Immer häufiger wickeln Unternehmen Aufgaben in Form von Projekten ab und benötigen dazu qualifiziertes Personal. Welche Möglichkeiten es gibt, um sich bzw. die Mitarbeiter als Projektmanager auszubilden und zertifizieren zu lassen, erfuhr TRAiNiNG von zwei Experten.
Über ein Drittel des deutschen Bruttoinlandsprodukts wurde 2015 durch Projekte erwirtschaftet. Der Trend zu projekthaften Arbeitsformen nimmt weiter zu. Zu diesem Schluss kommt eine Untersuchung der GPM – Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. zur »Makroökonomischen Vermessung der Projekttätigkeit in Deutschland«. Experten gehen davon aus, dass bis 2025 Topmanager rund 60 % ihrer Zeit verwenden, um Projekte auszuwählen, zu priorisieren und sie voranzutreiben.
Auch in Österreich ist dieser Trend schon seit längerem zu erkennen. Häufig ist dies jedoch schwierig, weil herkömmliche Methoden in Projektorganisationen nicht immer funktionieren. Einige Projekte, die gescheitert sind, bzw. mit enormen Mehraufwand umgesetzt wurden, sind z. B. der Flughafen Berlin Brandenburg, der Bau der Hamburger Elbphilharmonie, dessen Kosten sich mehr als verzehnfacht haben, oder das »Vorzeigeprojekt« der österreichischen Bundesregierung »Kaufhaus Österreich«, dessen Sinn niemand verstanden hat.
Damit Projekte erfolgreich ablaufen, braucht es unter anderem gut ausgebildete Projektleiter, die wissen, worauf es ankommt.
Daher gibt es zahlreiche Ausbildungen zum Projektmanager, die unterschiedlich lange dauern und mit unterschiedlichen Zertifizierungen abgeschlossen werden. Die IPMA bietet z. B. ein vierstufiges Zertifizierungssystem an, PRINCE2 und PMI bieten jeweils drei Zertifizierungsstufen an. Die verschiedenen Stufen unterscheiden sich in Inhalt und Umfang voneinander. (Details dazu siehe Tabelle).
Um hier Licht in den Dschungel zu bekommen, hat sich TRAiNiNG über die verschiedenen Standards informiert und mit Experten gesprochen. Warum sollen sich Projektmanager überhaupt zertifizieren lassen?
Julia Scheve (Fachbereichsleitung Projektmanagement bei procon): »Ein Projektmanagement-Personenzertifikat bietet den Nachweis über die Kompetenz einer Person im Managementsystem Projektmanagement, was mehr denn je gefragt ist. Neben positiven Auswirkungen auf das Gehalt bietet es eine große Bandbreite an beruflichen Chancen in verschiedenen Branchen und ist im Recruitingprozess ein Türöffner. Durch ein Personenzertifikat wird nachgewiesen, dass sich diese Person je nach Standard und Grad der Zertifizierung mit den Aufgaben, Anforderungen und Herausforderungen im Projektmanagement sowohl auf theoretischer wie auch praktischer Ebene auseinandergesetzt hat. Dies beinhaltet zum einen Methodenkompetenz, das Know-how und Do-how in der Planung und Steuerung von Projekten und zum anderen die Bewertung des Projektkontexts hinsichtlich der Auswirkungen auf die Projektabwicklung. Die Projektmanager sind sich somit ihrer Rolle und den damit verbundenen Aufgaben, Pflichten und Rechte bewusst und kommunizieren klar mit den richtigen Fachbegriffen. Eben dieses Wissen und die Fähigkeiten werden durch ein Zertifikat eines internationalen Standards vergleichbar und einschätzbar für das Gegenüber.«
Gabriel N. Gassmann (Managing Director next level consulting Schweiz): »Projektmanagement-Zertifikate sind für die Inhaber sehr viel mehr als nur ein Dokument oder Diplom. Denn ein entsprechendes Zertifikat ist ein offizieller Nachweis von und über die individuellen Kompetenzen, welche bestenfalls auch von einer international anerkannten und renommierten Organisation ausgestellt und beglaubigt wird. Klar nützen Zertifikate immer auch dem Unternehmen, das damit »Werbung« machen kann. Aber letztendlich sind Projektmanagement-Zertifikate personifiziert, »gehören« mir als Individuum und sind ein nicht zu unterschätzender Teil meiner eigenen Arbeitsmarktfähigkeit.
