Menschen statt Ressourcen

Menschlichkeit und Erfolg schließen sich nicht aus. Ganz im -Gegenteil, sie ergänzen und bedingen einander. Welche Möglichkeiten es gibt, im heutigen Unternehmensalltag »menschlich« zu handeln und -warum das in Zukunft noch viel wichtiger wird, beschreibt dieser Artikel.

Durch den Wertewandel der neuen Generation wird sich an den Arbeitsplätzen der Zukunft einiges ändern. Darüber sind sich HR-Trendstudien und Personalexperten einig. Die »Um-die-Dreißigjährigen« möchten ihr privates Leben, ihre Freizeit und ihre Hobbys nicht für die Karriere opfern. Es ist ihnen bewusst, dass Arbeitszeit auch Lebenszeit ist. Sie fordern flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit zur Heimarbeit. Die Führung muss sie auf gleicher Augenhöhe behandeln und wertschätzend mit ihnen umgehen. Direktes Feedback wird nicht nur akzeptiert, sondern regelrecht eingefordert.

Kurz gesagt, das Unternehmen der Zukunft muss »menschlicher« agieren und darf die Mitarbeiter nicht mehr ausbeuten. Daher muss sich auch die HR-Abteilung die Frage stellen, welche Konsequenzen ethisches und »wertevolles« Handeln mit sich bringt. Der Mensch darf (und will) nicht mehr nur als »Produktionsfaktor« oder »Ressource« behandelt werden. Daher werden sich möglicherweise auch Begriffe wie Human Resource und Humankapital verändern, vielleicht in Richtung »Human Management« bzw. »Menschenabteilung«.

Birgit Puchinger (Geschäftsführerin schmid & diamant) versteht unter Menschlichkeit im Personalmanagement: »Einander wahrnehmen und jeden Menschen so behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte. Einander wahrnehmen wiederum beinhaltet für mich folgende Idee: Weg von der Personalnummer, hin zur Namensansprache, zur Begrüßung mit Handschlag, zum Smalltalk im Aufzug usw. HR-Manager haben Vorbildfunktion. Auch wenn die bisherigen Umgangsformen innerhalb des Unternehmens nicht den eigenen Verhaltensnormen entsprechen, heißt es hier, sich selbst treu zu bleiben und authentisch zu agieren.«

Für Wolfgang Hosinger (Geschäftsführer fidelis HR Austria GmbH) hat die Personalabteilung eine ganz besondere Bedeutung: »Das Personalwesen ist gelebte Menschlichkeit für mich. Der Personalist ist natürlich nicht gleich Betriebsrat. Von Führungskräften wird immer häufiger gefordert, im Sinn des Unternehmens und nicht der Mitarbeiter zu handeln. Ein Personalist sollte hier ausgewogene Bedingungen schaffen.«

Das könnte das Rollenbild der zukünftigen HR-Abteilung sein. Allein die heutige Selbsteinschätzung von Personalisten reicht von »Kostensenker« (i.S . von Personalabbau) über »Gehaltsverwalter« bis hin zu »Förderer«. Es gibt kein einheitliches Bild. Vielleicht wird diese »Menschlichkeitsabteilung« genau dafür eingesetzt, um das Leben während der Arbeitszeit für die arbeitenden Personen wertvoller zu machen und sich dadurch das Image als Arbeitgeber aufzubessern.

Nehmen wir zur Veranschaulichung einen Filialleiter im Einzelhandel, der einen fleißigen Mitarbeiter bei sich im Team hat. Er wird klarerweise alles daran setzen, diesen in seiner Filiale zu halten. Selbst wenn er wüsste, dass der Mitarbeiter nicht 100 % glücklich ist und lieber in die Zentrale des Unternehmens wechseln würde. Wenn unser Filialleiter über den Tellerrand blickte, könnte er erkennen, wie produktiv und wichtig für den Konzern dieser Mitarbeiter in der Zentrale sein würde. Genau um solche Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten von Mitarbeitern herauszufinden und deren Talente auch umzusetzen, ist HR da, bzw. sollte dafür da sein. Das ist die häufig fehlende verbindende Brücke zwischen »Menschlichkeit« und »Wirtschaftlichkeit«. Gerade in großen Betrieben gibt es genügend Möglichkeiten, Mitarbeiter intern zu versetzen, bis sie sich wirklich wohlfühlen.

