Endlich gab es wieder eine HR-Circle-Veranstaltung live. Johannes Kopf und weitere HR-Experten sprachen über die aktuelle Entwicklung am Arbeitsmarkt.
Zum ersten Mal seit über 2 Jahren traf sich die HR-Community im Rahmen des HR-Circles wieder live in den Räumlichkeiten der ARS Akademie. Was für ein tolles Gefühl, die »Zoom-Gesprächspartner« wieder live vor sich zu sehen. Mit ihnen persönlich reden zu können. Die Freude war allen Teilnehmern ins Gesicht geschrieben. Die gute Stimmung der Veranstaltung war überall spürbar.
Doch nicht nur der Umstand des persönlichen Treffens hatte zu dem regen Zulauf geführt. Auch das Thema und die Diskutanten stießen offensichtlich auf großes Interesse. Bei einer von Karin Bauer (DER STANDARD) moderierten Podiumsdiskussion waren Johannes Kopf (AMS-Chef), Alfred Mahringer (Director HR bei A1 Telekom Austria AG) und Sandra Ziffrein (HR-Leitung DER STANDARD) vor Ort, um gemeinsam Daten über den Arbeitsmarkt zu besprechen und Konsequenzen für HR abzuleiten.
Johannes Kopf gab anfangs einen kurzen Überblick, was in den letzten 2 Jahren in Österreich passiert ist, und wie es derzeit am Arbeitsmarkt aussieht: »Der österreichische Arbeitsmarkt hat in den zwei Pandemie-Jahren eine seiner turbulentesten Zeiten durchlebt. Nach einem enormen Zustrom im März 2020 beim AMS mit einer Rekordarbeitslosigkeit von über 500.000 Menschen (+200.000 zu 2019) und rund 1,3 Mio. weiteren Personen in Kurzarbeit haben sich die Arbeitslosenzahlen überraschend rasch wieder erholt.«
So waren bereits Anfang 2021 nur noch rund 110.000 Menschen mehr beim AMS arbeitslos gemeldet als 2019, im Mai 2021 nur noch um 60.000 mehr und bereits im Oktober 2021 waren es weniger als in Zeiten vor der Pandemie. Durch den neuerlichen Lockdown im Winter 2021 gingen die Arbeitslosenzahlen wieder kurzfristig in die Höhe.
Seit Anfang 2022 meldet das AMS einen enormen Mitarbeiterbedarf seitens heimischer Unternehmen. Noch nie zuvor in der Geschichte waren beim AMS so viele offene Stellen gemeldet. (140.000 offene Stellen).
Johannes Kopf: »Aufgrund der hohen Stellenangebote erleben wir natürlich auch eine Rekordrate bei Stellenbesetzungen. Aber es kommen weiterhin so viele Jobangebote rein, dass dieses Rekordhoch bleibt.« Selbst die Zahl an Langzeitarbeitslosen geht stark zurück.
Eine der schwierigsten Branchen zum Besetzen ist nach wie vor die Gastronomie. Ehemalige Angestellte dieser Branche haben sich im Lockdown nach neuen Jobs umgesehen oder sich umschulen lassen. Nun ist das Angebot an verschiedenen Arbeitsplätzen so umfangreich, dass sie nicht zurück in die Gastronomie wollen. Häufigster Grund dafür sind die schlechte Bezahlung und familienunfreundliche Arbeitszeiten.
Der strukturelle Fachkräftemangel ist ebenfalls allgegenwärtig und stellt die HR-Abteilungen der heimischen Unternehmen vor enorme Herausforderungen. Zusätzlich bringen der gegenwärtige Krieg in der Ukraine, die Teuerung bei den Energiepreisen und die hohe Inflation neue Unsicherheiten und werfen die Frage auf, wie sich der Arbeitsmarkt nun weiterentwickeln wird.
Johannes Kopf dazu: »In den letzten 10 Jahren hat Österreich rund 500.000 Arbeitskräfte aus dem EU-Ausland dazugewonnen. Das ist aufgrund der demografischen Entwicklung extrem wichtig. Dennoch werden wir vermutlich alle in Zukunft länger arbeiten müssen, damit wir es schaffen, offene Stellen zu besetzen. Eine weitere Möglichkeit sehe ich im erweiterten Angebot von Ganztagesbetreuung von Kindern, um so auch Frauen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern.«
Auch über Lehrlinge wurde diskutiert. Hier erkennt man in Österreich starke regionale Unterschiede. In Oberösterreich gibt es derzeit doppelt so viele Lehrstellen wie Lehrlinge, während in Wien mehr Lehrlinge als Stellen verfügbar sind.