Das heißt also auch, dass ich mit einem Projektmanagement-Zertifikat viel in die Sicherung meines Arbeitsplatzes investiere und außerdem verbesserte Chancen auf dem Arbeitsmarkt habe (Employability). Entsprechende Anforderungen an Mitarbeiter sieht man heutzutage auch überall in den Stellenausschreibungen und daher sind Zertifikate auch ein aktives Element bei der Rekrutierung und Selektion von Bewerbern.«
Unterschiede bei Zertifikaten
Es gibt drei große und wichtige Ausbildungsstandards im Bereich des Projektmanagements:
PMI – Project Management Institute ist eine Projektmanagement-Organisation mit Sitz in den USA und repräsentiert mehr als 600 000 Mitglieder in über 200 Ländern.
IPMA – International Project Management Association ist weltweit die erste und einzige föderalistisch strukturierte Projektmanagement-Organisation. Sie ist auf allen 5 Kontinenten aktiv.
PRINCE2 – Projects in Controlled Environments ist eine prozessorientierte und skalierbare Projektmanagementmethode.
Gabriel N. Gassmann unterteilt grundsätzlich zwei Arten von Projektmanagement-Zertifikaten:
- Erstens: Zertifikate, welche primär die Projektmanagement-Fach- und Methodenkompetenz in der Anwendung eines spezifischen Frameworks prüfen. Dieser Ansatz wird bei PRINCE2 sowie ebenfalls bei PMI mit dem PMBOK (Project Management Body of Knowledge ) verfolgt. Es wird also primär Wissen abgefragt (Multiple Choice basierte Zertifikate).
- Zweitens: Zertifikate, welche primär die Projektmanagement-Handlungskompetenz in der Anwendung von konkreten Projekten verifizieren. Dieses Vorgehen stellt den Nachweis der konkreten Handlungen über mehrere unterschiedliche, schriftliche wie mündliche Stufen dar.
Julia Scheve erklärt einige Unterschiede bei den Basisausbildungen und Prüfungen: »Während IPMA (Level D) und PRINCE2 (Foundation) für ihre Basiszertifizierungen keine Voraussetzungen erfordern, wird bei PMI (Certified Associate in Project Management – CAPM) auch in der Basiszertifizierung bereits Projekterfahrung oder der Besuch eines Trainings gefordert. Hinsichtlich der Zertifizierungsprüfungen sticht die IPMA durch das Überprüfen des methodischen Praxiswissen in allen 4 Zertifizierungsleveln in Form von Fallbeispielen, Report und Interviews klar zu den Multiple Choice Tests von PMI und PRINCE2 heraus. Zu erwähnen sei noch, dass eine Rezertifizierung bei IPMA nach 5 Jahren und bei PMI und PRINCE2 nach 3 Jahren durchzuführen ist.«
Jede der drei Organisationen (IPMA, PMI oder PRINCE2) bieten also verschiedene Stufen der Zertifizierungen an, die einen unterschiedlichen Lernaufwand darstellen und teilweise Vorerfahrungen verlangen. Daher sollte klar abgewogen werden, wofür sich der Aufwand lohnt.
Gabriel N. Gassmann bietet eine Übersicht an Fragen, die man stellen sollte, bevor man sich für ein Zertifizierungssystem entscheidet:
- In welchen Ländern sind wir tätig? Sind wir stark in asiatischen und arabischen Ländern oder den USA tätig, dann dürfte PMI im Vordergrund stehen. PRINCE2 ist hingegen in Großbritannien stark vertreten, da dieser Standard als De-facto-Standard der britischen Regierung gilt. Und im deutschsprachigen Raum ist IPMA am meisten verbreitet.
