Die Lehrlingsausbildung junger Menschen genießt nach wie vor nicht den besten Ruf, besonders in Ostösterreich. Was sich in den letzten Jahren geändert hat, und warum sich das triale Ausbildungssystem durchsetzt, lesen Sie hier.
Mit Stand 30. Dezember 2013 waren laut WKO rund 120 000 Lehrlinge in Österreich beschäftigt. In insgesamt 32 189 Lehrbetrieben wurden 79 347 Burschen und 41 232 Mädchen ausgebildet. Die beliebtesten Lehrberufe für Mädchen sind Einzelhandel, Bürokauffrau sowie Friseurin. Bei den jungen Männern dominieren Metalltechnik, Elektrotechnik sowie Kraftfahrzeugtechnik. Die absolute Anzahl an Lehrlingen liegt ganz grob gesprochen seit Mitte der 90er konstant zwischen 120 000 und 130 000. Die meisten Lehrlinge seit den 70er-Jahren gab es 1980 mit 194 000 Lehrlingen.
Derzeit wählen rund 40 % der Jugendlichen nach dem Pflichtschulabschluss den Ausbildungsweg einer Lehre. In Österreich spricht man dabei von einer »dualen Berufsausbildung« und meint damit einerseits die Ausbildung direkt beim Lehrbetrieb und andererseits die Ausbildung in der Berufsschule, wo rund ein Fünftel der Ausbildungszeit verbracht wird.
In den meisten Fällen dauert eine Lehre 3 Jahre. Danach muss der ausgelernte Lehrling vom Betrieb nicht übernommen werden. Die Ausbildungsbetriebe sehen es jedoch häufig als eine Investition in die Zukunft, sich die Besten der jungen Menschen zu behalten.
Um Lehrlinge ausbilden zu dürfen, müssen einige Voraussetzungen im Betrieb gegeben sein, wobei die Betriebsgröße dabei keine Rolle spielt. Unter anderem muss eine ausreichende Anzahl an Lehrlingsausbildern zur Verfügung stehen. Die Tätigkeit als Ausbilder ist neben bestimmten beruflichen Vorbildungen an den Nachweis berufspädagogischer und rechtlicher Kenntnisse geknüpft, die durch Ausbilderprüfungen festgestellt werden. Alternativ zur Prüfung kann der Ausbilder einen 40-stündigen Ausbilderkurs absolvieren.
Anreize für Lehrlinge
Wirtschaftsforscher befürchten einen Rückgang an Lehrlingen und führen das zum einen auf die demografische Entwicklung zurück und zum anderen auf die Werbung anderer Schulen. »Die Schulen betreiben massiv Image-Werbung und versuchen ihre Klassen zu erhalten. Ohne alternative Berufsinformation wissen junge Menschen aber gar nicht, was sie erreichen können«, sagt Katrin Eichinger-Kniely von der Bildungsabteilung der Wirtschaftskammer Österreich in einem Interview mit derstandard.at. Daher lassen sich Unternehmen immer mehr einfallen, um gute Bewerbungen für Lehrstellen zu erhalten. Das können monetäre Anreize wie Boni oder erhöhte Lehrlingsentschädigungen sein. Der Lebensmitteldiskonter Hofer bietet beispielsweise im 1. Lehrjahr einen um 40 % höheren Lohn für Lehrlinge als im Kollektivvertrag vorgesehen ist und zusätzlich die Möglichkeit von Erfolgsprämien für gute Leistungen. Auch Spar bietet gute Prämienchance und bezahlt unter gewissen Umständen auch den Führerschein der Lehrlinge. Andere Handelsketten punkten mit neuen Smartphones und übernehmen auch die Telefonkosten.
