Arbeitszeit in der Arbeitswelt 2.0

Wie derzeit das Arbeitsrecht in puncto Arbeitszeit aussieht, besonders in Bezug auf Gleitzeit und ähnliche flexiblere Arbeitszeitmodelle, beschreibt Birgit Vogt-Majarek.

Durch die Digitalisierung und den Trend zur (teilweisen) Arbeit aus dem Home-Office (der durch die COVID-19 Pandemie noch verstärkt wurde) hat sich die Arbeitswelt in den letzten Jahren sehr verändert. Immer lauter wird der Ruf nach einem Umbruch, der Gewährung weitgehender Flexibilität und dem Ende der »Präsenzkultur« auch zur Förderung der besten Talente. Dennoch gelten die im internationalen Vergleich strengen rechtlichen Grenzen i. S. Arbeitszeit und Arbeitsruhe in vielen Punkten unverändert weiter. Umso wichtiger wird die Nutzung von gesetzlichen und kollektivvertraglichen Flexibilisierungsmöglichkeiten, um den erwähnten Werten besser zu entsprechen und zudem Verwaltungsübertretungen mit oft hohen Strafen zu vermeiden. Dieser Artikel liefert einen Überblick über die wesentlichsten Fragen und Möglichkeiten.

Grenzen der Arbeitszeit

Laut den gesetzlichen Bestimmungen darf die tägliche Normalarbeitszeit acht Stunden, die wöchentliche Normalarbeitszeit 40 Stunden nicht überschreiten; viele Kollektivverträge sehen Verkürzungen der wöchentlichen Normalarbeitszeit auf z. B. 38,5 oder weniger Stunden vor. Zu diesem Grundsatz gibt es aber diverse Erweiterungsmöglichkeiten im Gesetz, mittels Kollektivvertrags (KV) oder Betriebsvereinbarung (BV), wie z. B. die 4-Tage-Woche, Schichtarbeit, Bereitschaftsdienste etc. Auch im Rahmen dieser oder anderer Modelle darf die Höchstarbeitszeit pro Woche 60 Stunden und pro Tag zwölf Stunden – abgesehen von gesetzlichen Ausnahmen – nicht überschreiten; auch diese Erweiterung wurde erst durch die Novelle 2018 eingeführt. Den meisten Arbeitszeitmodellen ist zudem gemein, dass auch bei Überschreitung von Wochenarbeitszeiten von 48 Stunden (oder mehr) die durchschnittliche Wochenarbeitszeit innerhalb eines (durch KV verlängerbaren) Durchrechnungszeitraumes von 17 Wochen nicht mehr als 48 Stunden betragen darf. Derartige Modelle gestatten sohin gerade keine dauerhafte Ausweitung der Arbeitszeit, sondern bloß deren flexiblere zeitliche Verteilung über längere Zeiträume.