- Sind wir in einem Umfeld, einer Region oder mit Kunden tätig, die ein bestimmtes Zertifikat erfordern? Sollte dies der Fall sein, wird sicherlich dieses Zertifikat in die engere Wahl kommen.
- Wollen wir uns im klassischen Projektmanagement oder zu agilen Vorgehensweisen zertifizieren lassen? Sowohl PRINCE2, PMI als auch IPMA bieten heute auch agile Zertifikate an. Daneben gibt es auch noch etliche renommierte Zertifikate außerhalb dieser drei traditionellen Organisationen.
Zudem spielt es auch eine Rolle, wie gut die eigenen Englischkenntnisse oder die bevorzugten Prüfungsmodalitäten aussehen.«
Julia Scheve: »Eine Zertifizierung ist für jede Person sinnvoll, die bereits in Projekten tätig ist, seien es Projektleiter selbst, Führungskräfte in der Rolle des Projektauftraggebers, Projektmitarbeiter oder Personen, die diese Funktionen anstreben. Die Grundlage für eine effiziente und effektive Projektplanung und Projektdurchführung bietet fundiertes Projektmanagementwissen und Anwendungskompetenz. Unsere Erfahrung zeigt uns leider, dass gerade Führungskräfte in ihrer Rolle als Projektauftraggeber oft nicht darüber verfügen und somit die Projektabwicklung erschweren.«
Der Weg zum Zertifikat
Die Dauer der Vorbereitung auf die Prüfung für die jeweilige Zertifizierung ist abhängig vom persönlichen Wissensstand, der Erfahrung und dem angestrebten Zertifikat. Wenn Projektmanager ihre Projekte in der Vergangenheit bereits ›nahe‹ am jeweiligen Standard geplant und gemanagt haben, dann ist der Aufwand bis zu einer erfolgreichen Zertifizierung überschaubar.
Julia Scheve: »Die procon Unternehmensberatung GmbH ist Ausbildungskooperationspartner der PMA (Projekt Management Austria) und bietet somit Trainings für Firmen und Personen an, die sich nach dem IPMA Projektmanagement Standard zertifizieren lassen möchten. Hierfür bieten wir je nach Level Kurse für Firmen intern, an Ausbildungsinstituten und Universitäten in ganz Österreich an. Zu Beginn des Projektmanagementtrainings empfehlen wir die Registrierung bei der pma durchzuführen, um sich für einen zeitnahen Zertifizierungstermin anzumelden. In unserem Training werden alle wesentlichen Inhalte zum Thema Projektmanagement und Zertifizierungsprüfung inkl. Prüfungssimulation und Take Home Exam bearbeitet. Weiter sollten die Teilnehmer auch an dem kostenlosen Online-Zertifizierungscoaching der PMA teilnehmen, in dem noch konkret Informationen zur Zertifizierungsprüfung übermittelt werden.«
Gabriel N. Gassmann: »next level ist pma-Ausbildungskooperationspartner, Authorized Training Partner (ATP) des PMI und hat den akkreditierten Trainingsorganisationen (ATOs)-Status für PRINCE2. Wir unterstützen bei der Vorbereitung auf alle genannten Zertifizierungen und informieren gerne im Detail bei einem unverbindlichen Beratungsgespräch oder unseren kostenlosen Info-Webinaren. Gerne empfehlen wir Vorbereitungsprogramme oder auch nur die Prüfungsvorbereitung, je nachdem welches Level angestrebt wird und welche Vorkenntnisse vorhanden sind. Bei PRINCE2 wird im Anschluss an die Prüfungsvorbereitung auch gleich die Zertifizierung abgenommen.«
Fazit
Es gibt mehrere Zertifikate für Projektmanager, die je nach Anforderung und Vorerfahrung in Frage kommen. Die Tabelle links fasst die größten Unterschiede zusammen. Es zahlt sich aus, umfangreich zu recherchieren, welche Ausbildung und welche Zertifizierung die eigenen Bedürfnisse am besten abdecken.