehrabschluss. Mit 19 Jahren bekam ich meine Kleine (heute 24 Jahre alt), danach war es mit dem Singen vorbei. Also wechselte ich zur sprechenden Stimme. Nachdem ich einen ORF-Moderatorenwettbewerb gewonnen hatte, war der Weg zu Ö1, Ö2, aber auch Ö3 geebnet. Alleine für Radio Niederösterreich hab ich über 300 Radiogeschichten geschrieben und gesprochen. Mein Interesse an Journalismus, Philosophie, Gesellschaft, Rhetorik und Politik war schon damals offensichtlich: Mit 23 Jahren war ich Gestalterin einer 12-teiligen politischen Serie rund um die Europäische Gemeinschaft. Prominente Persönlichkeiten aus Medien, Sport, Wirtschaft und dem Showbusiness zu interviewen und auch knifflige Fragen zu stellen, hat mir Spaß gemacht. Damals ist auch meine Überzeugung gewachsen: Der Traumjob steckt in dir, nicht im Markt!
Was macht Ihrer Meinung nach einen guten Trainer aus? Was stört?
Moderne Trainer sollten nicht mehr mit »Herzlich Willkommen«-Wolkerln arbeiten, sondern Visual Recording (z. B. Flipchart-Gestaltung) beherrschen. Gerne auch den Einsatz moderner Medien (z. B. Smartboards). Wir lernen eben leichter bei Trainern mit perfektem Rede-Design – ohne Füllwörter und Bullshitbingo-Phrasen. Durchdachte Seminar-Dramaturgie macht den nächsten großen Unterschied. Wer sich gezielt um Weitererzählwert bemüht, arbeitet dem leidigen Seminareffekt entgegen. Das gelingt mit guter Stimm-Modulation, aktiver Pausensetzung und einprägsamen Storytelling-Elementen samt Fun-Faktor. Nur dort, wo Menschen sich gut unterhalten und selbst Methoden ausprobiert haben, findet Lerntransfer statt. Mangelnde Interaktion oder lahmes Zeitmanagement sind keine Kavaliersdelikte.
Ihr Thema ist Sprechen und alles rundherum. Wo und wie haben Sie kommunizieren gelernt?
Ich vereine zwei Ethnien in mir: Meine Mutter ist Münchnerin, mein Vater Südamerikaner. Er ist Professor für Wirtschaft, Recht und Politik in Bolivien. Meine Großmutter war Preußin, mein Großvater dagegen sprach urbayrisch mit mir. Wieder ein anderer Teil der Familie ist französisch. Ich bin in München geboren und besuchte dort noch den Kindergarten. Alleine bis zum dritten Lebensjahr gab es also eine Reihe unterschiedlicher Spracheinflüsse, die auf mich niedergeprasselt sind. 1974 kam ich nach Österreich. Schnell galt es in der Wachau und im Waldviertel, auch Dialektvokabel zu verstehen. Schon früh in meinem Leben war ich daher auf sprachliche Unterschiede konditioniert. In der eigenen Peergroup überzeugt nur, wer mehr kann. Bei Rhetorik-Wettbewerben ist in der Schule dann bald aufgefallen, dass ich Redetalent besitze. Seit 25 Jahren beschäftige ich mich rund um die Uhr mit Rhetorik, Sprechtechnik und verbalem Charisma. Vor 20 Jahren hab ich die Schule des Sprechens gegründet und seit dem Tausende Menschen trainiert. Und immer noch entdecke ich neue Aspekte in der Kommunikation.
Zu welchen guten Rhetorikern aus Wirtschaft und Politik schauen Sie auf?