Wochenendarbeit und Ruhepausen

Neben den maximalen Arbeitszeiten sind vor allem die Ruhepausen sowie tägliche und wöchentliche Ruhezeiten wesentliche Pfeiler des Arbeitszeitsystems. Die verpflichtende Ruhepause nach spätestens sechs Stunden Arbeit dient der Regeneration des Arbeitnehmers. Die in der Regel halbstündige Pause, die ohne abweichende Vereinbarung unbezahlt ist, kann aus betrieblichen Gründen oder im Arbeitnehmerinteresse auch in 15- oder 10-minütige Tranchen geteilt werden. Deutlich mehr Probleme in der Praxis bei der oben erwähnten Schaffung von Flexibilität bereitet die nach Beendigung der Arbeitszeit zu gewährende tägliche (ununterbrochene) Ruhezeit von i.d.R. mindestens elf Stunden. Gerade für Mitarbeiter, die z. B. im Home-Office gerne zu Tagesrandzeiten arbeiten und tagsüber lieber flexibel wären oder gerne längere Pausen hätten, die sie gemeinsam mit ihrer Familie verbringen wollen, bedeutet diese Vorgabe Herausforderungen. Durch Kollektivvertrag kann die Ruhezeit zwar auf bis zu acht Stunden verkürzt werden. Die Verkürzung ist aber innerhalb der nächsten zehn Kalendertage durch entsprechende Verlängerung anderer (täglicher oder wöchentlicher) Ruhezeiten auszugleichen.
Arbeitnehmer haben neben der täglichen Ruhezeit in jeder Kalenderwoche Anspruch auf (ununterbrochene) Wochenendruhe von 36 Stunden, in die i.d.R. der Sonntag zu fallen hat. Sie beginnt mangels Ausnahme spätestens Samstag um 13 Uhr. Während dieser Zeit dürfen Arbeitnehmer nur beschäftigt werden, wenn dies durch gesetzliche Ausnahme im Arbeitsruhegesetz (ARG) samt dessen Konkretisierung durch die ARG-VO etc. zugelassen ist. Diesfalls haben die Arbeitnehmer Anspruch auf eine ununterbrochene Wochenruhe von 36 Stunden, die einen ganzen Wochentag einzuschließen hat.
Seit der Novelle 2018 ist es auch möglich, bei vorübergehend auftretendem besonderen Arbeitsbedarf durch BV Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe an vier (nicht aufeinanderfolgenden) Wochenenden oder Feiertagen pro Arbeitnehmer und Jahr zuzulassen. In Betrieben ohne Betriebsrat kann solche Wochenend- und Feiertagsarbeit schriftlich mit den einzelnen Arbeitnehmern vereinbart werden. Wie bei Überstundenarbeit über 10 Stunden täglich bzw. 50 Stunden wöchentlich hinaus, kann auch die Wochenend- und Feiertagsarbeit in diesem Fall von Arbeitnehmern grundsätzlich ohne Angabe von Gründen abgelehnt und dürfen sie deswegen nicht benachteiligt werden (insbesondere in puncto Entgelt, Aufstiegsmöglichkeiten oder Beendigung des Dienstverhältnisses).

Wesentliche Rolle der Gleitzeit

Gleitende Arbeitszeit liegt vor, wenn Arbeitnehmer innerhalb eines vereinbarten zeitlichen Rahmens Beginn und Ende ihrer täglichen Normalarbeitszeit selbst bestimmen können. Die Gleitzeit ermöglicht wesentliche Erweiterungen der Arbeitszeit ohne Zuschläge, wenn die Mehrarbeit auch entsprechend verbraucht wird; das Arbeitszeitgesetz (AZG) sieht für die Regelung der Gleitzeitarbeit aber durchaus strenge Vorgaben vor. Sie muss in Betrieben mit Betriebsrat zwingend mittels BV geregelt, sonst mit jedem einzelnen Arbeitnehmer vereinbart werden und zudem die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestinhalte aufweisen.
Verpflichtend festzuhalten ist die Dauer der Gleitzeitperiode (von i.d.R. drei Monaten bis zu einem Jahr), innerhalb der die Durchrechnung der Arbeitszeiten erfolgt, der Gleitzeitrahmen innerhalb dessen die Arbeitnehmer ihre tägliche Arbeitszeit bestimmen können, das Höchstausmaß allfälliger Übertragungsmöglichkeiten von Zeitguthaben und Zeitschulden in die nächste Gleitzeitperiode sowie die fiktive Normalarbeitszeit. Der Gleitzeitrahmen fixiert den uhrzeitmäßig frühestmöglichen Arbeitsbeginn und das späteste Arbeitsende (z. B. 8.00 bis 19.00 Uhr). In diesem Rahmen können auch Kernzeiten festgelegt werden (dies ist nicht verpflichtend, aber durchaus üblich), in denen Arbeitnehmer jedenfalls arbeiten müssen (z. B. 10.00 bis 15.00 Uhr). In vielen Gleitzeitvereinbarungen üblich ist zudem eine innerhalb des Teams zu koordinierende Mindestbesetzung, um den reibungslosen Betrieb (insbesondere zu bestimmten Zeiten) zu ermöglichen. Die Bedeutung der fiktiven Normalarbeitszeit liegt in der Bewertung der jeweiligen Arbeitszeit für Zwecke der Entgeltfortzahlung (bei Urlauben, Krankenständen, sonstigen Abwesenheiten). Die Einhaltung dieser Mindestinhalte ist essenziell, weil sonst die Gleitzeitvereinbarung ungültig und jede Überschreitung der Normalarbeitszeit als Mehr- bzw. Überstunde zu qualifizieren und damit grundsätzlich zuschlagspflichtig ist.
Auch bei Gleitzeit darf die tägliche Normalarbeitszeit i. d. R. 10 Stunden nicht überschreiten; eine Verlängerung der Normalarbeitszeit auf bis zu 12 Stunden (unter Einhaltung gesetzlicher Vorgaben, wie u. A. dem ganztägigen Verbrauch von Zeitguthaben und dessen Kombination mit Wochenendruhe) ist jedoch zulässig.

