Führen mit Algorithmen

Wie würden Mitarbeiter reagieren, wenn nicht mehr ihre Vorgesetzten Entscheidungen treffen, sondern Algorithmen? Dieser Artikel beschreibt mögliche Konsequenzen davon.

Haben sie schon einmal daran gedacht, Algorithmen einzusetzen, um bessere Führungsentscheidungen zu treffen, Mitarbeiter zu koordinieren oder zu kontrollieren? Eine internationale Studie hat ergeben, dass 86 % der Führungskräfte Algorithmen einsetzen wollen, um eben dies zu tun. Algorithmen werden definiert als »computerprogrammierte Verfahren, die Eingabedaten in gewünschte Ausgaben umwandeln, und zwar auf eine Art und Weise, die in der Regel umfassender, unmittelbarer, interaktiver und undurchsichtiger ist als frühere technische Systeme«. Unter Führung kann allgemeinhin jeder Prozess oder jede Praxis, die eine Führungskraft unternimmt, um ihre Mitarbeiter anzuleiten, zu motivieren oder zu ermutigen, die Ziele der Organisation zu erreichen, verstanden werden. Der Führungserfolg bemisst sich dabei an den Auswirkungen von Führung auf die Geführten. Durch den Einsatz von Algorithmen verändert sich die Dynamik in der Beziehung Führungskraft und Mitarbeiter. Es entsteht ein Dreiecksverhältnis, in dem die Geführten sowohl einer hierarchisch übergeordneten Person als auch einem Algorithmus in Form eines Tools, Advisers oder Führungskraft gegenüberstehen. Fraglich ist hier, ob Geführte, die Entscheidungen von Algorithmen gegenüber einer menschlichen Entscheidung akzeptieren, sie als legitim und fair ansehen – oder ob sie Widerstand leisten und letztendlich der Reputation des Unternehmens schaden können.

Einsatz von Algorithmen

Kameras, Sensoren und Audiogeräte können Körperbewegungen und Sprache von Arbeitnehmern aufzeichnen, um Hinweise für die Einhaltung oder Abweichung von Produktionsroutinen zu liefern.
Biometrische und Sensordaten werden verwendet, um die Identität von Mitarbeitern zu überprüfen, auf Drogen- und Alkoholkonsum zu testen, Feedback zu emotionalen und physiologischen Indikatoren in Echtzeit zu sammeln.
Beschleunigungssensoren von Smartphones können analysiert werden, um die Bewegung von Arbeitnehmern zu messen.
Textdaten, videobasierte Erkennungstechniken und Algorithmen zur Verarbeitung natürlicher Sprache können E-Mails oder Chats in Echtzeit überwachen, um die Stimmung, Produktivität und Fluktuationsabsicht der Mitarbeiter zu bewerten.

Drei Kritische Szenarien

Schafheitle et al. erarbeiten drei kritische Szenarien für Mitarbeiter, die in diesem Dreiecksverhältnis Relevanz zeigen:

  • die Verantwortungsdiffusion,
  • widersprüchliche Anweisungen und
  • die Stimme der Mitarbeiter wird nicht gehört.

1. Verantwortungsdiffusion. Mitarbeiter sind angewiesen, Algorithmen einzusetzen und deren Empfehlung zu folgen. Werden dabei auftretende Fehler dem Mitarbeiter zugeordnet und nicht dem Algorithmus oder der Führungskraft, die dessen Anwendung angeordnet hat, entsteht Konfusion darüber, bei wem letztendlich die Verantwortung liegt. Beispielsweise nutzen bei Facebook und Twitter Mitarbeiter eine algorithmische Vorauswahl, um manuell Fake News oder rassistische Inhalte zu überprüfen. Gemachte Fehler werden dabei den Menschen zugewiesen, nicht dem Algorithmus.
2. Widersprüchliche Anweisungen. Mitarbeiter befinden sich in einer Situation, in der die Anweisung eines Algorithmus oder die Anweisung der Führungskraft befolgt werden kann. Die Anweisungen sind unterschiedlich und führen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Aufgrund von organisationaler und zwischenmenschlicher Abhängigkeit wählen die Mitarbeiter, der menschlichen Führungskraft zu folgen, auch wenn dies voraussichtlich zu einem schlechten Ergebnis führt.
3. Mitarbeiter werden nicht gehört. Die Anweisung der Führungskraft und die des Algorithmus stimmen überein. In dieser Situation ist es schwierig für Mitarbeiter, Einspruch zu erheben. Die Mitarbeiter werden nicht gehört. Beispielsweise setzt Uber Algorithmen ein, um Fahrer mit schlechter Kundenbewertung für bestimmte Zeit auf der Smartphone-Anwendung zu deaktivieren – und diese damit zu sanktionieren. Das Ergebnis veränderte sich dabei nicht, auch wenn Führungskräfte die Ergebnisse der Algorithmen prüften.

Upskilling

Akzeptieren die Mitarbeiter die Entscheidungen der Algorithmen nicht, gehen sie individuell oder gemeinsam in den Widerstand. Daher ist es notwendig, bereits frühzeitig gegenzusteuern. McGuire & De Cremer bezeichnen es als moralische Verpflichtung der Führungskraft, die Verantwortung für die Entscheidungen von Algorithmen zu übernehmen. Die Aufgabe der menschlichen Führungskraft ist es, die Rechte der Mitarbeitenden zu schützen und ihr Gesicht zu wahren, anstatt sie zu beschuldigen. Es Bedarf hier der Entwicklung einer ethischen Diskussionsgrundlage. Eine weitere Entwicklungsaufgabe besteht darin, soziale Protokolle und Hierarchien bewusst zu machen und negative Konsequenzen durch das (Nicht-)Befolgen von algorithmischen Entscheidungen zu vermeiden und zu reflektieren. Insbesondere Führungskräfte benötigen ein technisches Upskilling, um Kenntnisse über algorithmische Datenverarbeitung und -analyse und deren Folgen aufzubauen und an Mitarbeiter kommunizieren zu können. Des Weiteren sollte Mitarbeitern ein Mitspracherecht eingeräumt werden. Führungskräfte brauchen hier Zeit für Gespräche, in denen Mitarbeiter ihre Sichtweise schildern können. Führungskräfte sollten dabei die »Verbrüderung mit dem Algorithmus« vermeiden. Eine solche führt zur Abwertung der Mitarbeiter und deren Arbeit.

Fazit
Der Einsatz von Algorithmen kann Vorteile wie effiziente Entscheidungen und Innovation mit sich bringen. Von der Belegschaft nicht akzeptiert, kommt es allerdings zu Widerstand und Reputationsverlust. Organisationen und Führungskräfte müssen sich bewusst machen, dass sie sich nicht aus der Verantwortung nehmen können. Ein Algorithmus ist weder moralisch, empathisch noch integrativ. Ein Algorithmus kann entscheiden, aber er kann diese Entscheidungen nicht erklären, Sinn geben, in verschiedene Kontexte setzen oder Mitgefühl zeigen. Algorithmen einzusetzen, ist eine Wahl und es gilt, dafür auch langfristig die Konsequenzen und Verantwortung zu tragen. Darauf sollten Führungskräfte frühzeitig vorbereitet werden.

Schreiben Sie einen Kommentar!


*

bärmann_steffi

Gastautor
Steffi Bärmann
Academic Expert & Lecturer an der FHWien der WKW.
www.fh-wien.ac.at