Barbara Thoma (Geschäftsführerin ARGO Wien) weiß ebenfalls, wie einfach es sein könnte, glückliche und damit effiziente Mitarbeiter zu haben und sagt: »Die richtigen -Menschen am richtigen Platz einzusetzen und sie individuell richtig zu führen, sichert nachhaltiges Wachstum.«

Eine wichtige Frage in diesem Zusammenhang ist allerdings, welchen Anspruch das Unternehmensziel verfolgt. Barbara Thoma: »In der Privatwirtschaft ist das eine einfach zu beantwortende Frage. Welchen Anspruch an Menschlichkeit das Unternehmen erfüllen, wofür es hinsichtlich dieses Anspruches bekannt sein und welche kurzfristigen wirtschaftlichen Erfolge es dahin gehend hintenanstellen will – das sind Fragen, die weitaus schwerer zu beantworten sind, die aber jedenfalls die Unternehmensidentität prägen. Eine Identität, die sowohl am Arbeitnehmer- als auch zunehmend am Kundenmarkt eine Rolle spielen kann.«

Jürgen Smid (Geschäftsführer karriere.at) weiß, warum es wichtig ist, menschlich zu agieren: »Langfristig können Unternehmen, die ihre Mitarbeiter ausbeuten, nicht erfolgreich sein. Die eigenen Mitarbeiter sind immer die wichtigsten Multiplikatoren für Arbeitgeber – im Positiven wie im Negativen. Unzufriedene Mitarbeiter, die in ihrem Familien- und Freundeskreis negative Kritik am Unternehmen äußern, haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss. Spätestens, wenn top-qualifizierte Fachkräfte zu besseren Arbeitgebern abwandern und Not an Mann und Frau ist, findet ein Umdenken statt. Gerade große IT-Unternehmen haben die Zeichen der Zeit bereits erkannt und nehmen Top-Plätze in den Arbeitgeberrankings ein.«

»Menschliche« Möglichkeiten

Was kann ein Unternehmen tun, um mitarbeitergerecht zu handeln, um menschlich und respektvoll zu sein und um wertschätzend mit seinen Mitarbeitern umzugehen?

Wie bereits angesprochen, ist es wichtig, beim Recruiting im Sinne des Bewerbers zu handeln und nicht eigennützig zu denken. Es gilt, die passenden Mitarbeiter für die passende Stelle zu finden. Das bedeutet auch, dass der Recruiter abschätzen muss, ob die Stelle für den Kandidaten wirklich geeignet ist, oder ob er nicht doch für eine andere Stelle im Unternehmen besser wäre, selbst wenn diese Stelle derzeit nicht ausgeschrieben ist.

Bereits in der Ausgabe 2/14 ab Seite 40 haben wir über Ehrlichkeit des Recruiters beim Jobinterview geschrieben, daher gehen wir hier nicht nochmals darauf ein. Was aber ein wichtiger Punkt im Zusammenhang mit Bewerbern ist, sind die Absagebriefe.

wortwelt® hat dazu 100 Absageschreiben österreichischer Unternehmen analysiert und festgestellt, dass die Mehrheit der Bewerber Briefe oder E-Mails mit austauschbaren Floskeln bekommen. Sabine Hödl (wortwelt®): »Die Briefe sind sprachlich in den 90er-Jahren stecken geblieben – als gebe es zwanzig Jahre später keinen War for Talents.« Die fünf häufigsten Floskeln sind:

Vielen Dank für Ihre Bewerbung und Ihr Interesse an unserem Unternehmen. (Findet sich in 74 % der Absageschreiben.)

Wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen, Sie nicht in die engere Auswahl ziehen zu können. (48 %)

Wir erlauben uns, Ihre Unterlagen in Evidenz zu halten. (21 %)

Nach sorgfältiger Prüfung müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass wir uns für einen anderen Kandidaten entschieden haben. (16 %)

Wir bitten Sie um Verständnis für diese Entscheidung. (13 %)

Jürgen Smid (Geschäftsführung karriere.at) weiß, worauf es noch ankommt: »Der faire, respektvolle Umgang mit Bewerbern – unabhängig von Eignung und Qualifikation – darf nicht beim Onboarding enden. Wenn Bewerber zu Mitarbeitern werden, sind Personalisten, Führungskräfte und Kollegen gleichermaßen gefordert. Einmal gemachte Versprechungen wie etwa Gehaltszusagen, sind einzuhalten. Ehrlichkeit ist ein Hygienefaktor und Verständnis für heikle Situationen bis hin zu privaten Problemen, ist wichtig. Selbst bei Kündigungen, wo viel kommunikatives Fingerspitzengefühl gefragt ist, ist Menschlichkeit ein wesentliches Kriterium.«

Menschlichkeit hört nie auf. Menschlichkeit gegenüber Mitarbeitern beginnt erst so richtig nach dem erfolgreichen Bewerbungsprozess. Das Einarbeiten, das Kennenlernen der Führungskräfte und der Kollegen und eventuell der Kunden sind wesentliche Phasen für einen neuen Mitarbeiter im Unternehmen. Natürlich ist auch die Kündigung eine extrem wichtige Phase. Trennungsmanagement ist hier das Schlagwort. Ähnlich wie in privaten Partnerschaften schaffen manche es, sich respekt- und würdevoll voneinander zu trennen, und manche eben nicht. Häufig hat das mit dem »Reifegrad« der Person zu tun. Gleiches gilt für Unternehmen. Je weiter entwickelt ein Unternehmen ist, je wichtiger ihm die Mitarbeiter sind, umso wertschätzender wird eine Trennung sein.

Birgit Puchinger: »Ich kann ein Austrittsgespräch führen, dabei Wertschätzung und Dankbarkeit vermitteln, ein ansprechend-authentisches Dienstzeugnis erstellen und im Bedarfsfall ein weiteres Mal auf diese Arbeitskraft zukommen, um eine neuerliche Anstellung zu bewirken (was gerade im Projektgeschäft ein wichtiger Schritt ist). Eine Kündigung kann aber unter Umständen auch so verlaufen: Zum Schutze der firmeninternen Daten wird eine Führungskraft mit sofortiger Freistellung gekündigt, muss auf der Stelle und unter ›Begleitschutz‹ den Arbeitsplatz räumen. Aber um ehrlich zu sein: War der Mitarbeiter ansatzweise klaren Verstandes und sein Geld wert, so hat er bereits die für ihn wichtigen Informationen in seinem Kopf oder wichtige Ansprechpersonen und Handynummern abgespeichert. Also wozu diese menschenunwürdige Vorgehensweise? Langfristig schadet man mit solchen Vorgehensweisen dem Unternehmensimage enorm.«

Flexibilität

Die meisten Start-ups »funktionieren« ganz anders als etablierte Unternehmen. Wenn jemand als Externer in einem jungen Unternehmen zu einem Termin kommt, fühlt er sich willkommen. Man ist viel schneller per Du, erkennt schneller den Spaß an der Arbeit. Kleidungsvorschriften scheinen nicht zu existieren. Nicht »Kleidung macht Leute«, sondern der Charakter macht Leute.

So sieht man auch mittelgroße Start-ups, in denen der Chef in Lederhosen oder in Jogginghosen im Büro sitzt. In solchen Unternehmen zählen vor allem zwei Dinge: Spaß und Ergebnis. Wie die Ergebnisse erbracht werden, ist egal. Von wo aus gearbeitet wird, zu welchen Zeiten gearbeitet wird, ist nicht mehr wichtig. Es zählen das Ergebnis und der Teamgeist bzw. der Umgang untereinander. Im HR-Interview der Ausgabe 2/14 haben wir von whatchado berichtet. Dort gibt es ein Spielzimmer im Büro, und es wird doch tatsächlich während der »Arbeitszeit« gespielt.

