Worauf beim Lernen von Sprachen im virtuellen Raum geachtet werden soll und welche Möglichkeiten es gibt, lesen Sie in diesem Interview.
Online-Lernen ist in aller Munde. Worauf ist speziell beim Online-Training für das Erlernen von Sprachen zu achten?
Wenn man vom Unterricht vor Ort zu Online-Formaten übergeht, stehe ich als Trainer vor der Herausforderung, die Studierenden intrinsisch zu motivieren. Ich muss es schaffen, ihnen klarzumachen, dass der Online-Unterricht, die Texte, Materialien und Übungs-Apps der Anfang sind – und nicht das Ende. Die Studierenden müssen den Wunsch entwickeln, das Sprachenlernen für sich selbst fortzusetzen. Das ist das Ziel, und wir bei Berlitz haben inzwischen große Erfahrung damit, es erfolgreich umzusetzen.
Viele kennen ja den englischen Ausdruck »Use it or lose it« – genau darum geht es. Den Kursteilnehmern muss bewusst sein, dass sie im Online-Learning noch mehr als im klassischen Präsenzunterricht an ihrem Erfolg mitarbeiten müssen, indem sie das Erlernte systematisch anwenden, und zwar sowohl außerhalb des virtuellen Klassenzimmers, als auch nach Abschluss der Übungen und Levels in der App.
Wie kann Online-Lernen im Bereich Sprachen interaktiv gestaltet werden? Was kann man alles tun, um die Aufmerksamkeit der Teilnehmer zu halten?
Die Antwort auf diese beiden Fragen ist vom Konzept her einfach, aber in der Praxis nicht leicht: Man muss viele Fragen stellen bzw. stellen lassen. Wenn ich neue Trainer ausbilde, fordere ich sie auf, sich zu fragen, warum sie die einzelnen Fragen stellen. Stellen sie Fragen, um die Schüler zu neuen Vokabeln und Grammatik zu führen? Stellen sie Fragen, um das zu üben, was die Schüler gelernt haben? Und vor allem: Wie bringen sie die Lernenden dazu, selbst Fragen zu stellen? Ich habe die meiste Zeit meines Deutschstudiums damit verbracht, Fragen zu beantworten, doch das Beantworten von Fragen ist nur eine Hälfte eines Gesprächs. Wer eine Sprache beherrschen und Konversation betreiben will, muss in der Lage sein, Fragen zu formulieren.
Wenn ich als Trainer Fragen stelle, bekomme ich die Aufmerksamkeit der Leute. Wenn ich sie motiviere, selbst Fragen zu stellen, übe ich mit ihnen einen essenziellen Teil von Sprache. Fragen sind also ein zentrales Element im Unterricht.
Manche haben schon keine Lust mehr, dauernd vor einem Computer mit Kamera zu sitzen. Wie schafft man hier die nötige Motivation?
Ich glaube nicht, dass es »Überdruss« ist, der das Online-Lernen vor besondere Anforderungen stellt. Schließlich nutzen die Menschen, die den ganzen Tag vor dem Computer sitzen, nach Feierabend freiwillig dieselbe Technologie, um mit Freunden und Verwandten in Kontakt zu treten und in den Social Media aktiv zu sein.
Es ist doch vielmehr so, dass Ablenkungen durch den Arbeitsalltag und das Leben zu Hause ein neues Niveau erreicht haben. Mein persönlicher Schlüssel ist deshalb Einfühlungsvermögen. Ich berücksichtige, dass Teilnehmer in mehrfacher Hinsicht unter Druck stehen: Sie sollen ihre Sprach- und Geschäftskenntnisse verbessern und parallel dazu produktiv arbeiten sowie unterschiedliche Anliegen managen, die an sie herangetragen werden, während sie doch eigentlich ihre Konzentration fürs Lernen brauchen.
Ich stelle mir oft vor, dass die Studenten auf ihrem Computer mehrere Anwendungen geöffnet haben, und dass ihre Führungskraft möchte, dass sie lernen und sich nebenbei »kurz« einen Monatsbericht ansehen und eine Frage dazu beantworten oder sich sofort mit ihnen in Verbindung setzen.
Das ist schwierig. Mein Verständnis ist, neben meinem Engagement bei der Vermittlung der Trainingsinhalte, der Schlüssel, um die Studierenden zu motivieren, andere Apps zu schließen oder ihren Status auf »Bitte nicht stören« zu setzen. Sie sollen nirgendwo anders sein wollen als hier bei mir im Unterricht.
Welche Vorteile hat es, mit einem »echten« Menschen zu sprechen im Unterschied zu kostenlosen Sprach-Lern-Apps oder fertigen Video-Sprachkursen?
Das Online-Lernen ist der Anfang und nicht das Ende. Es sind durchaus gute Anwendungen und Materialien auf dem Markt. Aber das allein genügt für die meisten Studierenden nicht, um eine Sprache wirklich anwenden zu können.
Gute Coaches aktivieren und motivieren nämlich nicht nur zum Lernen, sondern bringen die Studierenden auch in Situationen, in denen sie die Sprache anwenden (müssen) und ihre eigene Denkfähigkeit einsetzen können. Das echte Leben ist weniger vorhersehbar und schafft kompliziertere Gesprächssituationen als der Unterricht. Das menschliche Element im Sprachtraining hilft, auf diese Realitäten vorbereitet zu sein und adäquat reagieren zu können.
Ist es sinnvoll, die Basics einer neuen Sprache mittels kostenloser oder sehr günstiger Learning Tools zu erwerben und diese dann mit einem Trainer zu vertiefen?
Das hängt von den Bedürfnissen der Lernenden ab. Ich kenne eine Reihe von Menschen, die mit diesen Mitteln bekommen, was sie brauchen. Sie haben gelernt, wie man lernt. Sie haben eine realistische Vorstellung davon, was diese Tools können und was nicht.
Aber die Lernbedürfnisse sind von Person zu Person verschieden, und wenn jemand mehr Anleitung braucht, bieten das die Apps nicht unbedingt oder nicht in der für die jeweilige Person besten Form. Schließlich gibt es unterschiedliche Lernstile, das können Sprachtrainer viel besser abdecken als ein Computer. Das Risiko von »Freebies« besteht oft darin, dass nur eine Lernmethode zum Aufbau einer bestimmten Fähigkeit (z. B. Vokabeln lernen) verwendet wird. Ich habe Verständnis, wenn jemand seine Sprachkenntnisse so effizient und kostengünstig wie möglich verbessern möchte. Ich zweifle aber daran, dass es sich hier immer um eine »Abkürzung« handelt, die wirklich zum Erfolg führt.
Sie bieten bei Berlitz verschiedene Möglichkeiten des Online-Lernens an. Können Sie uns einen Überblick geben?
Wir bieten alle Optionen an: Einzelunterricht, Gruppenunterricht und Selbststudium. Wer mit Berlitz lernt, hat den Vorteil, dass professionelle Methoden, Materialien, Unterrichtsstrukturen und Online-Plattformen für jede Unterrichts- oder Lernform zur Verfügung stehen. Wir können auf jeden Lernwunsch und jede Lernsituation eingehen, die Studierenden »von Mensch zu Mensch« begleiten und sie effektiv dabei unterstützen, ihr Sprachziel zu erreichen.