Auch zusätzliche Weiterbildungsangebote in Richtung Persönlichkeitsbildung sind bei den jungen Menschen beliebt. Das Angebot reicht von Sprachausbildungen über Präsentationsseminare bis hin zu Verkaufsschulungen. Martin Swetly (Leiter der Lehrlingsausbildung bei der Generali Versicherung AG) weiß über den Mehrwert von externen Seminaren Bescheid: »Unsere Lehrlinge sind sehr froh, wenn sie als Tapetenwechsel Neues dazu lernen können. Natürlich gibt es manchmal Themen, die nicht so spannend sind, aber ich denke, dass unsere Jugendlichen ihre Chance, in ihrem Lehrberuf aufgehen zu können, voll und ganz erkannt haben. Klar ist, dass Jugendliche gefordert und gefördert werden sollen – und das tun wir in vielerlei Hinsicht.« Einen besonderen Schwerpunkt legt die Generali auf den Bereich Sprachen und hat gemeinsam mit biz.talk Language Consulting die Sprachausbildung für Lehrlinge ausgebaut. Swetly: »Die Sprache ist das Mittel zum Zweck, sie ist unser wichtigstes Werkzeug in der Kommunikation und ist ein starkes Kulturmerkmal und Teil der individuellen Identität. Erst durch die Sprache wird Vereinbarungsqualität mit unseren Kunden geschaffen. Im Bereich Sprachfertigkeiten, Präsentation und Ausdrucksstärke schulen wir unsere Lehrlinge ganz besonders, da wir ein kundenorientiertes Finanzdienstleistungsunternehmen sind. Lehrlinge mit Migrationshintergrund und sehr guten Deutschkenntnissen sind bei uns besonders willkommen, da ja auch unsere Kunden viele Sprachen sprechen.«
Der Lehrling 2014
So wie sich die Gesellschaft generell verändert, entwickeln sich natürlich junge Menschen ganz besonders weiter. Ein Lehrling heute denkt nicht mehr wie ein Lehrling vor 10 Jahren. Hermann Studnitzka, Leiter von Didactic Concepts bei Festo Österreich (www.festo-tac.at), kennt den Lehrling von heute: »Wurde vor 10 Jahren von Jugendlichen tendenziell nach dem ›Warum funktioniert das so?‹ gefragt, so steht heute immer öfter das ›Wie wende ich das an?‹ im Mittelpunkt. Es zeigt sich also ein Trend: Wurden früher die funktionalen Details von Elementen und Schaltungen hinterfragt, sind heute eher die Gesamtheit, die Integration und die Zusammenhänge relevant.«
Günther Mathé (Geschäftsführer careercenter.at) bietet Seminare für Lehrlinge an und kennt einige Veränderungen der Lehrlinge: »Erhebliche Unterschiede bestehen im allgemeinen Umgang miteinander und in der Sprache. Die Lehrlinge 2014 haben häufiger eine kurze Aufmerksamkeitsspanne. Gerade deshalb ist es von besonderer Bedeutung, Seminare abwechslungsreich und nicht ›schulisch‹ zu gestalten. Viele Lehrlinge wissen die zusätzliche Ausbildung sehr zu schätzen und sind stolz auf ihren Arbeitgeber.«
Gundl Kutschera (Geschäftsführerin Institut Kutschera, www.kutschera.org) kennt noch weitere Unterschiede: »Der größte Unterschied ist die immer geringer werdende Frustrationstoleranz, das heißt, die Lehrlinge können sich sehr schwer in gegebene Strukturen einordnen. Eine wichtige Unterscheidung ist auch, dass Lehrlinge heute suchen, was sie begeistert und was wirklich zu ihnen passt und ihren Talenten entspricht. Sehr oft wird dabei aber Folgendes verwechselt: Die große Begeisterung sinkt sofort bei den ersten Schwierigkeiten in der Lehrstelle und sie verlassen die Lehrstelle, mit der Begründung, ›das ist nicht genau Meines‹. Das führt dazu, dass in manchen Gegenden Lehrherren schon gleich mehrere Lehrlinge aussuchen, weil maximal einer übrig bleibt.«
Festo Österreich hilft Unternehmen aus verschiedenen Branchen, Schwerpunkt Technik, ihre Lehrlinge besser auszubilden. Hermann Studnitzka: »Die Anforderungen steigen stetig und die Technik wird immer komplexer. Es ist für Unternehmen daher manchmal nicht mehr möglich, wirklich alle Inhalte eines Berufsbildes selbst auszubilden. Man denke beispielsweise an Maschinenbaulehrlinge. Das Programmieren von Steuerungen ist heute ein essenzieller Teil der Ausbildung, aber nicht jedes ausbildende Unternehmen hat entsprechendes Übungsmaterial vorrätig. Zumal sich die Technik hier laufend ändert – sowohl Hard- als auch Software. Die Zunahme der Komplexität führt auch dazu, dass wir von der dualen Ausbildung in Richtung triale Ausbildung tendieren. Stichwort: Lernen von den Besten. Lehrlinge brauchen neben der betrieblichen Ausbildung und der Berufsschule ein drittes Angebot für Spezialthemen. Dies können sowohl technische Inhalte sein, aber auch Social Skills oder Themen wie Wirtschaftlichkeit, die Organisation von Betrieben allgemein, die Produktion im Speziellen usw.«
Das triale Ausbildungssystem
Bis vor einiger Zeit wurde stets vom dualen Ausbildungssystem bei Lehrlingen gesprochen. Seit wenigen Jahren gibt es den Begriff »triales Ausbildungssystem«. Darunter versteht man eine Drittelung der Lehrzeit in Berufsschule, eine Zeit im Betrieb und einer »überbetrieblichen Einrichtung«, also Seminaranbieter von Lehrlingsseminaren.