Lage der Arbeitszeit

Auch die Lage der Arbeitszeit muss laut den gesetzlichen Bestimmungen vereinbart werden, soweit diese nicht durch KV oder BV festgelegt wird. Abweichend davon kann die Lage nur dann geändert werden, wenn dies aus objektiven Gründen sachlich gerechtfertigt ist, dies dem Arbeitnehmer mindestens zwei Wochen im Vorhinein mitgeteilt wird, und weder berücksichtigungswürdige Interessen des Arbeitnehmers noch eine abweichende Vereinbarung entgegenstehen.
In die Interessenabwägung sind auch die Interessen des Arbeitgebers (wie insbesondere die Dringlichkeit der angeordneten Arbeit und deren wirtschaftliche Bedeutung o.ä.) miteinzubeziehen. Ausnahmen von diesen Vorgaben bestehen nur in unvorhersehbaren Fällen zur Verhinderung unverhältnismäßiger wirtschaftlicher Nachteile für den Arbeitgeber. Eine Arbeitsweise bloß »nach Bedarf« mit sehr kurzfristigen Änderungen der Arbeitszeit nach den Vorgaben des Arbeitgebers ist damit ausgeschlossen.

Zukunftsmodell Vertrauensarbeitszeit?

Eine »Vertrauensarbeitszeit« in der Form, dass Arbeitnehmer im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber komplett flexibel arbeiten und die Arbeitszeit nicht durch die oben erläuterten Schranken determiniert ist, ist bis auf Weiteres wohl nur dann möglich, wenn die betreffenden Arbeitnehmer »leitend« sind, d. h. maßgebliche Führungsaufgaben auf die Arbeitnehmer übertragen wurden. Durch die Novelle 2018 wurde der Personenkreis, der vom AZG und ARG ausgenommen ist, erweitert. Ausgenommen sind seither u. A. auch Personen, denen maßgebliche selbstständige Entscheidungsbefugnis übertragen ist, und deren gesamte Arbeitszeit aufgrund der Besonderheiten der Tätigkeit nicht im Voraus festgelegt wird, oder von ihnen betreffend Lage und Dauer selbst festgelegt werden kann. Eine Ausweitung der Vertrauensarbeitszeit auf alle Arbeitnehmer, wie sie von einigen Unternehmen gewünscht wird, bedürfte dagegen einer Ausdehnung der bisher bestehenden Ausnahmen von AZG und ARG.
Bei Arbeitnehmern ohne schriftliche fixe Arbeitszeiteinteilung, die in den Anwendungsbereich des AZG fallen, sind die Arbeits- und Ruhezeiten aufgrund gesetzlicher Vorgaben vollständig aufzuzeichnen (in der Praxis wird diese Verpflichtung zumeist auf die Arbeitnehmer übertragen, wobei die Verantwortung für die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und damit auch die Strafbarkeit im Falle von Verstößen dennoch beim Arbeitgeber bzw. dessen vertretungsbefugten Organen bleibt) und vom Arbeitgeber zu kontrollieren.
Fallen Arbeitnehmer zwar in den Anwendungsbereich von AZG und ARG, können sie die Lage ihrer Arbeitszeit und ihren Arbeitsort aber weitgehend selbst bestimmen oder ihre Tätigkeit überwiegend in ihrer Wohnung ausüben (wie dies z. T. bei Home-Office-Arbeit der Fall ist), sind laut Gesetz ausschließlich Aufzeichnungen über die Dauer der Tagesarbeitszeit zu führen. Laut einer EuGH-Entscheidung aus 2019 entsprechen solche bloße »Saldenaufzeichnungen« nicht den Vorgaben des EU-Rechts; eine Gesetzesanpassung gab es in Österreich dazu jedoch (noch) nicht.

Schreiben Sie einen Kommentar!


*

Vogt-Majarek

Gastautor
Birgit Vogt-Majarek
ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Arbeits- und Gesellschaftsrecht und Partner der Schima Mayer Starlinger Rechtsanwälte GmbH.
birgit.vogt@sms.law
www.sms.law