In der heutigen Kommunikationsgesellschaft beeindrucken mich Querdenker wie Richard -Saoul Wurman. Der scharfzüngige Designer gründete 1984 die Online-Plattform der Ted Conference. Daraus entwickelten sich TedEX-Talks. Zu beruflichen Vordenkern zählt auch Sokrates (469 v. Chr.) – ohne ihn könnten wir heute nicht so geschmeidig argumentieren. Später im 1. Jahrhundert vor Christus treffe ich auf meinen geschäftlichen Vorfahren: Apollonius Molon. Er gründete eine der erfolgreichsten Redeschulen auf Rhodos. Zu seinen Promi-Absolventen zählten viele Römer, wie Cicero und Cäsar.
Sie bilden häufig Ihren eigenen Mitbewerb aus, stört das nicht?
Das stimmt. 80 % unseres Mitbewerbes in Österreich hat einen direkten oder indirekten Bezug zur Schule des Sprechens. Darunter sind ehemalige Trainer und Wegbegleiter, aber auch Absolventen, die wir selbst ausgebildet haben. Ich denke da an die beiden ehemaligen Ö3-Stau-Ladys Daniela Zeller und Andrea Radakovits, Musicalstar Luzia Nistler und viele andere. Sie alle stiegen aus alten Jobs aus und wir haben sie auf ihrem Weg fachlich fit gemacht. Also: Wenn schon Mitbewerb und Preisdumping, dann wenigstens mit guten Leuten.
Sie polarisieren und nehmen sich kein Blatt vor den Mund. Ist das Ihr Erfolgsgeheimnis?
Ich kümmere mich um persönliche Lerngeschenke in Form von klarem und direktem Feedback. Einem Kunden auf die Schulter zu klopfen und nur oberflächlich sein Selbstkonzept zu bestätigen oder zu loben, was er eh gut macht, bringt ihn nicht weiter. Allerdings halte ich es für wichtig, Feedback lösungsorientiert zu formulieren. Fazit: weder Streichelzoo noch Bootcamp-Methoden (lacht)!
Was sind die häufigsten Schwächen beim Sprechen, die Sie in der Wirtschaft wahrnehmen?
Der üble Redner langweilt, obwohl wir ihm unser höchstes Gut schenken: Lebenszeit! Viele reden eben für SICH und nicht ZU oder MIT den anderen. Eine Rede ist zudem keine Lesung! Beim Zuhören des Vortrags will niemand gestört werden durch z. B. falsche Atemtechnik, schräge Stimmlage, Sprachmarotten etc. Wer zu leise spricht, ärgert, wer zu laut ist, nervt! Vielerorts werden uns Schachtelsätze zugemutet voll mit rhetorischen Weichmachern, welken Aufzählungen und Füllwörtern: »Sag ich einmal«, »eigentlich«, »sozusagen«, »ähm«, …
Was ist das Schönste an Ihrem Beruf?
Am meisten Spaß macht mir, gesellschaftliche Trends zu analysieren – samt ihren Auswirkungen auf unser Redeverhalten. Sprechen gelingt nicht ohne Denken. Innovatives Denken ist anstrengend – dafür steigt das Glücksgefühl bis in den Kopf.
Was ist Tatjana Lackner privat für ein Mensch?
Es gibt Menschen, die leben lieber »gemütlich« – ich brauche es aufregend. Ich bin schrecklich gern vielseitig, das hilft mir, auf mehreren Kanälen mein Leben zu gestalten und mehr als nur einen Blickwinkel einzunehmen. Andere sind dafür vielleicht seltener traurig oder zynisch. Ich kann am Boden zerstört sein und bin sicher ein sehr intensiver Mensch mit hohen Gefühlsamplituden. Zufriedenheit empfinde ich nur situativ und bin deshalb oft eine Getriebene. Genial finde ich, dass ich mit meinen Kindern (Christina-Antonia, 24 Jahre und Xaver Louis, 9 Jahre) eine ganz innige Beziehung pflege. Beide Kinder schaffen es, mich aus meinem Hirngefängnis zu befreien. Das ist immer öfter nötig, denn: Mein Kopf ist ein virtuelles Kraftwerk, das täglich neu zündet [lacht].
Danke für das Gespräch und Gratulation zur »Trainerin des Jahres 2014«.
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