Martin Sandriesser (Geschäftsführer BIKOM) weiß, warum Kompetenzen, die das Fachliche überschreiten, heutzutage von besonderer Bedeutung sind: »Auftreten, Rhetorik, Kommunikationsfähigkeit, Selbstverantwortung, Teamfähigkeit und Konfliktfähigkeit sind für einen Menschen heutzutage nötig, um die Herausforderungen im beruflichen und privaten Leben zu bewältigen. Aus dem Elternhaus bekommen die Jugendlichen diese Fähigkeiten oft nur zum Teil oder gar nicht vermittelt. Auch haben in den allermeisten Fällen Berufsschule und Ausbilder weder die Zeit noch die Möglichkeit, diese Inhalte zu vermitteln.« Umso wichtiger ist es, auch in Form von externen Seminaren diese Kompetenzen zu trainieren.
Zusätzliche Skills
Häufig sind es externe Trainings- und Beratungsfirmen, die zusätzliche Skills für die Lehrlinge trainieren. Hermann Studnitzka: »Wir kommen beispielsweise – sofern nicht ohnedies entsprechende Stationen vorhanden sind – mit Übungsequipment in die Lehrwerkstätte unserer Kunden und trainieren die Lehrlinge vor Ort in mehrtägigen Workshops. Praxisorientierung wird dabei großgeschrieben, darum üben wir mit echten Industriekomponenten – etwa in den Themenbereichen Pneumatik, Elektrik oder Steuerungstechnik. Der Schwierigkeitsgrad und die fachliche Tiefe orientieren sich dabei am jeweiligen Berufsbild und dem Wissensstand der Lehrlinge.«
Gundl Kutschera weiß, welche Inhalte dabei besonders für Lehrlinge interessant sind: »Neben den fachlichen Fähigkeiten ist Benehmen heutzutage sehr wichtig – nicht nur innerhalb des Teams, sondern auch gegenüber den Kunden. Dazu ist es notwendig, dass die Lehrlinge Selbstbewusstsein und Sozialverhalten lernen, und genauso wichtig ist die Frustrationstoleranz – dass sie schlechte Tage von Kollegen/Chefs/Kunden u. a. nicht persönlich nehmen und damit umgehen lernen.«
Günther Mathé ergänzt die Themen: »Neben der fachlichen Qualifikation im Betrieb und in den Berufsschulen ist die Stärkung und Entwicklung der eigenen Persönlichkeit ein zentraler Punkt. Lehrlinge werden von den Unternehmen als zukünftige Führungs- und Fachkräfte gesehen, die in Teams arbeiten, Projekte betreuen, das Unternehmen nach außen vertreten und einen wichtigen Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen in Österreich darstellen. Umgangsformen, Präsentationstechnik, Teamtraining, Kommunikation und Konfliktmanagement sowie eigenverantwortliches Handeln sind nur einige Bereiche, auf die Firmen bei Lehrlingsseminaren großen Wert legen.«
Ausbildung der Ausbilder
Ein Lehrlingsausbilder braucht wie bereits beschrieben laut Gesetz »nur« eine Ausbilderprüfung oder einen 40-Stunden-Kurs zu absolvieren. Um die Weiterbildung von Ausbildern attraktiver zu machen, gibt es finanzielle Förderungen, z. B. von der wko bis zu 1.000,– € pro Ausbilder und Jahr für Maßnahmen, die der Weiterbildung der Ausbilder im Umgang mit den Lehrlingen dienen: z. B. Pädagogik, Methodik, Didaktik oder Persönlichkeitsentwicklung. Außerdem gibt es regionale Stammtische, bei denen sich Ausbilder regelmäßig zu einem Austausch treffen. Zusätzlich gibt es seit 2013 von Business Circle das Lehrlingsforum, bei denen sich Führungskräfte und Lehrlingsausbilder austauschen und informieren können.
