Eine aktuelle Studie stellt Herausforderungen und Chancen in einem sich wandelnden Arbeitsmarkt übersichtlich dar.
Die Personalsuche österreichischer Unternehmen steht vor großen Herausforderungen, aber auch vor Chancen. Dies zeigt die Studie »Recruiting in Österreich 2023« der Online-Jobplattform Stepstone. Befragt wurden über 250 Recruiter zu den drängendsten Themen der HR-Branche. Von den befragten Recruitern waren 58 % zum Zeitpunkt der Befragung in einem kleinen oder mittelgroßen Unternehmen tätig und 42 % in einem Unternehmen mit mehr als 250 Angestellten. Die Umfrage erfolgte im Mai 2023.
Ganz oben auf der Liste der Herausforderungen steht der Fachkräftemangel. Fast zwei Drittel der Befragten sorgen sich über den zusätzlichen Arbeitsaufwand durch unbesetzte Stellen. Auch verlängert sich die Zeit von der Stellenausschreibung bis zur Besetzung deutlich. Dies führt zu Unzufriedenheit bei den Mitarbeitern und zu Leistungseinbußen im Unternehmen.
Um dem entgegenzuwirken, setzen die Unternehmen verstärkt auf Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung (67 %), Employer Branding (59 %) sowie auf die Nutzung aller verfügbaren Recruiting-Kanäle (49%). Auch Fortbildungen für die bestehende Belegschaft werden als Mittel gegen den Fachkräftemangel gesehen. Dies zeigt, dass die Bedeutung der HR-Abteilungen weiter zunimmt – mehr als die Hälfte gab an, dass ihre Abteilung für einen reibungslosen Ablauf im Unternehmen wichtig ist.
Benefits und Mitarbeiterbindung
Bei den Benefits und Instrumenten zur Mitarbeiterbindung sind vor allem flexible Arbeitsmodelle wie Home-Office (83 %) gefragt. Auch Extras wie Weiterbildungen (79 %) und Mitarbeiterevents (76 %) kommen bei den Mitarbeitern gut an. Beliebt sind auch Bonuszahlungen, Gratiskaffee und die Übernahme von Fahrtkosten für öffentliche Verkehrsmittel. Kleinere Annehmlichkeiten wie Snacks runden das Angebot ab. Noch wichtiger als die Benefits sind allerdings sinnstiftende Aufgaben und Flexibilität bei der Arbeitszeit. Diese wurden in der Umfrage als die größten »Gamechanger« genannt, um Top-Talente zu gewinnen. Ein attraktives Gehalt folgt erst an dritter Stelle.
Trotzdem gibt es bei der Flexibilität noch Nachholbedarf. Alternative Modelle wie die 4-Tage-Woche oder Jobsharing werden bisher nur wenig angeboten. Doch laut Studie sind flexible Arbeitsmodelle essenziell, um Top-Talente zu gewinnen und zu halten. Auch konzeptionelle Modelle wie Jobsharing bergen Potenzial, sei es für den Wiedereinstieg, die Altersteilzeit oder den Wissenstransfer.
Beim Thema Gehaltstransparenz gehen die Unternehmen noch zögerlich vor. Nur ein Drittel nennt in Stellenanzeigen konkrete Gehaltsspannen. Dabei fördert Offenheit Fairness und Geschlechtergerechtigkeit. Für viele bleibt das Gehalt aber Verhandlungssache oder Privatsache. Dabei spielt Transparenz für Mitarbeiterzufriedenheit und Employer Branding eine wichtige Rolle.
Recruiting
Auch beim Recruiting selbst besteht Verbesserungspotenzial. Obwohl Bewerbungsprozesse zunehmend digitalisiert werden, nutzen viele Unternehmen noch nicht die Möglichkeiten von Bewerberdatenbanken und KI. Über die Hälfte druckt Bewerbungen nach wie vor aus. Und nur 40 % ermöglichen immer Einblick in den Status von Bewerbungen.
Bei den gesuchten Fähigkeiten stehen fachliche Qualifikationen weiter an erster Stelle. Jedoch gewinnen Soft Skills an Bedeutung. Kandidaten müssen sich auch in digitalen Arbeitsumgebungen zurechtfinden. Die Studie empfiehlt daher, Bewerber gezielt auf Digitalkompetenz und Anpassungsfähigkeit zu prüfen.
Das klassische Motivationsschreiben hat weiter einen hohen Stellenwert, um Passgenauigkeit und Motivation zu prüfen. Doch ein Drittel verzichtet bereits darauf, um den Bewerbungsprozess zu vereinfachen. Auch Video-Interviews und One-Click-Bewerbungen sind im Kommen. Die Digitalisierung der HR-Welt hat also begonnen, ist aber noch nicht abgeschlossen.
Bei der Kanälen zur Mitarbeitergewinnung setzen kleine Unternehmen vorrangig auf Online-Jobportale. Größere Unternehmen nutzen ein breiteres Spektrum wie Karriereseiten und soziale Medien. Durch aktives Networking versuchen die Unternehmen, auch passive Kandidaten zu erreichen. Denn die besten Talente sind nicht immer aktiv auf Jobsuche.
Mental Health
Die psychische Gesundheit rückt stärker in den Fokus der Personalarbeit. 82 % erachten eine geeignete Arbeitsumgebung als wichtig für mentale Gesundheit. 55 % sehen dafür die Unternehmen in der Verantwortung. Konkrete Maßnahmen wie Meditationskurse oder Berater im Unternehmen werden aber noch selten angeboten. Im Bewerbungsprozess spiele das Thema aber keine Rolle. Recruiter wollen von einer psychischen Erkrankung erfahren, 48 % sehen sie aber nicht als Hindernis für Qualifikation. 31 % sagen, dass eine psychische Erkrankung keinen Einfluss auf die Besetzung von Expertenpositionen habe. Die Studie zeigt: Es besteht Aufklärungsbedarf, um psychische Gesundheit im Arbeitsalltag zu etablieren.
Ausblick
Für die Zukunft sind Flexibilität und Anpassungsfähigkeit entscheidend, um den sich wandelnden Anforderungen von Arbeitnehmern und Arbeitsmarkt gerecht zu werden. Der Fachkräftemangel wird sich laut Einschätzung der Befragten weiter zuspitzen. Auch die Ansprüche der Bewerber an Flexibilität und Unternehmenskultur steigen.
Um dem zu begegnen, sind Employer Branding und bindende Unternehmenswerte wichtiger denn je. Auch datenbasierte und technologiegestützte Recruiting-Konzepte sollten verstärkt zum Einsatz kommen. Nur so können Unternehmen langfristig die passenden Talente finden und halten.
Trotz der Herausforderungen bietet die dynamische Lage auch Chancen für Recruiter, die bereit sind, umzudenken und neue Wege zu gehen. Laut Studie kommt es jetzt darauf an, HR-Prozesse neu aufzustellen und kreativer sowie schneller zu werden. Die Veränderungen eröffnen die Möglichkeit, eine führende Rolle im zukünftigen Arbeitsmarkt einzunehmen.