Sandra Ziffrein erzählt, dass auch DER STANDARD darüber nachdenkt, Lehrlinge aufzunehmen, um auf diesem Weg zu gut ausgebildeten Mitarbeitern zu kommen. DER STANDARD hat sich ebenfalls dazu entschlossen, Langzeitarbeitslose aufzunehmen und diese wieder in den Arbeitsprozess zu integrieren. Das ist nicht immer einfach und die Unterstützung vom AMS dazu wird gerne angenommen.
Home-Office als Gefahr oder Chance?
Home-Office sehen manche der anwesenden HR-Experten als enorme Chance, andere als Gefahr an.
Sandra Ziffrein: »Der Arbeitsmarkt hat sich in den letzten zwei Jahren stark verändert. Home-Office anzubieten ist für Unternehmen ein »Muss« geworden und bietet großartige Chancen, da das Einzugsgebiet der Mitarbeiter vergrößert wird.«
Alfred Mahringer stimmt dem zwar in gewissen Massen zu, weiß aber auch: »Der Arbeitsmarkt wird internationaler. Österreichische Unternehmen stehen also im Kampf um die besten Mitarbeiter nun noch mehr mit internationalen Unternehmen in Konkurrenz. Es ist viel leichter geworden von Österreich aus für ausländische Unternehmen zu arbeiten, die zum Teil wesentlich höhere Gehälter bezahlen als hierzulande.«
Das führt dazu, dass sich Unternehmen immer mehr einfallen lassen müssen, um (gute) Mitarbeiter zu bekommen. Für Johannes Kopf ist der für den Mitarbeiter erkennbare Sinn der Arbeit ein wesentliches Element um einen Arbeitsplatz, neben dem Gehalt, attraktiv zu machen. Durch häufigeres Home-Office verlieren Mitarbeiter manchmal den großen Blick, warum sie ihren Job ausüben. So geht der Sinn in den Köpfen der Mitarbeiter verloren.
Alfred Mahringer über die Zukunft: »Härterer Wettbewerb macht fitter. Unternehmen müssen im HR besser werden, Employer Branding etc. Wer das verpasst, steht in wenigen Jahren ohne Mitarbeiter da und wird zusperren müssen. Ein Arbeitsplatz muss dem Mitarbeiter mehr Energie geben, als er nimmt. Und das zu gestalten ist die große Aufgabe von HR.«
Johannes Kopf: »Das Unternehmen, das sich ausnahmslos darauf verlässt, ohne großes Zutun genügend Bewerbungen zu bekommen, wird in Zukunft große Schwierigkeiten bekommen. Umdenken ist dringend gefragt.«
Zum Thema Weiterbildung sagt Alfred Mahringer: »Früher wurden Mitarbeiter schneller »ausgetauscht«, wenn sie neu benötigte Skills nicht hatten. Heute wird hier mehr geschult, da wir wissen, wie schwierig es ist, neue Mitarbeiter zu finden.«
Alle drei Podiumsgäste waren sich bei der letzten Frage nach den Arbeitszeiten einig, nämlich dass die Pandemie gezeigt hat, dass das Privatleben wichtig ist. Dennoch sieht niemand der Experten Vollzeit als Auslaufmodell an, wenn es eine ehrliche Vollzeit ist, also eine 40-Stunden-Woche ohne zahlreicher Überstunden. All-in-Verträge mit teilweise 60 oder mehr Wochenstunden werden in Zukunft weniger akzeptiert werden.
Alfred Mahringer sieht ein Lebensphasenmodell als realistisch an. Junge Menschen nach ihrem Studium sind motiviert und wollen erst einmal viel leisten, Karriere machen und Geld verdienen. Danach kommt eine Phase, in der sie Eltern werden, und vielleicht auf 30 Stunden reduzieren. Sind die Kinder aus dem gröbsten draußen wird nochmals 15 Jahre »Gas gegeben« nur um dann mit 55 oder 60 Jahren die Stunden wieder langsam zu reduzieren. »Unternehmen müssen auch dazu entsprechende Modelle anbieten«, rät Mahringer.
Die Meinungen sowie die Arbeitsmarktzahlen haben nach dem offiziellen Teil noch für längere Diskussionen unter den Teilnehmern gesorgt, wobei dann der Abend gemütlich mit gutem Essen und einem Glas Wein ausklang. Schön, wieder präsent zu sein. Dennoch wird der HR-Circle in Zukunft beide Formate anbieten. Manche Themen werden vor Ort sein, andere Veranstaltungen werden online stattfinden.