Natürlich gibt es auch zahlreiche Seminare speziell für Lehrlingsausbilder. Die Volkswirtschaftliche Gesellschaft beispielsweise hat Seminare im Angebot wie z. B. »Führen von Jugendlichen – eine besondere Herausforderung.«
Auch bei externen Seminaranbietern, die Entwicklungsprogramme für Lehrlinge anbieten, gibt es die Möglichkeit, als Ausbilder dabei zu sein. Häufig ist es sogar gewünscht. Günther Mathé weiß, warum: »Es ist meiner Meinung nach sehr wichtig, dass die Lehrlingsausbilder in die zusätzliche Ausbildung der Lehrlinge eingebunden sind, dieser positiv gegenüberstehen und die Lehrlinge dabei unterstützen. Die Ausbilder kennen die Lehrlinge, den Arbeitsalltag und die Herausforderungen und können wichtige Inputs für die praxisnahe Konzeptionierung der Seminare bzw. Module geben.«
Gundl Kutschera sieht es ähnlich: »Wenn möglich, ist es sehr wichtig, dass die Lehrlingsausbilder mit dabei sind, weil sie oft noch nach alten Regeln vorgehen, die für die Jugend oft schwer verständlich sind. Am besten ist es, wenn die Lehrlingsausbilder und die Lehrlinge die gleiche Ausbildung für Selbstbewusstsein und Sozialverhalten bekommen und die Ausbilder lernen, ein ›Nein‹ und negatives Feedback/Kritik so zu vermitteln, dass die Lehrlinge es auch annehmen können.«
Kosten
Für jedes Unternehmen ist es natürlich auch eine Kostenfrage, Lehrlinge zusätzlich zu fördern und auf Seminare zu schicken. Langfristig zahlt es sich immer aus, in Bildung der Mitarbeiter zu investieren. Die Kompetenzen steigen, das bringt einen Vorteil fürs Unternehmen, und außerdem wird der Lehrling in seiner Wertschätzung bestärkt. »Ich bin dem Unternehmen etwas wert«, ist die Botschaft. Zudem gibt es zahlreiche Förderungen für Lehrlinge. Laut Gundl Kutschera werden Zusatzausbildungen ebenfalls von der wko gefördert und kosten das Unternehmen ca. 100,– € pro Aus-/Weiterbildungsmodul pro Lehrling. Die wko fördert dabei 75 % der Kurskosten bis max. € 1.000,– € pro Lehrling über die gesamte Ausbildungsperiode in einem Lehrbetrieb bzw. maximal 10.000,– € pro Kalenderjahr und Lehrbetrieb. (-www.-lehre-foerdern.at).
Fazit:
In unserer Gesellschaft kommen berufstätige Eltern immer seltener dazu, ihren Kindern soziale Kompetenzen zu vermitteln. Benimmregeln, Kommunikationsfähigkeiten etc. kommen einfach zu kurz. Durch das triale Ausbildungssystem von Lehrlingen ist es möglich, durch externe Seminare den Jugendlichen genau diese sozialen Kompetenzen zukommen zu lassen. Durch Förderungen der wko sind die Kosten überschaubar. Ein weiterer Schritt, um das Image als Arbeitgeber bzw. als Lehrlingsbetrieb zu erhöhen.