Man erkennt daran, dass Flexibilität eines der wichtigsten Wörter für die Personalarbeit der Zukunft ist. Jürgen Smid zum Thema Arbeitszeiten: »Ich denke, dass wir nicht in Zeiten leben, in denen Erfolg und Menschlichkeit einander ausschließen. Egal ob es sich um große Konzerne handelt, die familienfreundliche Arbeitszeitmodelle einführen oder um kleine Unternehmen, die als Hidden Champions mit begeisterten Mitarbeitern ihre Branche umkrempeln. Eine mögliche Alternative ist sicherlich das Thema Home Office, wenn es auch auf Arbeitgeberseite häufig kritisch betrachtet wird. Laut aktuellen Studien macht flexibles Arbeiten Arbeitnehmer um 5 bis 15 % produktiver. Sie sind spürbar motivierter und sparen sich den manchmal zeitaufwändigen Weg zum Arbeitsplatz. Dadurch ist Home Office eine Alternative, um Zeit und Kosten zu sparen und gleichzeitig für mehr Produktivität im Unternehmen zu sorgen. Bei uns im Unternehmen arbeiten Teams, organisiert in flachen Hierarchien. Es wird im gesamten Unternehmen geduzt, wodurch zwischen Geschäftsführung, Führungskräften und Mitarbeitern kommunikative Barrieren vermieden werden. Die offene, menschliche Kommunikationskultur, an der in eigenen Projekten gearbeitet wird, ist für den Erfolg des Unternehmens wesentlich.«

Konkrete Tipps

Unsere Interviewpartner geben Ihnen abschließend konkrete Tipps, um mit einfachen Mitteln das Leben aller im Unternehmen leichter zu machen:

Barbara Thoma: »Einfache Instrumente wie das jährliche Mitarbeitergespräch können – wenn sie bewusst und nicht nur als überbürokratisierte Pflichtübungen abgewickelt werden – enorm viel abfangen und bewirken. Im Alltag sind es auch Kleinigkeiten wie ein aufmerksamer Blick in der Früh bei der Begrüßung und hie und da eine ehrlich gemeinte mitfühlende Nachfrage, die uns Menschen menschlich machen.«

Wolfgang Hosinger: »Ein gutes Betriebsklima ist einer der angenehmsten Umstände für Freude an der täglichen Arbeit. Die Voraussetzungen dafür schafft einerseits der Dienstgeber (zum Beispiel freundliche Gestaltung der Arbeitsplatzumgebung, Umgangston etc.), andererseits liegt ein Teil auch beim Team selber. Bei uns im Unternehmen ist beispielsweise aufgrund von Gleitzeitvereinbarungen eine Flexibilität der Arbeitszeit gegeben. Wert gelegt wird ebenso auf gemeinsame Mittagspausen im Aufenthaltsraum, was wiederum den Teamgeist fördert und es den Mitarbeitern erleichtert, den Kopf wieder freizubekommen. Gut umsetzbare Möglichkeiten sind beispielsweise auch das regelmäßige Informieren zu Entwicklungen im Unternehmen, das teilweise Einbinden der Mitarbeiter bei Entscheidungen, bis hin zu jährlichen Mitarbeitergesprächen, bei denen der Mitarbeiter auch umgekehrt die Möglichkeit hat, dem Arbeitgeber Feedback zu geben.«

Jürgen Smid: »Lob und Anerkennung sind wesentlicher Grundbestandteil einer respektvollen, menschlichen Unternehmenskultur. Wer auf Augenhöhe kommuniziert, eine tolerante Fehlerkultur lebt und Produktivität über abgeleistete Stunden stellt, hat auf dem Weg zum ›menschlichen Arbeitgeber‹ viel erreicht.«

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